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# taz.de -- Dackel, Teckel, Sausage Dog: Klein, aber größenwahnsinnig
> In der Krise ist der Dackel der Hund der Stunde: Er braucht wenig Platz
> und Futter, ist drollig, aber nicht albern und mehr als nur ein
> Accessoire.
Bild: Der Dackel. Muss man mehr sagen?
Im Dezember 2020 rief die FAZ einen [1][Trend zum Dackel] aus, nachdem sie
zehn Jahre zuvor dessen Aussterben betrauert hatte. Allerdings verkündete
Der Spiegel schon 2011 [2][„den Eintritt in die dritte Dackelphase“],
während Die Welt und Süddeutsche Zeitung 2016 befanden, der Dackel – auch
Teckel genannt oder Dachshund – habe nie und immer seine Zeit.
Ja, was denn nun? Zunächst einmal: Der empirische Nachweis von Hundemoden
ist schwer zu führen. Die stets herangezogene [3][Statistik des Verbands
für das deutsche Hundewesen] (VDH) sagt nicht viel aus, weil sie nur Welpen
erfasst, die nach dessen Standards gezüchtet werden. Bei Dackeln waren das
1992 mehr als heute, nämlich 14.208. Dabei musste die Nachfrage
zwangsläufig sinken, weil immer neue Rassen auf den Markt gekommen sind.
Seit 2008 hat sich die Zahl der Dackelwelpen zwischen 5.600 und 6.600
eingependelt.
Dennoch lässt sich jetzt, zum Weltdackeltag am 21. Juni festhalten: Das
Gefühl vermehrter Dackelsichtungen täuscht nicht. Das beweist eine andere
Statistik, die von Tasso e. V. Bei dem Verein können Halter:innen ihre
gekennzeichneten Tiere registrieren lassen, um sie bei Verlust leichter
wiederzufinden. Hier fragt niemand nach einem Zuchtbuch, sondern nur, wofür
jemand seinen Hund hält.
Unter den zehn meistregistrierten Rassen finden sich die üblichen:
Labrador, Französische Bulldogge, Chihuahua, Australian Shepherd. An der
Reihenfolge änderte sich zuletzt wenig. Nur ein Hund taucht im Jahr 2019
nicht einmal in den Top 20 auf, rutscht 2020 hinein, steht 2022 auf Platz
16 und 2023 schon auf Platz 14: der Dackel!
## Der Dackel ist der Hund der Krise
Aber warum wollen immer mehr Menschen einen derart unproportionalen Hund
besitzen, mit langem Rücken und kurzen Beinen, den seine Besitzer:innen
Treppen hinauf- und hinabtragen müssen, wenn sie das Risiko eines
Bandscheibenvorfalls verringern wollen? Die Dackellähme ist der Grund,
weshalb Dackel nach Plänen des Agrarministeriums neben anderen Tierrassen
[4][als Qualzucht verboten] werden könnten.
Zudem sprechen Dackel schlecht auf Erziehungsversuche an. „Ich muss dem
einen jeden Tag aufs Neue seinen Platz zuweisen“, erzählt auf einem Bremer
Parkplatz eine Frau Mitte 60, Besitzerin zweier Rauhaardackel, sau- und
dürrlaubfarben. Ihr Blick geht nach unten, sehr weit unten, wo sich der
Saufarbene einen Weg durch die Hecke bahnt, die Leinenführerin hinter sich
herziehend. Eine andere Spaziergängerin, Mitte 30, sagt, sie versuche
erfolglos, ihrem schwarz-roten Kurzhaardackel den Sprung aufs Sofa
abzugewöhnen. Nervig, aber er habe genau die richtige Größe für ihre
Stadtwohnung.
In der Krise mag der Dackel als Hund der Stunde erscheinen. Er braucht
wenig Platz und Futter, ist drollig, aber nicht albern wie die Zwergspitze
von Paris Hilton, ein trotz geringer Größe ernst zu nehmender Hund und kein
Accessoire. Doch fragt man einen gestandenen Züchter, was er von Dackeln
als Stadthund hält, schnaubt er ins Telefon. „Nix“, sagt er, aus
persönlichen Gründen möchte er anonym bleiben. Dackel bräuchten viel
Auslauf, Streicheln sei zu wenig Beschäftigung.
## Der Dackel ist altmodisch, beruhigend und post-cool
Dackel sind ursprünglich Jagdhunde und daher so harthörig wie manch
Kleinkind: Sie sollen selbstständig Dachse und Füchse in deren Bauten
jagen. Deshalb sagt man ihnen einen Hang zur Selbstüberschätzung nach,
manche deuten sie als besonders resilient. „Seine Konjunktur ist weniger
Ausdruck eines Retro-Trends oder einer drohenden Retraditionalisierung,
sondern ein Zeichen für die Bereitschaft des Menschen, sich dem Ungewissen
zu stellen“, [5][glaubte die FAZ] am Ende des ersten Coronajahres.
Aber mal ehrlich: Gibt es eine Hunderasse, die so retro ist wie der Dackel,
die das Heute mit gestern – in Gestalt von Gustl Bayrhammer und Dackel
Oswald – und vorgestern – Kaiser Wilhelm II. und Lieblingsdackel Erdmann –
verbindet, und die keinerlei Nazi-Assoziationen hervorruft?! Anders als der
Deutsche Schäferhund, der führt zwar immer noch die VDH-Statistik an, hat
aber einen viel stärkeren, kontinuierlichen Absturz hingelegt, von 30.802
Welpen im Jahr 1996 auf 8.395 im Jahr 2022. Der Abstand zum
zweitplatzierten Dackel ist deutlich geschmolzen.
Auffallend oft halten Jüngere das andere Ende der Leine: Dackel scheinen
für sie eine Post-Coolness zu besitzen wie Schnauzbärte und andere
Spießer-Insignien, [6][und dies international]. Eine 25-jährige Kollegin
mailt einen Artikel über einen französischen In-Designer, [7][der seinen
Dackel auf Instagram] präsentiert. Auch Kylie Jenner aus dem
Kardashian-Clan in den USA postet Fotos ihres Dackels. Dackel passten zur
Cleangirl- und Oldmoney-Ästhetik, auf die ihre Generation so abfahre,
schreibt die Kollegin. „Das Altmodische wirkt beruhigend.“
## Dem Dackel gehört die Zukunft
Auffallend ist auch, dass die beiden Promi-Hunde und viele andere, die
einem neuerdings über den Weg laufen, gar nicht aussehen wie Dackel. Dafür
sind sie zu … bunt: grau, weiß, isabell, gestromt, gefleckt, gepunktet.
Dass Dackel aussehen wie Promenadenmischungen, kam immer schon vor. Aber
nur der Amerikanische Zuchtverband erlaubt die gezielte Zucht von
Farbschlägen, die mit einem erhöhten Risiko für genetische Krankheiten
einhergehen.
Beim American Dachshund dürfen es 15 Grundfarben sein sowie fünf
Zeichnungen. Nun teilt der Dackel die Farbvarianz mit anderen Modehunden.
Aber, ha! Dackel gibt es zusätzlich in drei Fellarten (rau, lang, kurz) und
Größen (klein, kleiner, noch kleiner). Man kann sich seinen Dackel
zusammenstellen wie einen Coffee to go. Einmal Chocolate Cream Dapple,
Medium Size bitte (das ist ein Hund und kein Kaffee).
Dieser zusätzliche Distinktionsgewinn macht ihn zum perfekten Begleiter
aller, die gerne etwas Besonderes wären, aber das Unbekannte fürchten. Denn
der Dackel ist eingegangen ins kollektive Unbewusste des Westens.
Pablo Picasso, [8][einer von vielen berühmten Dackelliebhabern], zeichnete
1907 einen mit einem Strich aufs Papier. Als „Le Chien“, der Hund, wurde
der Nachdruck hunderttausendfach verkauft. Dabei ist die Silhouette
unverwechselbar die eines „Wiener“ oder „Sausage Dog“, eines
Würstchen-Hunds, wie es im Englischen heißt.
Die Zukunft ist ungewiss – sie gehört dem Dackel.
15 Jun 2024
## LINKS
[1] /Die-Wochenvorschau-fuer-Berlin/!5517688
[2] https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/modehund-dackel-das-trend-wuerst…
[3] https://www.vdh.de/presse/welpenstatistik/
[4] /Die-Dackel-Anomalie/!6002328
[5] https://www.faz.net/aktuell/stil/trends-nischen/warum-der-dackel-ein-hund-u…
[6] https://kc-media-production.azureedge.net/media/lxsp2ytx/quarterly-breed-st…
[7] https://www.vogue.co.uk/news/article/jacquemus-dog
[8] https://dackelblick.wordpress.com/prominentes-dackelallerlei/
## AUTOREN
Eiken Bruhn
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