# taz.de -- Umfrage über Lage in Kommunen: Kaum Geflüchtete in Turnhallen | |
> Die Unterbringung Schutzsuchender ist für die Mehrheit „machbar“. Das | |
> zeigt eine bundesweite Umfrage unter 600 Kommunen. | |
Bild: Eine Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen im Oktober – hier wohnen derzei… | |
BERLIN taz | Viele Kommunen seien bei der Unterbringung Geflüchteter „an | |
der Belastungsgrenze“, erklärten Grünen-Chefin Ricarda Lang und der grüne | |
Ministerpräsident Winfried Kretschmann gerade erst im Tagesspiegel. | |
Ähnliche Rufe gibt es seit Monaten aus der Bundes- und Landespolitik sowie | |
aus den Kommunen. Nur: Ein bundesdeutscher Überblick hat bislang gefehlt. | |
Das ändert jetzt eine [1][bundesweite Befragung des Mediendienstes | |
Integration und der Uni Hildesheim] – zumindest im Ansatz. | |
Repräsentativ ist die Befragung nämlich nicht – so kommt mehr als die | |
Hälfte der Antworten aus Baden-Württemberg, sehr wenige hingegen aus | |
ostdeutschen Bundesländern. Immerhin haben mehr als 600 Kommunen den | |
Fragebogen komplett ausgefüllt – das erlaube eine „grobe bundesweite | |
Einschätzung“, erklärt der Co-Autor der Studie, Boris Kühn von der Uni | |
Hildesheim, am Donnerstagmorgen bei der Vorstellung der Ergebnisse. | |
Fast 60 Prozent der befragten Kommunen beschreiben die Lage bei der | |
Unterbringung geflüchteter Menschen als „herausfordernd, aber (noch) | |
machbar“. Rund 40 Prozent bezeichnen sich als „überlastet“ oder „im | |
Notfallmodus“. „Erstaunlich viele“ Kommunen (55 Prozent) kommen nach wie | |
vor ohne Notunterkünfte aus. Da, wo sie eingesetzt werden, handelt es sich | |
vor allem um Container – diese nutzen mehr als ein Drittel der Kommunen. | |
Nicht überall seien diese wegen einer akuten Überlastungssituation | |
aufgestellt worden, erklärt Kühn. „Manche Kommunen geben an, dass sie die | |
Container seit mehreren Jahren dauerhaft nutzen.“ L[2][ediglich knapp sechs | |
Prozent nutzen hingegen eine oder mehrere Turnhallen.] Das habe ihn | |
angesichts der medialen Debatte überrascht, so Kühn. Die Lage sei | |
„flächendeckend angespannt“, bilanziert die Befragung. Die kommunalen | |
Bedarfe müssten gehört werden, „ohne zu dramatisieren“. | |
## Je nachdem, wer antwortet | |
Als hilfreiche Maßnahmen wurden in der Befragung vor allem eine Begrenzung | |
der Zuwanderung, finanzielle Unterstützung sowie staatliche Unterstützung | |
bei Unterbringung, Bauen und Wohnen genannt. | |
„Überlastung“ sei kein objektiv messbarer Faktor wie etwa die Temperatur, | |
betont Kühn. Einschätzungen entstünden nicht im luftleeren Raum. Die Studie | |
zeigt, dass es einen Unterschied macht, wer die Befragung ausfüllt: So | |
schätzten Bürgermeister*innen und Landrät*innen die Kommune | |
[3][deutlich öfter als „überlastet“] ein, als Mitarbeitende der | |
Fachabteilungen. Eine Erklärung hierfür könnten politische Interessen sein | |
– am Montag treffen sich die Regierungschefs von Bund und Ländern, um über | |
die künftige Finanzierung der Versorgung Geflüchteter zu verhandeln. | |
Die Situation auf kommunaler Ebene sei „enorm angespannt“, betont Miriam | |
Marnich vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Das betreffe die | |
Erstaufnahme Geflüchteter, aber auch die Regelstrukturen wie Schulen oder | |
Integrationseinrichtungen. Die Unzufriedenheit mit der Migrationspolitik | |
der Bundesregierung wachse in der Bevölkerung. | |
## Kommunen wollen Finanzierung | |
Mit Blick auf die anstehende Ministerpräsidentenkonferenz fordert auch | |
Marnich eine Begrenzung der Fluchtmigration, eine „deutliche Ausweitung der | |
Erstaufnahme- und Rückführungseinrichtungen“ sowie eine „nachhaltige | |
Finanzierung“ für die Unterbringung, Versorgung und Integration der | |
Menschen. Diese müsse sich „dynamisch am Fluchtgeschehen orientieren, damit | |
wir nicht immer wieder neu verhandeln müssen“. | |
Die aktuell von Union bis FDP gerne vorgetragene Forderung nach | |
Sachleistungen hingegen sieht Marnich skeptisch. Das sei eine „sehr alte | |
Diskussion“. Es sei aber nicht nachgewiesen, dass sich dadurch weniger | |
Menschen auf den Weg nach Deutschland machten. Auch müsse man die | |
Machbarkeit und den damit verbundenen Verwaltungsaufwand prüfen. Sinnvoller | |
sei es, so Marnich, die Leistungssysteme in Europa aneinander anzugleichen. | |
2 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://mediendienst-integration.de/fileadmin/Dateien/Universitaet_Hildeshe… | |
[2] /Minderjaehrige-Gefluechtete-in-Bremen/!5965328 | |
[3] /Unterbringung-von-Fluechtlingen-in-Berlin/!5962522 | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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