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# taz.de -- EU-Lieferkettengesetz: Für mehr Menschenrechte und Klima
> EU-Abgeordnete haben den Entwurf zum EU-Lieferkettengesetz verabschiedet.
> Nun beginnen Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten.
Bild: Unternehmen wie Kik können mit dem EU-Gesetz für ihre Arbeitsbedingunge…
BERLIN taz | Am Ende war es doch noch eine Zitterpartie für das
EU-Lieferkettenges etz. Verhandelsführerin Lara Wolters (S&D) zeigte sich
Ende April noch zuversichtlich, als [1][der Rechtsausschuss den Kompromiss
annahm], über den das Europäische Parlament am Donnerstag abstimmte.
Der Kompromiss wurde auch mit Mitgliedern der konservativen EVP
ausgehandelt, der größten Fraktion im Europaparlament. [2][Einen Tag vor
der Abstimmung] stellten sich Teile der konservativen Fraktion allerdins
quer, vor allem der deutschen CDU/CSU-Delegation. Sie stellten 50 neue
Änderungsanträge. Bis zuletzt war nicht klar, ob es die EU-Richtlinie für
unternehmerische Sorgfaltspflichten am Donnerstag durchs Parlament schaffen
würde.
Umso größer war dann die Erleichterung von Wolters und
Mitstreiter*innen, als 366 Parlamentarier für die Richtlinie stimmten.
225 stimmten dagegen und 38 enthielten sich. Damit hat das
EU-Lieferkettengesetz eine weitere Hürde genommen. Nun geht es in
Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten im EU-Rat.
Die „Achterbahnfahrt“, wie Wolters den Prozess am Mittwoch nannte, ist
damit noch nicht zu Ende. Gerade auch Wirtschaftsverbände und
Unionsmitglieder aus Deutschland machen weiterhin Druck. Sie befürchten
Mehrarbeit durch Bürokratie und warnen, dass europäische Unternehmen sich
aus dem Globalen Süden zurückziehen werden.
## Das EU-Lieferkettengesetz geht weiter als das deutsche
Dabei hatten sich auch viele Unternehmen für ein Lieferkettengesetz
eingesetzt, etwa aus der Textil- und Schokoladenindustrie. Sie haben im
Rahmen von Selbstverpflichtungen bereits Sorgfaltsprüfungen etabliert und
wollen gleiche Regeln für andere Unternehmen, die sich bislang davor
scheuten.
Gleichzeitig haben freiwillige Selbstverpflichtungen es nicht geschafft,
Menschenrechte entlang der Lieferkette zu wahren. Immer noch schaffen es
viele Produkte in europäische Supermärkte oder Verabeitungswerke, die durch
Sklavenarbeit produziert worden sind oder die mit Landvertreibungen oder
Umweltverschmutzung einhergehen.
Mit Durchsetzung des EU-Lieferkettengesetzes werden Unternehmen
verpflichtet, ihre Lieferketten auf die Auswirkungen auf Menschenrechte und
Klima zu analysieren. Im nächsten Schritt müssen sie Maßnahmen ergreifen,
um Missstände zu beheben. Das europäische Lieferkettengesetz geht dabei
weiter als das deutsche, das im Januar 2023 in Kraft trat.
## Mehr Klimaschutz im Entwurf
Betroffen sind nach Wunsch der Parlamentarier Firmen mit 500 und später mit
250 Beschäftigten. Auch Unternehmen außerhalb der EU mit mehr als 150
Millionen Umsatz, von denen 40 Millionen in der EU erwirtschaftet wurden,
unterliegen der Richtlinie.
Eine weitere Neuerung gegenüber dem deutschen Gesetz ist, dass die
EU-Richtlinie neben Zulieferern die gesamte Kette betrifft, also auch
Verkauf, Vertrieb und Logistik. Der Rat wollte in seiner Position die
betroffenen Unternehmen eingrenzen und fordert eine Beschränkung der
Kontrolle auf direkte Zulieferer.
Regulierungen zur Unternehmensführung, um Menschenrechte und Nachhaltigkeit
zu stärken, stießen auf großen Widerstand bei den Konservativen. Sie
schafften es dann auch, einen weiteren Punkt in der Abstimmung am
Donnerstag vom Tisch zu nehmen. Gestrichen wurde die Regel, dass Vorstände
über Pläne, Risiken und Maßnahmen im Rahmen der Sorgfaltspflichten
unterrichtet werden.
Eine Sorgfaltspflicht von Unternehmenschefs ist aber weiterhin im aktuellen
Entwurf verankert. Unternehmensleiter sollen zudem weiterhin an das
1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens gebunden werden. Auch kann die
Auszahlung von Boni davon abhängen, ob sie die Klimabilanz des Unternehmens
dahin gehend verbessern. Die Zielvorgaben für Nachhaltigkeit wurden noch
einmal gestärkt. Unternehmen müssen auch Bezogen auf Umweltschäden Risiken
analysieren und entsprechende Maßnahmen ergreifen.
## Diskussion um Investoren und Klagerechte
Für Diskussion mit dem Rat wird die [3][Einbeziehung des Finanzsektors] in
die Richtlinie sorgen. Anders als das deutsche Lieferkettengesetz, sieht
der europäische Entwurf vor, das [4][auch Investoren zu Sorgfaltspflichten
entlang der Wertschöfungskette verpflichtet] werden. In den Kompromiss
schafften es allerdings nur noch dessen direkte Beziehungen.
Heiß umstritten sind auch die Klagerechte, die es in den Kompromiss vom
Donnerstag geschafft haben. Sie werden aber voraussichtlich weiterhin für
Krach mit dem Rat sorgen. Im Gegensatz zum deutschen Lieferkettengesetz
sieht das europäische Lieferkettengesetz als weitere Kontrollinstanz vor,
dass Opfer von Menschenrechtsverletzungen entlang der Lieferketten
europäischer Unternehmen vor Gerichten in der EU klagen können.
Bislang sind viele solcher Prozesse gescheitert, auch weil Gerichte die
Zuständigkeit abgewiesen haben, verjährt waren oder Opfer nicht genug
Beweise aufbringen konnten. So etwa der [5][Prozess gegen den Textilhändler
Kik] wegen eines Brands in der Zulieferfabrik in Karatschi, Pakistan, bei
dem 260 Menschen starben.
Nicht durchgesetzt hatte sich bereits im Rechtsausschuss die Forderung,
dass die Beweislast umgekehrt werden soll. Dann hätten nicht die Opfer
Beweise von Verletzungen erbringen müssen, sondern Unternehmen ihre
Unschuld beweisen müssen. Im aktuellen Entwurf ist zumindest eine
Verjährung erst ab 10 Jahren vorgesehen.
## Interessengruppen sollen gestärkt werden
Das EU-Parlament forderte außerdem Vorgaben, die Interessengruppen in die
Sorgfaltspflichtsprüfung einzubeziehen. Dieser Punkt wurde vor allem von
Gewerkschaften und indegenen Gruppen vorgetragen, die sich in dem Prozess
bislang benachteiligt sahen und betonten, nur in Kooperation könnten
Risiken akkurat analysiert werden und passende Maßnahmen bei Missständen
gefunden werden. Sie wollen nun besseren Zugang zu Informationen aus
Unternehmen bekommen und in Konsultationen einbezogen werden.
Ob Unternehmen die neuen Regelungen wirklich einhalten, sollen die
Aufsichtsbehörden in den EU-Mitgliedstaaten kontrollieren. Sie können
Geldstrafen von mindestens 5 Prozent des weltweiten Umsatzes erheben.
Nächste Woche sollen die Verhandlungen mit dem EU-Rat beginnen. Dann
beginnt die nächste Achterbahnfahrt für Wolters und ihre Mitstreiter*innen.
Einfach wird es nicht, aber das EU Lieferkettengesetz ist nur noch schwer
aufzuhalten.
1 Jun 2023
## LINKS
[1] /Neues-EU-Gesetz-zu-Lieferketten/!5927475
[2] /Neue-EU-Regeln-fuer-Lieferketten/!5934651
[3] /Finanzmarktregulierung-in-der-EU/!5920618
[4] /Kritischer-Aktionaer-ueber-Aktivismus/!5935742
[5] /Prozess-wegen-Fabrikbrand/!5561365
## AUTOREN
Leila van Rinsum
## TAGS
Lieferketten
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