# taz.de -- Runder Tisch im Schloss Bellevue: Emotionen in Zeiten des Terrors | |
> Bundespräsident Steinmeier hat bei einem Treffen zum Krieg in Nahost | |
> Zeichen gegen Antisemitismus gefordert – auch von arabischer Seite. | |
Bild: Margot Friedländer am Mittwoch im Schloss Bellevue beim Bundespräsident… | |
„Ich weiß es nicht, warum die Menschen nichts gelernt haben.“ Dieser Satz | |
hat an diesem 9. November eine neue Bedeutung bekommen. Gesagt hat ihn | |
[1][Margot Friedländer], Holocaust-Überlebende, 102 Jahre alt. Gerichtet | |
ist er an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, an die | |
Vertreter:innen arabischer, palästinensischer, jüdischer Communitys. | |
Sie sind wie Friedländer einen Tag vor dem Gedenken an die | |
Reichspogromnacht ins Schloss Bellevue gekommen, um der Sprachlosigkeit zu | |
weichen, um über [2][Hass, Hetze und Antisemitismus] zu reden, die seit dem | |
7. Oktober, seit dem Angriff der Terrormiliz Hamas auf Israel, auch in | |
Deutschland wieder verstärkt Einzug halten. Friedländer zeigt den | |
Anwesenden den Gelben Davidstern. „Das darf nie wieder geschehen“, sagt | |
sie. Und: „Menschen haben Menschen umgebracht. Wer hasst Menschen?“ | |
Der Bundespräsident hat zuvor eine Rede gehalten – und erneut in | |
staatsmännischer Manier jede Form von Antisemitismus in Deutschland scharf | |
verurteilt. „Wir werden Antisemitismus in diesem Land nicht dulden, keinen | |
alten und keinen neuen, keinen christlichen und keinen muslimischen, keinen | |
linken und keinen von rechts“, sagte Steinmeier. | |
„Ich bin besorgt, wie sehr die Gewalt im Nahen Osten auch den | |
gesellschaftlichen Frieden in Deutschland gefährdet. Ich bin entsetzt über | |
die Billigung des Terrors, die antisemitische Hetze auf unseren Straßen.“ | |
Und er forderte arabischstämmige Menschen in Deutschland zu einer klaren | |
Distanzierung von Antisemitismus und der radikalislamischen Hamas auf. | |
„Terrorismus, Volksverhetzung und der Aufruf zur Vernichtung des Staates“ | |
hätten keinen Platz in Deutschland, „und ich erwarte, dass wir gemeinsam | |
dagegenhalten.“ | |
## Ernst, heiter und manchmal verzweifelt | |
Wer versucht dagegenzuhalten, das sind die Menschen, die Steinmeier neben | |
Friedländer zu einem runden Tisch eingeladen hat. Dialog in Zeiten des | |
Terrors, verschiedene Perspektiven anhören, ist das Ziel. | |
Ein Imam ist dabei, der muslimische Jugendliche in Strafanstalten betreut, | |
ein Rabbiner, der gemeinsam mit dem Imam Workshops macht, zwei | |
Restaurantbetreiber aus Berlin – der eine Israeli, der andere | |
Palästinenser, die über das gemeinsame Kochen kulturelle Unterschiede | |
überwinden. Ein Ehepaar, das an Schulen geht und den „Emotionen der | |
Jugendlichen Raum geben will“, um die Gewalt, die Ausgrenzung vom Schulhof | |
zu kriegen. | |
Das Gespräch ist ernst, mitunter fast schon heiter, ab und an verzweifelt, | |
aber alle sind auf der Suche nach der Formel für ein gutes Zusammenleben. | |
Für die Restaurantbetreiber ist es ein neues Rezept für Hummus, für die | |
Freundschaft zwischen einem Muslim und einem Juden die regelmäßige | |
gemeinsame Drachenbootfahrt. | |
Der Bundespräsident hatte zuvor die „palästinensische und die gesamte | |
arabische Gemeinschaft in unserem Land“ aufgefordert, ihre politischen | |
Ansichten im Rahmen der Gesetze zu formulieren. „Sie alle sollen Raum | |
haben, um Ihren Schmerz und Ihre Verzweiflung über die zivilen Opfer in | |
Gaza zu zeigen, mit anderen zu teilen“, sagte Steinmeier. „Das Recht, das | |
öffentlich und friedlich zu tun, ist von unserer Verfassung garantiert – | |
und dieses Recht steht nicht infrage.“ Es dürfe „keinen antimuslimischen | |
Rassismus und auch keinen Generalverdacht gegen Muslime geben.“ | |
Dass es den offenbar doch gibt, das sagen auch die Vertreter:innen | |
muslimischer Initiativen. [3][Seit dem 7. Oktober] hätten sich viele junge | |
Araber:innen gefragt: Wo ist eigentlich ihr Platz in der Gesellschaft? | |
Und viele hätten gar das Gefühl, aus Berlin verscheucht zu werden. „Wir | |
versuchen, den Scherbenhaufen aufzufangen.“ Aber reicht das? Alle, auch | |
Steinmeier, setzen auf die Schulen, auf die Lehrkräfte, die für mehr | |
Aufklärung sorgen, die die Jugendlichen mit ihrer Wut auffangen sollen. | |
Kapazitäten dafür gibt es viel zu wenig. Auch das wird in der Runde mehr | |
als klar. | |
Margot Friedländer sagt, man müsse die Menschen aufklären, gut zu sein. | |
„Wir sind doch alle gleich, wenn wir auf die Welt kommen.“ In jedem | |
Menschen stecke irgendwas Gutes. | |
8 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Tanja Tricarico | |
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