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# taz.de -- Neues EU-Asylrecht: Schnell einsperren, dann abschieben
> Schnellverfahren an den Grenzen, internierte Kinder, direkte
> Abschiebungen: Was sieht die Asyleinigung der EU vor?
Bild: Die polnisch-belarussische Grenze. Durch das neue EU-Recht befürchten Me…
Berlin taz | Das neue Gemeinsame Asylsystem der EU ist ein Bündel aus
insgesamt zehn Gesetzen, die das Asylrecht weiter vereinheitlichen, vor
allem aber verschärfen sollen. Sie zielen auf Dreierlei ab: Der Anspruch
auf Asyl wird eingeschränkt – Anträge sollen häufiger, leichter und
schneller abgelehnt werden können. Abschiebungen sollen umso leichter
möglich sein. Und eine teils deutlich schlechtere Behandlung Asylsuchender
soll abschreckende Wirkung entfalten.
Viele Detailfragen bleiben noch offen, im Kern werden aber die
Schnellverfahren an den EU-Außengrenzen stehen: Alle Ankommenden sollen
sich in geschlossenen Einrichtungen einem Screeningverfahren unterziehen.
Ausnahmen für Minderjährige soll es dabei nicht geben. Bei dem Verfahren
soll unter anderem festgestellt werden, ob Zugang zu einem regulären
Asylantrag im Ankunftsland gewährt wird oder ob es ein beschleunigtes
Verfahren im Lager gibt.
Für die Dauer der Internierung gelten die Schutzsuchenden offiziell als
nicht eingereist – das soll die Möglichkeiten einschränken, sich juristisch
zu wehren. Wie viele Menschen den Schnellverfahren unterzogen werden, ist
unklar. Ein Kriterium soll die Herkunft sein, etwa ob Bürger:innen aus
Ländern mit einer Schutzquote von mindestens 20 Prozent kommen.
[1][Eritrea] oder Syrien wären beispielsweise ausgenommen.
Wer allerdings über sogenannte sichere Drittstaaten in die EU gekommen ist,
soll auch dann ins Schnellverfahren kommen, wenn die 20-Prozent-Regel ihn
oder sie eigentlich davor bewahren würde. Welche Staaten dabei als sichere
Drittstaaten gelten, ist ungeklärt. Gedacht wird sicher an einige
Balkanstaaten, die Türkei oder solche in Nordafrika. In der Regel soll ein
Asylantrag bei Einreise über einen sicheren Drittstaat direkt abgelehnt und
die Person dorthin wieder abgeschoben werden. Allerdings: Dabei müssen die
Nachbarstaaten erst mal mitmachen – schließlich handelt es sich nicht um
ihre eigenen Bürger.
## 30.000 neue Lagerplätze, aber kein Verteilmechanismus
Die EU wird sich aber alle Mühe geben, mit guten Worten, Geld und Druck
entsprechende Bereitschaft zu schaffen. Wie willkürlich die Definition von
„sicher“ ist, zeigt sich bereits bei Asylanträgen in Griechenland: Wer üb…
die Türkei dorthin reist, wird automatisch abgelehnt. [2][Dabei schiebt die
Türkei nach Afghanistan und Syrien ab] – ist also nicht „sicher“.
Gleichzeitig weigert die Türkei sich, Flüchtlinge aus Griechenland
zurückzunehmen. Andere Staaten dürften es in Zukunft ähnlich halten.
Für das neue System will die EU Lager mit zunächst insgesamt 30.000 Plätzen
schaffen. In Griechenland sind in den vergangenen Jahren als Pilotprojekte
schon dystopisch anmutende Hochsicherheitslager entstanden, in denen das
neue System als Testlauf bereits angewendet wird. In anderen Ländern
dürften allerdings weniger neue Lager gebaut, als schon existierende
umgerüstet werden.
Zu den Novellen gehört auch ein Mechanismus, der es Staaten erlaubt, bei
Krisen oder im Fall von „Instrumentalisierung“ Geflüchteter durch
feindliche Nachbarstaaten oder sogar NGOs das Asylrecht weiter
einzuschränken. Unter anderem sollen dann alle Ankommenden für
Schnellverfahren interniert werden können. Gleichzeitig dürfen die Staaten
sich länger Zeit lassen, die Menschen zu registrieren.
Menschenrechtsorganisationen fürchten, dass dies die Zahl der gewaltsamen,
direkten Zurückschiebungen, [3][die sogenannten Pushbacks], steigen lassen
wird.
Einen verbindlichen Verteilmechanismus wird es nicht geben.
Innereuropäische Umverteilung bleibt freiwillig. Stattdessen können die
Mitgliedstaaten über einen sogenannten Solidaritätsmechanismus
Grenzschutzinfrastruktur in Drittstaaten oder innerhalb der EU finanzieren.
20 Dec 2023
## LINKS
[1] /Papiere-fuer-Gefluechtete-aus-Eritrea/!5940454
[2] /Tuerkei-und-Europas-Fluechtlingspolitik/!5957143
[3] /Zivilorganisation-ueber-Push-Backs/!5932171
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Asyl
EU-Grenzpolitik
Abschiebung
Türkei
GNS
CDU
Migration
Geflüchtete
Hamburg
Abschiebung
Pro Asyl
Georgien
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