# taz.de -- Wie Tiere unter Hitze leiden: Hecheln, japsen, kollabieren | |
> Hitzewellen schlagen nicht nur Menschen auf Gesundheit und Gemüt. Auch | |
> Haus-, Wild- und Nutztiere leiden unter extremen Temperaturen. | |
Bild: Müssen immer häufiger wegen Hitzschlag behandelt werden: Mops, hier auf… | |
HAMBURG taz | Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war die erste Juliwoche | |
im Jahr 2023 weltweit die wärmste. In Deutschland war es 2022 | |
durchschnittlich so warm wie niemals zuvor. Auf den Straßen hetzen Menschen | |
von Schatten zu Schatten, fächern sich verzweifelt die übersättigte Luft zu | |
oder versuchen den Tag irgendwie am Ufer eines Sees zu überstehen. Kurz: | |
Die Klimakrise schreitet voran. Das beeinflusst nicht nur Menschen, | |
sondern auch Tiere. Denn auch sie leiden an den Folgen der | |
menschengemachten Katastrophe. | |
Manche dieser Tiere leben sehr eng mit Menschen zusammen, sogar auf ihren | |
Sofas und Betten. „Wenn es für uns ungemütlich wird, dann gilt das auch für | |
Hunde und Katzen“, sagt Holger Volk. Er ist der Direktor der | |
Kleintierklinik an der Tierärztlichen Hochschule Hannover. [1][Katzen] und | |
Hunden ziehen sich zurück, wenn es zu warm ist. Sie werden träge, | |
verbringen viel Zeit drinnen und im Haus und brauchen sehr viel Wasser. | |
Bei 30 Grad müssen Menschen ihnen ausreichend Möglichkeiten bieten, sich | |
vor der Hitze in Sicherheit zu bringen. An einem solchen Ort muss es genug | |
Wasser und Luftzirkulation geben. Gassirunden sollten auf die Morgen- und | |
Abendstunden beschränkt werden. | |
[2][Hunde] können sich außerdem auf heißem Asphalt schnell die Pfötchen | |
verbrennen. Ob der Boden zu heiß ist, lässt sich durch einfaches Abtasten | |
feststellen. Und auch Hunde bekommen Sonnenbrand. Zu kurz geschoren werden | |
sollten die Vierbeiner also nicht. In der Regel schützt das Fell vor zu | |
starker Sonneneinstrahlung. | |
Allgemein bekannt ist, dass Autos im Sommer für Tiere schnell zur | |
Todesfalle werden. „Auch wenn es eigentlich in allen Medien verbreitet | |
wird, ist das sehr wichtig“, sagt Holger Volk. Bei 30 Grad Außentemperatur | |
steigt diese innerhalb einer Stunde im Auto auf fast 60 Grad Celsius. | |
Immer mehr Hunde, berichtet Holger Volk, seien in den letzten Jahren mit | |
einem Hitzschlag in die Tierklinik gekommen. Zu erkennen ist ein solcher | |
Notfall am starken Hecheln, Erbrechen, Durchfall und potenziell tödlichen | |
Krampfanfällen. Was in solchen Fällen zu tun ist, hat die Tierärztliche | |
Hochschule Hannover auch in einer Broschüre auf ihrer Internetseite | |
[3][www.tiho-hannover.de] veröffentlicht. | |
Dass immer mehr Hunde mit Hitzschlag eingeliefert werden, liegt neben den | |
steigenden Temperaturen auch an überzüchteten Hunderassen. Rassen wie der | |
Mops oder die Französische Bulldogge sind beliebt, weil sie mit ihrem | |
flachen Gesicht menschlichen Kindern ähneln. Doch ihre künstlich kurz | |
gezüchteten Schnauzen sorgen dafür, dass sie kaum Luft bekommen. Zudem | |
zeigt eine Untersuchung der Veterinärin Rowena Packer, dass Menschen nicht | |
erkennen, wenn diese Hunde leiden: Angestrengtes Hecheln wird als Lächeln | |
fehlgedeutet. | |
Neben Haustieren leiden auch Wildtiere unter der Hitze. Sie reagieren | |
darauf ähnlich, bewegen sich kaum und suchen sich schattige Lichtungen im | |
immer lichter werdenden, schrumpfenden Wald. | |
„Die Hitze trifft die Wildtiere direkt, aber auch indirekt“, sagt Janice | |
Pahl vom Naturschutzbund (Nabu). „Nahrungsangebote werden weniger, | |
Wasserstellen verschwinden.“ | |
Weil sich Tiere weniger bewegen, könne auch die Fortpflanzung leiden. | |
Generell hätten die Tiere aber eine gewisse Temperaturtoleranz und wüssten | |
sich zu helfen, sagt Pahl. Rothirsche suhlen sich im Schlamm, Füchse und | |
sogar Vögel können hecheln, um die Temperatur auszugleichen, und Hummeln | |
fächern ihrer Brut mit den Flügeln kühlende Luft zu. | |
Aber viele leiden eben auch: Igel sind unterernährt und dehydriert, weil | |
ihre Hauptnahrungsquelle, Würmer, in sehr trockenen Perioden einfach nicht | |
zu finden ist. Fledermausbabys stürzen in den Tod, weil sie vor extremer | |
Hitze in den oberen Stockwerken von Häusern flüchten. | |
Um den Tieren bei vielen ihrer Probleme zu helfen, hat Janice Pahl einen | |
Tipp für alle, die vor ihrer Haustür Tieren helfen wollen: „Naturnahe | |
Gärten mit heimischem Gehölz und Wasserquellen sind hier eigentlich die | |
Antwort auf fast alle Fragen.“ Nur auf eine nicht, die zentrale: Wie können | |
wir verhindern, dass die Erde unbewohnbar wird? „Was wirklich helfen würde, | |
wäre, die Klimakrise zu stoppen oder wenigstens zu verlangsamen.“ | |
Nutztiere spielen bei der Beschleunigung des Klimawandels eine | |
entscheidende Rolle, denn Rinder stoßen extrem klimaschädliches Methan aus, | |
dessen Treibhauseffekt zehn- bis zwanzig Mal stärker ist als der von | |
Kohlenstoffdioxid. Und auch diese Tiere leiden, wenn es zu warm ist – sogar | |
früher als Menschen. | |
Katrin Mahlkow-Nerge ist Professorin für Tierernährung an der | |
Fachhochschule Kiel und hat früher an der Landwirtschaftskammer | |
Schleswig-Holstein geforscht. Sie sagt, schon 20 Grad seien für Milchkühe | |
eigentlich zu warm. Sie sind darauf gezüchtet, dass sie mindestens 30 Liter | |
Milch pro Tag produzieren. Dafür müssen sie extrem viel Energie, sprich | |
Wärme, wieder an die Umwelt abgeben, weil ihr Körper hart arbeitet. | |
## Ventilatoren in den Ställen | |
„[4][Kühe] sind ab zehn Grad nicht mehr in der Lage, ihre Körpertemperatur | |
zu halten. Je heißer es wird, desto schwieriger ist es für sie“, sagt | |
Mahlkow-Nerge. Das gelte auch für andere Nutztiere wie [5][Schweine]: „Eine | |
Muttersau mit 14 Ferkeln kann auch 16 Liter Milch geben, das entspricht | |
einer Hochleistungskuh.“ | |
Wenn Kühe zu lange solchen Temperaturen ausgesetzt sind, geben sie trotzdem | |
nicht weniger Milch. Sie sind darauf gezüchtet. „Auf Dauer geht das auf | |
Kosten der Körpersubstanz“, sagt Mahlkow-Nerge. Und das könne für die Kühe | |
gefährlich werden. Hitzestress, sagt sie, ist eines der Hauptprobleme für | |
Kühe und Landwirt*innen. Ventilatoren in den Ställen, Tränken und | |
Schattenstellen auf Weiden seien deshalb wichtig für gute Tierhaltung. Das | |
gelte umso mehr, als auch sie die steigenden Temperaturen in Deutschland | |
beobachtet. „In Schleswig-Holstein ist es noch nicht extrem heiß, aber auch | |
hier wird es zeitweise zu warm.“ | |
Ob das auch bedeutet, dass mehr Tiere sterben, möchte sie nicht pauschal | |
bestätigen. Aber die wissenschaftliche Literatur spricht dafür: In einer | |
Studie im Journal of Dairy Sciences haben Forscher*innen der Universität | |
Tuscia zum Beispiel nachgewiesen, dass während Hitzewellen mehr Kühe | |
sterben als in kühleren Zeiten. Und Hitzewellen gibt es immer öfter. In | |
Teilen Deutschlands waren die Temperaturen gerade erst wieder auf 40 Grad | |
klettern. Es wird nicht die letzte Hitzewelle gewesen sein. | |
13 Aug 2023 | |
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## AUTOREN | |
Lisa Bullerdiek | |
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