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# taz.de -- Arbeitsrechte in Lateinamerika: Hoffnung auf das Lieferkettengesetz
> Eine Bananenplantage in Costa Rica hat kürzlich allen Gewerkschaftern
> gekündigt. Jetzt können die Betroffenen durch Oxfam hierzulande dagegen
> klagen.
Bild: Bananenernte in Costa Rica. Das Land ist der zweitgrößte Bananenexporte…
Hamburg taz | Cristino Hernández hat seine Entlassungspapiere zum 11.
August bekommen. Für den 59-jährigen Plantagenarbeiter sind die
Perspektiven düster. „Hoffnungen, in meinem Alter einen Job auf einer
anderen Plantage zu ergattern, habe ich kaum. Druck der Bananen-Importeure
ist meine einzige Chance“, so der Costa Ricaner mit dem buschigen
Schnauzer. Vier Jahre arbeitete er auf der Bananenplantage Jardín del Tigre
II an der Karibikküste Costa Ricas. Aldi Nord oder Süd Bananen beziehen
hier ihre Produkte.
Vor drei Jahren ist Cristino Hernández jedoch in die Gewerkschaft der
Plantagenarbeiter (Sitrap) eingetreten. „Ich engagiere mich für die
Arbeitsrechte, bin ein Unbequemer in den Augen meines Arbeitgebers.“ Das
könnte auch der Grund für den anstehenden Verkauf der Plantage sein: „Mein
Kollege Miguel Anchia und ich sind dem kolumbianischen Besitzer der
Plantage ein Dorn im Auge, weil wir uns engagieren, auf Arbeitsrechte
hinweisen, uns nichts gefallen lassen“, vermutet Hernández. Deshalb habe
Jaime Montoya, der Manager der Farm, den Verkauf der Farm eingeleitet und
die Entlassung aller organisierten Arbeiter:innen, insgesamt 13, beim
Arbeitsministerium angezeigt.
Formal ist das legal, denn die Plantage, die nun den Namen Esperanza,
Hoffnung, trägt, wurde schließlich verkauft und hat einen neuen Besitzer.
Doch Didier Leitón, Sekretär der Gewerkschaft Sitrap, vermutet dahinter nur
ein Motiv: „Sie wollten die 13 organisierten Arbeiter der Farm loswerden.“
Dafür spricht, dass große Teile der 180 Arbeiter:innen der alten
Belegschaft wiedereingestellt wurden. „Nicht aber wir organisierten
Arbeiter“, so Cristino Hernández. Er hat zwar mittlerweile eine Abfindung
per Anwalt durchgesetzt, steht aber genauso wie die anderen ohne Arbeit da.
Hernández und Leitón betrachten das als [1][miese, gegen Arbeitsrecht
verstoßende Praktiken].
## Weitere Sanktionen sind möglich
„Wir analysieren das deutsche Lieferkettengesetz als zusätzliche Option, um
auf Arbeitsrechtsverstöße aufmerksam zu machen“, sagt der
Gewerkschaftskoordinator Jorge Acosta von Astac, der ecuadorianischen
Gewerkschaft der Plantangenarbeiter:innen und Kleinbäuer:innen. „Wir
prüfen, ob es mit der Unterstützung von europäischen Organisationen möglich
ist, auf gravierende Fälle wie den von Otisgraf hinzuweisen.“ Otisgraf ist
ein ecuadorianisches Unternehmen mit deutschen Besitzern, dessen Management
gewerkschaftlich organisierte Arbeiter:innen laut Acosta wenn irgend
möglich entlässt.
Frauen erhielten deutlich geringere Löhne als Männer. Außerdem müssten die
Leute in Vollzeit arbeiten, obwohl sie nur Teilzeitverträge hätten. Das ist
ein gravierender Verstoß gegen nationales und internationales Recht,
weshalb ASTAC bei der Rainforest Alliance eine Beschwerde eingereicht hat.
Die weltweit aktive Organisation unterhält ein Zertifizierungsprogramm das
nach eigenen Angaben das Ziel verfolgt, durch die Kontrolle sozialer,
ökonomischer und ökologischer Standards die beteiligten Unternehmen zu
einer nachhaltigeren Landwirtschaft zu bringen. Die ASTAC-Beschwerde habe
dazu geführt, dass das Zertifikat für Otisgraf seit dem 10. Juli nicht mehr
gültig ist, so Rainfioarest-Referentin Christine Cöster auf Anfrage der
taz. Das deutet darauf hin, dass die Verstöße gegen das Arbeitsrecht
gravierend sind, denn die Zertifizierungsgesellschaft ist nicht dafür
bekannt, zu harten Sanktionen zu greifen.
Ob ASTAC auch eine Beschwerde im Rahmen des deutschen Lieferkettengesetzes
anstrengen wird, ist noch nicht entschieden, aber für das Team der
ASTAC-Anwälte ist das eine neue Option. Das seit dem 1. Januar geltende
Gesetz bietet vollkommen neue Handhaben für Anwälte: „De facto sind für uns
die Erfolgschancen über Beschwerden bei den importierenden Supermärkten und
in einem zweiten Schritt im Rahmen des deutschen Lieferkettengesetzes höher
als hier vor Ort“, meint der 34-jährige Jurist Acosta. Das hat Gründe. Die
Untätigkeit des nationalen Arbeitsministeriums ist ein wesentlicher. „Die
Unternehmen haben sich daran gewöhnt, Gesetze nicht einzuhalten,
Arbeitsgesetze zu verletzen und so mehr zu verdienen“, kritisiert der
Anwalt die Defizite in Ecuador.
Ähnlich argumentiert Didier Leitón in Costa Rica. Triftige Gründe, weshalb
die Zahl der Beschwerden wegen Verstoßes gegen das Lieferkettengesetz beim
zuständigen Bundesamt für Ausfuhrkontrolle steigt. Und es würden noch mehr,
glauben Experten, weil sich die Gewerkschaftsanwälte in aller Welt erst mit
den Vorgaben vertraut machen müssen. Acosta sitzt mit seinem Team daran und
auch die SITRAP-Anwälte in Costa Rica machen sich schlauer. Ob sie dann
über den deutschen Partner Oxfam aktiv werden, ist noch nicht klar. Für
Cristino Hernández ist das jedoch die letzte Hoffnung auf
Wiedereinstellung.
8 Sep 2023
## LINKS
[1] /Oxfam-Studie-ueber-Arbeitsbedingungen/!5835400
## AUTOREN
Knut Henkel
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