# taz.de -- EU-Einigung auf Lieferkettengesetz: Wegschauen bei Kinderarbeit ver… | |
> Die EU verständigt sich auf ein neues Gesetz: Firmen müssen darauf | |
> achten, dass ihre Zulieferer Menschenrechte und Umweltstandards | |
> einhalten. | |
Bild: Containerhafen Hamburg: Ware, die hier ankommt, soll fair produziert word… | |
Zuletzt hatte es noch eine Nachtsitzung gebraucht. Aber am Donnerstagmorgen | |
war dann klar: Die EU hat sich in Trilogverhandlungen auf ein | |
Lieferkettengesetz geeinigt, das viele Unternehmen künftig dazu | |
verpflichten soll, ihr Produktionsnetzwerk auf mögliche [1][Verstöße gegen | |
die Menschenrechte zu überprüfen] und dagegen vorzugehen. Zudem müssen | |
Konzerne einen Plan verabschieden, der sicherstellen soll, dass ihr | |
Geschäftsmodell mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar ist. | |
Dass die Verständigung zwischen Vertreter*innen des EU-Parlaments, der | |
Mitgliedstaaten und der Kommission über die EU-Sorgfaltspflichtenrichtlinie | |
– wie sie offiziell heißt – überhaupt zustande kommt, war bis zuletzt | |
unsicher. Zu groß schienen die Unstimmigkeiten vor allem zwischen Rat und | |
Parlament. | |
„Fast bis zum Tageseinbruch“ hätten die Verhandler*innen diskutiert, | |
sagte die Berichterstatterin für das Parlament, Lara Wolters. Sie stellte | |
die Einigung am Donnerstag in einer Pressekonferenz mit Justizkommissar | |
Didier Reynders und dem spanischen Staatssekretär Gonzalo García Andrés | |
vor, der für die Mitglieder im Rat verhandelt hatte. | |
„Missstände wie Kinderarbeit bei der [2][Gewinnung von Kobalt für | |
Smartphones], Regenwaldzerstörung für Soja, das in unseren Supermärkten | |
landet, sind nur einige Beispiele für unverantwortliche Geschäftspraktiken, | |
bei denen Unternehmen nun nicht mehr wegschauen können“, erklärte Wolters. | |
## Finanzdienstleister ausgenommen | |
Die letzten Streitpunkte waren Fragen, die beispielsweise im deutschen | |
Lieferkettengesetz, das seit Beginn des Jahres in Kraft ist, noch gar nicht | |
vorkommen. Etwa, ob die Sorgfaltspflichten auch für den Finanzsektor gelten | |
sollen. Dagegen hatte sich besonders Frankreich gewehrt – und mit der | |
Unterstützung der anderen Mitgliedstaaten dann auch durchgesetzt. Im | |
Kompromiss sind Finanzdienstleister nun ausgenommen, sie können aber mit | |
Hilfe einer Überprüfungsklausel später noch eingefügt werden. | |
Während einige Teile der Finanzlobby sich vehement gegen ihre Einbeziehung | |
in die Richtlinie gewehrt hatten, gab es auch viele Investoren und | |
Finanzdienstleister, die das wollten. Unter anderem hatte Frank Elderson | |
vom Vorstand der Europäischen Zentralbank dafür geworben, die EU-Richtlinie | |
auf den Finanzsektor auszuweiten. | |
Zweiter großer Streitpunkt waren die Klimavorgaben für Unternehmen: Sollten | |
Unternehmen lediglich Klimapläne vorlegen müssen – oder auch verpflichtet | |
sein, sie umzusetzen und bei Verstößen dagegen belangt werden können? Auch | |
hier hatten sich vor allem Mitglieder des Rats, darunter Deutschland, gegen | |
die stärkeren Verpflichtungen ausgesprochen. Hier setzten sich aber die | |
Vertreter*innen des Parlaments durch. Ebenso wie mit der Vorgabe, dass | |
die Umsetzung der Klimapläne an Bonuszahlungen für Manager*innen | |
gekoppelt sein sollen. | |
Und auch im dritten Konflikt – der Haftung – behauptete sich das Parlament. | |
Anders als im deutschen Lieferkettengesetz können nach den Vorgaben der | |
EU-Richtlinie Betroffene oder auch Interessenvertreter wie Gewerkschaften | |
oder NGOs künftig vor europäischen Gerichten gegen Unternehmen klagen, die | |
ihren Pflichten nicht nachkommen. Die Verjährungsfrist soll fünf Jahre | |
betragen. Außerdem sollen die Kosten begrenzt werden, die auf | |
Kläger*innen zukommen. | |
## Deutschland muss nachbesser | |
[3][Während vor allem deutsche Wirtschaftsverbände bis zuletzt stark gegen | |
die EU-Richtlinie lobbyiert hatten], hatten sich etwa Unternehmen aus der | |
Textil- und Nahrungsmittelindustrie immer für klare Regeln eingesetzt und | |
zeigten sich nun entsprechend erfreut. Auch aus der Zivilgesellschaft war | |
Aufatmen zu hören: Ein breites Bündnis an Umwelt- und | |
Menschenrechtsorganisationen hatte jahrelang für Unternehmenspflichten auf | |
EU-Ebene gekämpft. | |
Die EU-Richtlinie muss nun noch vom Parlament und den Mitgliedstaaten | |
angenommen werden. Das ist in der Regel nach Abschluss der | |
Trilogverhandlungen nur noch Formsache. Danach müssen die Mitgliedstaaten | |
die Reglungen in nationale Gesetze überführen. Durchgesetzt werden diese | |
dann von den nationalen Behörden. Diese können Untersuchungen durchführen | |
und bei Verstößen Sanktionen gegen die Unternehmen verhängen – vorgesehen | |
sind Geldstrafen von maximal 5 Prozent des Nettoumsatzes. | |
Deutschland muss sein Lieferkettengesetz nun in einigen Punkten | |
nachbessern: Hinzugefügt werden müssen die Möglichkeit der zivilen Haftung | |
und die Umweltpflichten. Außerdem wird der Geltungsbereich ausgeweitet: Das | |
deutsche Lieferkettengesetz sollte ab 2024 für Firmen mit mehr als 1.000 | |
Mitarbeitern gelten, die EU-Einigung soll aber solche mit mehr als 500 | |
Mitarbeiter*innen und einem weltweiten Nettoumsatz von 150 Millionen | |
Euro betreffen. | |
Auch für Unternehmen von außerhalb der EU gilt das EU-Gesetz, wenn sie | |
einen Nettoumsatz von 300 Millionen Euro in der EU erwirtschaften. Außerdem | |
gelten die Sorgfaltspflichten nun für die gesamte Wertschöpfungskette, also | |
auch für Verkauf, Logistik und Entsorgung. | |
14 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] /EU-Lieferkettengesetz/!5934620 | |
[2] /Kobalt--und-Kupfererz-Abbau-im-Kongo/!5960026 | |
[3] /UN-Lieferkettengesetz-fuer-Unternehmen/!5968796 | |
## AUTOREN | |
Leila van Rinsum | |
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