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# taz.de -- Wohnungen in Deutschland: Zu wenig, dafür unsozial
> In Deutschland fehlen Hunderttausende Wohnungen, vor allem bezahlbare.
> Fragen und Antworten zur Wohnungsbaukrise.
Bild: Wo geht es hier aus dem Baulabyrinth?
Warum steckt der Bau in der Krise?
Hohe Bauzinsen, gestiegene Material- und Energiekosten, gestörte
Lieferketten infolge des russischen Angriffskriegs – all das macht der
Baubranche zu schaffen. Zudem herrschte zwischenzeitlich Chaos bei den
KfW-Förderprogrammen. Die schwierigen Bedingungen machen sich bemerkbar,
die Baugenehmigungen sinken: In der ersten Jahreshälfte 2023 wurden mit
135.200 [1][27,3 Prozent weniger Wohnungen genehmigt] als im ersten
Halbjahr 2022. Das Neubauziel der Bundesregierung von 400.000 Wohnungen,
davon ein Viertel Sozialwohnungen, wurde [2][krachend verfehlt.] Fertig
gebaut wurden 2022 nur 295.300 neue Wohnungen. Besonders dramatisch ist die
Situation beim Sozialwohnungsbau. Statt der angepeilten 100.000
Sozialwohnungen wurden im vergangenen Jahr nur 22.545 neu gebaut. Damit
sank die [3][Gesamtzahl der Sozialwohnungen erneut], da rund 36.500
Preisbindungen ausliefen. Ein kleiner Lichtblick: Ende 2022 gab es 884.800
genehmigte Wohnungen, die noch nicht fertig gebaut wurden. Über die Hälfte
ist schon in der Mache.
Wie will die Bundesregierung gegensteuern?
Am vergangenen Montag stellten Bundeskanzler Olaf Scholz und
[4][Bundesbauministerin Klara Geywitz] bei einem Krisentreffen des Bündnis
bezahlbarer Wohnraum einen 14-Punkte-Plan vor: Enthalten sind bessere
Abschreibungsmöglichkeiten für Baufirmen, mehr Fördergelder für Sanierungen
und Umbauten, zudem sollen Familien beim Eigentumserwerb besser unterstützt
werden. Das Planen und Genehmigen soll einfacher und flotter werden. Einen
Schlüssel sieht der Kanzler [5][im seriellen Bauen], also dem Bauen mit
vorgefertigten Teilen. Ein Haus, das in seiner Grundstruktur in einem
Landkreis genehmigt wurde, soll überall gebaut werden dürfen.
Will die Bundesregierung Investoren beschenken?
So sieht es aus. Punkt 1 des 14-Punkte-Plans sind bessere
Abschreibungsmöglichkeiten für neue Wohngebäude. Mit der sogenannten
degressiven Abschreibung (AfA), die befristet eingeführt werden soll,
können im ersten Jahr sechs Prozent der Investitionskosten steuerlich
geltend gemacht werden, danach sechs Prozent des Restwertes. Das soll eine
schnellere Refinanzierung als bisher ermöglichen und ist als
Investitionsanreiz gedacht. Das Problem ist: Es gibt [6][keine sozialen
Vorgaben.] Investoren könnten diese Steuererleichterungen zwar dazu
einsetzen, die künftige Miethöhe zu reduzieren, müssen aber nicht. Die
Gefahr besteht, dass damit einfach weiter hochpreisige Wohnungen entstehen.
Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW
kritisiert, dass die sozial orientierten Wohnungsunternehmen davon kaum
profitieren.
Bleibt der Klimaschutz auf der Strecke?
Die Bundesregierung rückt bei Neubauten vom eigentlich [7][geplanten
strengeren Energiestandard EH 40 ab]. Der Grund: Ein höherer
Energiestandard verteuert den Bau. Umweltverbände beklagen, dass die
Klimaschutzziele im Gebäudesektor verfehlt werden. Erfreulich hingegen ist:
Für 2024 und 2025 sind zwei neue Förderprogramme geplant, die sich dem
Bestand widmen. Das Programm „Jung kauft Alt“ soll den Kauf von
sanierungsbedürftigen Häusern unterstützen. Zudem soll der Umbau von
ungenutzten Gewerbeimmobilien zu Wohnungen gefördert werden. Laut
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung könnten bis zu 235.000
neue Wohnungen entstehen. Das Geld soll aus dem Klima- und
Transformationsfonds kommen, einem Sondertopf außerhalb des
Bundeshaushalts.
Was wird aus dem Traum vom selbst gebauten Haus?
Das nicht gut angenommene KfW-Förderprogramm „Wohneigentum für Familien“
soll verändert werden. Bislang durfte eine Familie mit einem Kind höchstens
ein zu versteuerndes Einkommen von 60.000 Euro im Jahr haben, um Förderung
für ein klimafreundliches Haus zu bekommen. Nun soll die Grenze auf 90.000
Euro angehoben werden. Gefördert wird durch verbilligte Kredite. Auch das
Programm „Klimafreundlicher Neubau“ soll attraktiver werden.
Wie kommen wir nun an bezahlbare Wohnungen?
Der Bund stellt den Ländern, die für den Sozialen Wohnungsbau zuständig
sind, von 2022 bis 2027 18,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Länder
haben sich dazu verpflichtet, diese Summe zu ergänzen. Das Verbändebündnis
Soziales Wohnen beklagt aber, dass die Mittel nicht ausreichen werden, um
die gestiegenen Bauzinsen und Materialpreise auszugleichen, und fordert
[8][ein Sondervermögen von 50 Milliarden Euro.]
Eine strukturelle Wende in der Wohnungspolitik verspricht dagegen die
angekündigte Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit – ein Vorhaben aus
dem Koalitionsvertrag. Die Idee ist: Unternehmen, die dauerhaft günstige
Mieten anbieten, werden steuerlich oder durch Investitionszulagen
unterstützt. Das wäre ein Weg, um perspektivisch den gemeinwohlorientierten
Sektor auf dem Wohnungsmarkt zu stärken. Doch noch sind viele Fragen offen.
Zwar heißt es, dass die neue Wohngemeinnützigkeit schon nächstes Jahr „an
den Start gehen soll“, aber einen genauen Zeitplan gibt es nicht. Noch hat
sich die Regierung nicht auf ein Modell geeinigt. Der größte Knackpunkt:
Das Geld. Dass die FDP von Finanzminister Christian Lindner dem Konzept der
Wohngemeinnützigkeit tendenziell skeptisch gegenübersteht, lässt nichts
Gutes erahnen.
Was plant die Bundesregierung gegen die explodierenden Mieten?
Der 14-Punkte-Plan soll vor allem den Bau ankurbeln, deshalb kommt der
Mietenanstieg nicht darin vor. Doch wer bezahlbaren Wohnraum schaffen will,
darf das Mietrecht nicht ausklammern. In puncto Mieterschutz tut sich aber
seit Monaten gar nichts – weil Bundesjustizminister [9][Marco Buschmann
(FDP) blockiert], um eine Einigung in einer anderen Sache, nämlich [10][der
Vorratsdatenspeicherung,] zu erreichen. Eigentlich hatte sich die Regierung
auf eine Mietrechtsnovelle geeinigt, die unter anderem eine Verlängerung
der Mietpreisbremse beinhaltet. Während die Ampel mit diesen Vorhaben
scheitert, wird die Problemliste länger: [11][Abzocke bei möblierten
Wohnungen] oder die immer beliebter werdenden Indexmieten, die an die
Inflation gekoppelt sind.
30 Sep 2023
## LINKS
[1] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/09/PD23_369_3111.…
[2] /Neue-Wohnungen-in-der-Baukrise/!5933367
[3] /Sozialwohnungen-in-Deutschland/!5951779
[4] /Bundesbauministerin-Klara-Geywitz/!5939857
[5] /Serielles-Bauen-feiert-Comeback/!5855327
[6] /Oekonom-ueber-Geywitz-Wohnungsbauvorstoss/!5952432
[7] /Neubau-Plaene-der-Ampel/!5959680
[8] /Fehlender-Wohnraum-in-Deutschland/!5905219
[9] /FDP-verschleppt-besseren-Mieterschutz/!5922641
[10] /Plan-der-Innenministerkonferenz/!5895416
[11] /Wohnungsmarkt-in-Deutschland/!5952539
## AUTOREN
Jasmin Kalarickal
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