Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Polemischer Blick auf den Hund: Böses Kläffen
> Hunde können nett sein. Aber sie sabbern nicht nur, sie schaden der
> Umwelt. Sieben entschiedene Absagen an ein Anti-Tier.
Bild: Hund, jaulend
Den ersten Punkt, man kennt ihn: Er tut nichts! Von wegen. Die Aussage,
dass er ja nur spielen wolle – kennen Hunde den Unterschied zwischen Spiel
und Ernst? – und dass man also keine Angst haben müsse, weil er, also der
Hund, ja nichts tue, ist eine Aufforderung, sich dessen Spieltrieb zu
fügen. Sie ist unterlegt mit einer angedeuteten Drohung – Wer ihn nicht
spielen lässt, genauer: wer sich weigert, sein vermeintliches Spiel
mitzuspielen, dem tut er womöglich eben doch etwas.
Überhaupt, dieses Nichtstun: Es erscheint, genau besehen, seltsam
geschäftig. Der Hund, der angeblich nichts tut, wedelt. Er hechelt. Er
sabbert. Immer riecht er und stinkt, wenn es regnet. Er springt, freudig
erregt, weil er ja nur spielen will, sein Opfer an. Er stellt sich auf die
Hinterbeine, setzt seinem Gegenüber die Vorderläufe auf Oberschenkel,
Unterbauch, Brust, je nachdem wie groß es und wie groß er ist. Wenn es nur
ein Kind ist, das gar nicht unbedingt mit ihm spielen wollte, schmeißt er
es sogar um. Er fletscht, sabbert, leckt, furzt, tollt, knurrt, kläfft,
bellt. Er winselt. Ist das etwa nichts?
2.) Hunde sind Waffen und Werkzeuge. Selbstverständlich ist es eine enorme
kulturelle Leistung, Wölfe angelockt, abhängig gemacht und für die eigenen
Zwecke, die schnellere Fortbewegung und die effizientere Jagd
zurechtgemeißelt zu haben, vor annähernd 20.000 Jahren. Zu Recht bewundern
wir in Museen mühselig behauene Feuersteinkeulen, Schleudern oder Schlitten
als Zeugnisse des menschlichen Ingeniums.
Und doch würde man mit gutem Grund einer Person einen Vogel zeigen, die mit
Pfeil und Bogen durch die Stadt pirscht oder einen Faustkeil im Gürtel
trägt, und über sie sagen: Die spinnt. Die ist doch offenkundig gestört.
Bei Hundehaltern sagt man das zwar nicht. Aber nur, weil es so viele sind.
3.) Dass Hundehalter tierlieb wären, ist ein Irrtum. Als naturfernes,
zurechtgemachtes, in einen Funktionszusammenhang gepresstes Wesen ist der
Hund ein Kultur- und Konsumgut, dem seine Naturhaftigkeit und Wildheit
geraubt wurde. Obendrein ist ihm in den Industriegesellschaften
weitestgehend der Funktionszusammenhang abhanden gekommen, der seinen Sinn
konstituiert hatte. Ein Hund ist insofern die Karikatur eines Tiers, hier
des Wolfs, der darum umso intensiver gehasst wird – mein Verdacht:
besonders von Hundehaltern.
Ich persönlich habe sogar schon Hunde nett gefunden und gestreichelt, aber
das, was da durch ihre Herrchen als Objekt der Liebe herhalten muss, ist
eher Anti-Tier als Tier: In ihm hat das Prinzip Gestalt angenommen, sich
die Erde untertan zu machen, das sich mittlerweile als sicherer Weg in ihre
Verwüstung erwiesen hat. Hunde zu halten bedeutet insofern statt Tier- oder
gar Naturliebe, ihre Unterwerfung und Zerstörung zu feiern.
4.) Hunde schaden der Umwelt. Als sinnloses Werkzeug – Waffe, Alarmanlage,
Transportmittel – fällt die Umweltbilanz des Hundes ins Gewicht. Sie ist
schlecht. Ein Auto, mit dem niemand fährt und das nichts transportiert, hat
keine nennenswerten Schadstoffausstoß. Eine historische Waffe, die im
Zeughaus bewundert werden kann, auch nicht.
Ein nutzloser Durchschnittshund von 15 Kilo Körpergewicht hingegen
verursacht laut einer 2020 im peer-reviewten Fachjournal Sustainability
veröffentlichten Studie der Technischen Universität Berlin im Laufe von 13
Jahren – also der gemittelten Lebenszeit – [1][8,2 Tonnen CO2-Equivalent].
Das entspricht jährlich drei Flugreisen von Stuttgart nach Rom und zurück.
Die Umweltverschmutzung durch Phosphor und Nitrat hat ein Team um Pieter de
Frenne aus Gent in einer Feldstudie noch einmal genauer untersucht. Seine
vergangenes Jahr in Ecologogical Solution and Evidence publizierten
Ergebnisse sind niederschmetternd: Im Schnitt hinterließ jeder Hund im
Laufe eines Jahres auf der beobachteten Fläche eines stadtnahen
Erholungsgebietes 11 Kilogramm Stickstoff und 5 Kilogramm Phosphor pro
Hektar.
Zwar lassen sich die Phosophor-Einträge durch Kotbeutel immerhin fast ganz
vermeiden und die Stickstoffimmissionen wenigstens halbieren. Aber die
Beutel sind auf ihre Weise ja auch irgendwie Kacke: Auch wenn nur die
wenigsten sie wie ein [2][durchgeknallter Ballettdirektor in Hannover]
nutzen, um – Anfang des Jahres hat die Aktion Schlagzeilen gemacht –
endlich einmal etwas gegen eine Kritikerin in der Hand zu haben,
entschärfen sie nur das akute Kotproblem. Sie verhindern aber das Verrotten
der Ausscheidungen und erhöhen den Mikroplastikanteil.
Bleibt die Entsorgung über den eigenen Misthaufen, von der wegen des
Geruchs und aus hygienischen Gründen abgeraten wird. Verdauungsreste von
Fleischfressern entwickeln nun mal beim Kompostieren zu niedrige
Temperaturen, sodass schädliche Bakterien und Nematoden im Humus erhalten
bleiben. Muss halt jeder selbst wissen, ob er gerne Würmer hat.
5.) Hunde sind arm dran. Als per se gequälte Kreatur verdient jeder Hund
Mitleid und Zuneigung. Aber auch Abscheu, weil er sich geduldig prügeln
lässt und eben nur den Schwanz einkneift.
Im Talmud tritt der Hund folgerichtig als zugleich ärmstes und
verächtlichstes Tier in Erscheinung. Miguel de Cervantes lässt seinen Hund
Berganza feststellen, dass dem Zustand des Glückes für ihn und seinen
Gesprächspartner, die Dogge Cipión, am ehesten dann erreicht sei, wenn
„Elend und Unglück lange und fortgesetzt auf uns einströmen“. Diese
Unterwürfigkeit, dieses Fügen unter jede Befehlsgewalt, ohne deren
Gerechtigkeit einzufordern, dieser Verzicht auf Rebellion – das ist, was
Hunde verkörpern.
6.) Hunde sind ein Medium des Rassismus. Während das Konzept der Rasse seit
Langem biologisch-zoologisch ruiniert ist, überwintert es in der
Hundezucht. Von Affenpinscher bis Zwergspitz werden diese Tiere in edle
oder weniger edle Rassen mit vermeintlich angeborenen guten und schlechten
Eigenschaften eingeteilt.
Wie der Kulturhistoriker Amir Zelinger nachgewiesen hat, hat die
Wahrnehmung von Tierrassen den Aufstieg rassistischer und eugenischer
Weltanschauungen zumal gefördert. Die Hundezüchtervereine im
wilhelminischen Kaiserreich sind der Ort, an dem die damals neue
Rassenlehre zum Allgemeingut wird, zum Jedermannswissen über die Ordnung
der Natur. Diese tödliche Ideologie bleibt im Denken des Hundefreunds
verankert, ihre zynischen Wertungen sind gültige Prinzipien der
Zuchtpraxis, deren Einhaltung der Zuchtwart kontrolliert.
Altehrwürdigkeit der Rasse? Ein Qualitätsmerkmal. Reinheit des Blutes?
Erstrebenswert. Mischlinge? Minderwertig. Werden im Zweifel euthanasiert.
7.) Mit einem Hund erfüllen sich Halter den Wunsch zu kommandieren. Auch
ohne die pathologische erotische Dimension zu thematisieren oder aber die
Kläglichkeit, die zum Ausdruck kommt, wenn ein serviler Hund als Surrogat
einspringt für eine ernste zwischenmenschliche Bindung, die einfach nicht
gelingen will, bleibt das Frau- oder Herr-Hund-Verhältnis immer durch das
Dominanzgebaren bestimmt. Also prekär.
Eine echte Beziehung, Tier-Mensch oder Mensch-Tier, würde auf
wechselseitigen Respekt und wahrer Zuneigung gründen. Hundehaltung aber
fungiert im besten Fall als ein Ventil der Herrschsucht, das erspart, sie
durch Selbstreflexion in den Griff zu bekommen.
Die Erfahrung lehrt aber: Ebenso häufig trainiert sie autoritäre
Verhaltensmuster. Laute Stimme. Befehlston. Die Anmaßung, zu loben und zu
strafen. An der Leine ziehen. Den Deckakt verhindern. Mit dem bellenden und
zähnebleckenden Hund den Freiraum besetzen. Radler und Passanten mit ihm
einschüchtern. Seine Übergriffigkeit leugnen: Er tut nichts.
21 Aug 2023
## LINKS
[1] https://www.mdpi.com/2071-1050/12/8/3394
[2] /Hundekot-Attacke-am-Staatstheater-Hannover/!5912885
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Stadtland
wochentaz
Hunde
Hundehalter
Umweltschutz
IG
GNS
wochentaz
Hund
Hunde
Hunde
Soziale Medien
Hundehalter
Schwerpunkt Klimawandel
Hund
Schwerpunkt Coronavirus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Dackel, Teckel, Sausage Dog: Klein, aber größenwahnsinnig
In der Krise ist der Dackel der Hund der Stunde: Er braucht wenig Platz und
Futter, ist drollig, aber nicht albern und mehr als nur ein Accessoire.
US-Wahl 2024: America in a Hundehütte
Die Republikanerin Kristi Noem brüstet sich mit der Tötung ihrer Hündin.
Und hält Joe Biden für einen Waschlappen.
Hundeführerschein in Bremen: Geprüfte Herrchen und Frauchen
Nachdem ein Rottweiler ein Kind schwer verletzt hat, führt Rot-Rot-Grün den
Sachkundenachweis für Hundehalter:innen ein. Rasse spielt keine Rolle.
Hamburgs Grüne ärgern Hundehalter: Jammern auf hohem Niveau
In Hamburg dürfen Hunde frei laufen, wenn sie eine Gehorsamsprüfung
bestanden haben. Weil sich daran niemand hält, soll das eingeschränkt
werden.
Tiervideos in Social Media: Grausame Mood-Booster
Kaum etwas kommt im Netz so gut an, wie Tiervideos. Ab wann wird aus süßen
Inszenierungen Tierquälerei?
Junkie-Rückstände in der Hasenheide: Das Problem ist nicht der Hundekot
Immer wieder beklagen Hundehalter*innen Vergiftungen bei ihren Tieren.
Im Hundepark Hasenheide sprechen Besitzer*innen über ihre Erfahrungen.
Wie Tiere unter Hitze leiden: Hecheln, japsen, kollabieren
Hitzewellen schlagen nicht nur Menschen auf Gesundheit und Gemüt. Auch
Haus-, Wild- und Nutztiere leiden unter extremen Temperaturen.
Kritik zum internationaler Bürohundetag: Die ambivalente Liebe zu Hunden
Bundestags-Abgeordnete organisieren sich gerne über Hobbies. Kürzlich wurde
der Parlamentskreis Hund gegründet – die Gefahr brauner Kackhaufen steigt.
Hunde riechen Covid-Infizierte: Feine Nase gegen das Virus
Ein deutsches Pilotprojekt wies 2020 nach, dass Spürhunde Corona-Infizierte
erschnüffeln können. In Deutschland fehlt es aber an politischem Willen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.