# taz.de -- Die Wahrheit: Abgeschlabbert, angeknabbert | |
> Deutschlands erster Hunde-Steward unterwegs auf der neuen Tölen-Airline. | |
> Eine wuffende Reportage aus der Tierklasse des Luxus-Jetsets. | |
Bild: Sehnsüchtig schaut ein Hund über die Wolken | |
Rick Häberle ist die Anspannung deutlich anzusehen. Trotz der dicken Arm- | |
und Wadenpolster ist der Flugbegleiter beim Verteilen der Futternäpfe nur | |
notdürftig geschützt. Während er mit seinem Rollwagen den Passagierraum der | |
Lufthansa-Maschine durchquert, muss er sich gegen bissige Rottweiler wehren | |
und liebestolle Rauhaardackel vom Bein schütteln. Wir erwarten ihn am Ende | |
des Gangs, wo er uns mit schmerzverzerrtem Gesicht begrüßt. Erst als wir | |
den hartnäckig zubeißenden Chihuahua von seinem Gesäß entfernt haben, | |
hellt sich die Miene des Schwaben etwas auf. | |
„Herzlich willkommen an Bord der LH 400 von New York nach Frankfurt“, | |
keucht Häberle. Bei der als Konkurrenz zur amerikanischen Hunde-Airline | |
BARK gegründeten Haustier-Sparte WAU der Lufthansa ist der 34-jährige | |
Deutschlands erster Hunde-Steward. Die aus den Transportboxen befreite | |
Meute betreut Häberle trotz seiner Hundehaarallergie mit höchstem Einsatz, | |
während die Herrchen und Frauchen in der abgetrennten Business-Klasse | |
untergebracht sind und es sich bei Sekt und Häppchen so richtig gut gehen | |
lassen. Der gebürtige Stuttgarter rüstet sich mental für die nächste | |
Kotbeutelrunde. „Tierische Reisen sind der Hit im Flugsektor, da kann man | |
kann ganz andere Preise aufrufen“, schwärmt Häberle vom brandneuen Trend. | |
Die teuren Tickets von rund 8.000 Euro pro Vierbeiner sind für den | |
Wolkenkellner gerechtfertigt. Meist muss am Zielort die komplette | |
Innenausstattung herausgerissen und erneuert werden. Zerbissene Polster und | |
vollgekackte Teppiche kannte Häberle bisher nur von seinen Einsätzen in den | |
Partybombern nach Malle. Die Dekontamination der Abflughalle mit | |
Dampfstrahler und Essigreiniger muss die Servicekraft zu allem Überfluss | |
auch noch übernehmen. | |
„Weil der Bundesverkehrsjminister lieber mehr Billigflüge fordert, anstatt | |
sich für eine faire Bezahlung einzusetzen, mangelt es in fast allen | |
Bereichen der Luftfahrt an Fachkräften. Gut möglich, dass wir Flugbegleiter | |
die Jets in ein paar Jahren selbst fliegen müssen“, sieht Häberle die | |
Zukunft alles andere als rosig. | |
## Sehnsüchtiges Geheul | |
Drei Stunden nach dem Start schluckt der beständig niesende Tier-Butler mit | |
zitternden Fingern seine letzte Allergietablette. Häberle hat die Rüden des | |
Rudels aus Verzweiflung über ihr sehnsüchtiges Geheul entnervt neben die | |
läufigen Hündinnen gesetzt. Nach einem kurzen, aber heftigen Ausbruch | |
animalischer Leidenschaft ist jetzt endlich Ruhe im Karton. | |
Auch der Pudelbändiger lässt sich erschöpft in einen freien Sessel sinken | |
und startet per Fernbedienung das In-Flight-Entertainment auf den | |
Bildschirmen. Mit Erfolg. Der Video-Benimmkurs mit Hunde-Dominator Martin | |
Rütter scheint die Tölen tatsächlich in Schach zu halten. Unter dem | |
wohltuenden Einfluss des „Aus!“ und „Böser Hund!“ skandierenden | |
TV-Alphamännchens schaffen auch wir es, die Augen für einen Power-Nap | |
zuzumachen. | |
Schon wenige Minuten später reißt uns ein plötzlicher Druckabfall jäh aus | |
unseren Träumen. Zusammen mit der schlappohrigen Meute werden wir durch | |
den Innenraum geschleudert. Offenbar hat sich ein hyperaktiver | |
Jack-Russell-Terrier durch die Stahltür zum Cockpit genagt und will nun den | |
Steuerknüppel apportieren. Zum Glück rauscht Häberle in bester | |
Astronautenmanier mit feinem Dosenfleisch vorbei und kann den Höhenverlust | |
durch eine Ablenkungsfütterung stoppen. | |
## Angekaute Technik | |
Die restliche Zeit im WAU-Liner bis zur Ankunft in Frankfurt vergeht | |
sprichwörtlich wie im Flug. Trotz der angekauten und vollgesabberten | |
Technik gelingt den Piloten die Landung. Kurz vor der Flughafen-Umzäunung | |
zieht der Co-Pilot jedenfalls angewidert die speicheltriefende Notbremse. | |
Häberles Arbeitstag ist damit aber noch lange nicht zu Ende. Weil er die | |
Hunde und deren Halter auch noch auf ihrer Anschlussverbindung nach Athen | |
begleiten muss, steht auf der Grünfläche neben dem Rollfeld erst mal eine | |
ausgiebige Gassi-Runde an. Als der Tölen-Dompteur in einem Gewirr aus | |
ineinander verknoteten Leinen und pinkelnden Kläffern über den Asphalt | |
stolpert, kommt es zu einer unerwarteten Begegnung. Verkehrsminister Volker | |
Wissing gibt im Rahmen der „Nationalen Luftfahrtkonferenz“ auf | |
Deutschlands größtem Airport gerade ein Statement vor der Presse ab. | |
Ob den überfordert schniefenden Häberle eine Schuld trifft, können wir | |
nicht mit Sicherheit sagen. Jedenfalls entgleitet ihm das Leinenknäuel, und | |
die Truppe aus großen und kleinen Hunden stürmt hechelnd auf den liberalen | |
Minister zu. Während er umgeworfen und nach allen Regeln der Kunst | |
abgeschlabbert und angeknabbert wird, schießen die begeisterten Fotografen | |
Bild um Bild von einem Minister, der mitten in einem Fellknäuel die | |
konkreten Konsequenzen seiner politischen Entscheidung am eigenen Leib | |
verspürt. Wuff, wuff … | |
4 Jun 2024 | |
## AUTOREN | |
Patric Hemgesberg | |
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