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# taz.de -- Bauernproteste für Agrarsubventionen: Rechtes Ackern für den Agra…
> Protestveranstaltungen von Landwirten gegen die Sparbeschlüsse der
> Ampel-Koalition sind offen nach rechts. Der Bauernverband müht sich um
> Abgrenzung.
Bild: Androhung von Gewalt? Ampel am Galgen, Stuttgarter Bauerndemo am 21. Deze…
Berlin taz | Bei Protesten gegen die Streichung von Agrarsubventionen haben
manche Teilnehmer unter Rechtsextremen beliebte Parolen, Galgensymbole und
die Fahne einer gewalttätigen Bewegung gezeigt. Auf der Demonstration des
Deutschen Bauernverbands am 18. Dezember in Berlin und in einem Protestzug
dorthin waren neben 1.700 anderen Traktoren auch Trecker mit
Galgenschlingen zu sehen, an einer hing eine Ampel als Symbol für die
Ampelkoalition. Das belegen ein Foto der Nachrichtenagentur dpa und eine
Aufnahme in einem [1][Facebook-Beitrag] von Landwirtsaktivisten.
Auch in einem Zug zur Kundgebung der Bauernbewegung Land schafft Verbindung
Baden-Württemberg am 21. Dezember in Stuttgart fuhr ein Lastwagen, auf
dessen Ladefläche ein Holzgalgen mit Ampel stand. Am 19. Dezember war im
saarländischen [2][St. Ingbert] laut mehreren [3][Medien] bei einem
Bauernprotest ein Galgen mit Ampel vor einer Halle aufgestellt worden. „Das
ist doch Androhung von: Wir hängen euch auf, wenn ihr nicht spurt“,
kritisierte Martin Hofstetter, Agrarexperte der Umweltorganisation
Greenpeace.
Auf Fotos von der Veranstaltung in Stuttgart sind auch mehrere Traktoren
mit der schwarzen Fahne der gewalttätigen Bauernbewegung „Landvolk“ aus den
1920er Jahren zu sehen. In der Mitte der Fahne befinden sich ein weißer
Pflug und ein rotes Schwert.
Während der Weimarer Republik hatten sich in Schleswig-Holstein in der
Landvolkbewegung Bauern organisiert, die wegen hoher Schulden in Not
geraten waren. Sie verübte mehrere Bombenanschläge. Viele der
Landvolkakteure traten früh der NSDAP bei. Der Historiker Christian M.
Sörensen schreibt, die Bewegung habe mit ihrem Kampf gegen das „System“ die
Abkehr von den bisherigen Parteien verstärkt, die Bauern für politische
Betätigung mobilisiert und so „ungewollt den NSDAP-Aufstieg gefördert“. D…
Geschichtswissenschaftlerin Heidrun Edelmann attestierte im Bauernblatt
Schleswig-Holstein Claus Heim, einem der wichtigsten Landvolkführer,
„völkische, nationalistische und antisemitische Denkansätze“.
## Plakat: „Bauern wählen AfD!“
Als physische Gewaltandrohung verstanden werden konnte auch ein Bild an
einem Traktor bei dem Protest in Stuttgart: Da tritt ein dunkler großer
Stiefel eine Menschensilhouette, die grün ist und eine Sonnenblume auf der
Jacke trägt, von einer Klippe. Dazu der Slogan: „Tut es für das Vaterland �…
jagt die Grünen aus dem Land.“ Darunter steht das Logo der rechtsextremen
Partei „Heimat“ – die frühere NPD.
Ein Traktor fuhr zudem mit einem Transparent durch Stuttgart, auf dem die
Parole „Klagt nicht, kämpft“ stand. Der kämpferisch-soldatische Slogan ist
in der rechtsextremen Szene äußerst populär. Einschlägige Onlineshops
verkaufen schwarze Kapuzenpullover mit diesem Spruch, Reichsadler und
Eisernem Kreuz.
An einem Lastwagen war ein Transparent befestigt mit einem Ampelsymbol und
der Aufschrift „Ihr begeht Volksverrat“. Auch dieser Begriff wird vor allem
im rechtsextremistischen Milieu benutzt, zum Beispiel bei der entsprechend
vom [4][Landesverfassungsschutz] Sachsen eingestuften [5][Pegida]-Bewegung.
Die Nationalsozialisten führten das Wort ins Strafrecht ein.
Auf einer Tafel in Stuttgart hieß es „Bauern wählen AfD!“. An einem Trakt…
hing das Logo der Partei, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz als
[6][rechtsextremer Verdachtsfall] eingestuft worden ist. Offenbar wusste
der Teilnehmer der Demonstration für Agrarsubventionen nicht, dass die AfD
in ihrem [7][Grundsatzprogramm] schreibt: „Die AfD lehnt Subventionen
generell ab.“ Dennoch versucht der agrarpolitische Sprecher der
AfD-Bundestagsfraktion, Stephan Protschka, nun, die Bauernproteste für sich
zu nutzen, und forderte, die Subventionskürzungen in der Landwirtschaft zu
stoppen. Von allen genannten Schildern bei der Demonstration in Stuttgart
liegen der taz Fotos vor.
## Bauernverband lehne „derartige Symbolik ab“
Sogar auf der Bühne der Berliner Demonstration gab es Äußerungen, die als
rassistisch kritisiert wurden. Der Vorstandssprecher der Bewegung
„Landwirtschaft verbindet Deutschland“, Claus Hochrein, erntete Lacher, als
er dem Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) Politik wie „auf ’nem
[8][türkischen Basar]“ vorwarf. Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied,
der daneben stand, distanzierte sich nicht.
„Ich bin erschüttert“, kommentierte Umweltschützer Hofstetter die Vorfäl…
„Bei einer Demo des Bauernverbands in Berlin, 50 oder 100 Meter entfernt
von der Bühne – das verstehe ich nicht, dass man da nicht hingeht und sagt:
Leute, der Trecker mit der Galgenschlinge kommt hier nicht rein.“ Es sei
Job des Bauernverbands, dafür zu sorgen, „dass da keine Chaoten und
Rechtsradikalen mitmachen“. Die Organisatoren der jeden Januar in Berlin
stattfindenden „Wir haben es satt“-Demonstration für eine Agrarwende etwa
seien dieser Pflicht bei ähnlichen Unterwanderungsversuchen nachgekommen.
Der Deutsche Bauernverband erklärte auf Anfrage der taz zu den Galgen, er
lehne „eine derartige Symbolik aufs Schärfste ab.“ Land schafft Verbindung
Baden-Württemberg teilte mit, die Organisation habe bei ihrer Demonstration
„nur den Bereich um die Bühne aktiv beeinflussen“ können. „Es wäre uns…
Verein nicht möglich gewesen, alle Teilnehmer zu überprüfen, zumal wir nur
von 500 Teilnehmern ausgegangen sind.“ Man distanziere sich „von jeglicher
Gewalt, bzw. deren Androhung“. Dabei seien dann aber etwa 2000 Traktoren
gewesen. Die Polizei habe den Veranstaltern keine Rechtsverstöße
mitgeteilt. Da auch die Landwirtschaft zum Querschnitt der Bevölkerung
gehöre, sei davon auszugehen, dass auch mit der AfD sympathisierende
Landwirte unter den Teilnehmern waren. „Wir als Verein sehen uns als
parteineutral.“
Bei den geplanten Kürzungen geht es um Rabatte bei der Diesel- und
KfZ-Steuer für Agrarfahrzeuge. Diese Subventionen will die Ampelkoalition
streichen. Die so eingesparten 920 Millionen Euro sollen dazu beitragen,
das Haushaltsloch nach dem Schuldenbremsenurteil des
Bundesverfassungsgerichts zu schließen. Das erklärte die Umwidmung von
Coronahilfen für anderweitige Zwecke – um so die Schuldenbremse einhalten
zu können – für rechtswidrig. Weit mehr als die Landwirtschaft soll laut
einer vom Bundeskanzleramt vorgelegten Liste zum Beispiel übrigens der
Klima- und Transformationsfonds sparen: 12,7 Milliarden Euro.
[Anm. d. Red.: In einer vorherigen Version des Textes stand
fälschlicherweise, Cem Özdemir würde „aus der Türkei stammen“. Geboren
wurde der türkischstämmige Politiker allerdings in Bad Urach, Landkreis
Reutlingen, Baden-Württemberg.]
27 Dec 2023
## LINKS
[1] https://www.facebook.com/photo/?fbid=1069168357530646&set=pcb.106916842…
[2] https://www.sr.de/sr/home/nachrichten/politik_wirtschaft/protest_landwirte_…
[3] https://www.bild.de/regional/saarland/saarland-news/trecker-protest-in-st-i…
[4] https://www.verfassungsschutz.sachsen.de/pegida-5908.html
[5] https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/50083…
[6] https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/verfassungssch…
[7] https://www.afd.de/wp-content/uploads/2017/01/2016-06-27_afd-grundsatzprogr…
[8] https://www.youtube.com/watch?v=Etxo0q3BDB8
## AUTOREN
Jost Maurin
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