Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Mensch-Tier-Beziehungen: Wo die Liebe hinbellt
> Laut einer Befragung ersetzen Hunde und Katzen zunehmend Menschen als
> Freund:innen und Partner:innen. Warum alle von dieser Entwicklung
> profitieren.
Bild: Ein Spaziergang und zwei Kuscheleinheiten am Tag und schon wird man mit b…
Ob getrocknet als Beef Jerky, gegrillt als Würstchen oder ganz lebendig als
bester Freund des Menschen – Tiere können in fast jeder Lebenslage Beistand
leisten. Auch als Partner:innenersatz scheinen sie häufig zu dienen.
So gaben neun von zehn der insgesamt 1.101 Teilnehmenden einer aktuellen
[1][Befragung der Uelzener Versicherung] an, dass der Kontakt zu ihren
Katzen und Hunden vermehrt menschliche Beziehungen ersetzen würde. Eine
[2][Studie der Universität Basel] fand zudem bereits 2022 heraus, dass das
Streicheln eines Hundes zu ähnlichen kognitiven Reaktionen führen kann wie
die soziale Interaktion mit Menschen.
Überraschend ist das Verlangen nach tierischer Begleitung nicht, denn
Einsamkeit ist zu einer Art Volkskrankheit geworden. Laut der im April
erschienenen [3][Zeitverwendungsstudie des Statistischen Bundesamts] fühlt
sich jeder sechste Deutsche oft einsam. Das Gefühl, das viele wohl
spätestens während der ersten Coronalockdowns kennengelernt haben, ist auch
nach Ende der Einschränkungen nicht verschwunden.
Und begonnen hat die Epidemie Einsamkeit auch nicht erst mit Corona.
Menschen verbringen, wie die [4][Zeitverwendungsstudie] ebenfalls zeigte,
deutlich mehr Zeit auf Social Media und vor dem Fernseher. Likes und
Follows aktivieren das Belohnungssystem und können als Ersatz für echte
soziale Begegnungen dienen.
Doch zuweilen kann das Smartphone zu hart und kantig werden. Außerdem:
Konflikte bleiben auch auf Social Media nicht aus. Es braucht also einen
Ersatz, der wirklich etwas taugt – weil er den Menschen einfach so nimmt,
wie er ist.
## Keine Widerworte, kaum Bedürfnisse
Besonders eignen sich dafür jene Wesen, die keine Widerworte geben können
und auch sonst kaum Bedürfnisse haben. Ein wenig Fleisch aus der Dose, ein
Spaziergang und zwei Kuscheleinheiten am Tag und schon wird man von den
felligen Freunden mit bedingungsloser Liebe überschüttet. Den befragten
Hunde- und Katzenbesitzer:innen ist natürlich vollstes Verständnis
entgegenzubringen. Wer wünscht sich schon nicht, dass
Beziehungspartner:innen endlich damit aufhören, einen mit all ihren
Bedürfnissen zu nerven?
Beziehungen zu Menschen sind kompliziert. Sie bestehen aus anstrengenden
Aushandlungsprozessen, nervigem Füreinanderdasein und ermattenden
Diskussionen. Bei Tieren sieht es anders aus. Die hierarchische Position
des Menschen muss hier nicht erst jahrelang durch toxische Verhaltensmuster
– emotionale Erpressung, Dominanz und Konfliktunfähigkeit – aufgebaut
werden. Weniger berechenbar als Hund und Katze sind menschliche
Partner:innen ohnehin meist.
Die ganze Last, die menschliche Leidtragende von zwischenmenschlichen
Beziehungen bisher tragen mussten, nehmen Hund und Katze gerne auf sich.
Wie ehrenvoll! So muss das kleine und große Gejammer des Menschen im Alltag
weniger von Menschen ertragen werden.
Das Verhältnis von Mensch und Tier ist seit jeher ohnehin ein sehr
besonderes. Für Jäger und Sammler dienten Tiere als Überlebensgarantie,
später als Transportmittel und schließlich begann vor ungefähr 15.000
Jahren die [5][Domestizierung von Hund und Katze]. Diese Beziehung hat sich
über Jahrtausende immer wieder verändert.
## Lebendiger Stoßdämpfer
Ein wenig bizarr ist dennoch, wenn in der Gegenwart der Kauf des Hacksteaks
für 1,99 Euro vom Aldi und die gleichzeitige Vergötterung des Haustieres –
inklusive Tausender Euro, die jährlich für Fressen und Versicherung von
Hund und Katze aufgebracht werden – miteinander vereinbar sind.
Die Versicherung, die die anfangs genannte Umfrage veröffentlichte, dürfte
von den Ergebnissen selbst begeistert sein – schon seit 1984 bietet das
Unternehmen Versicherungen für Haustiere an. Wer statt Partner:in nur ein
Haustier besitzt (das Besitzen ist hier im Vergleich wohl auch leichter zu
regeln), wird eher bereit sein, viel Geld für eine Versicherung des
geliebten Vierbeiners auszugeben.
Am Ende kann die gekaufte Liebe der Tiere eine gute zwischenmenschliche
Beziehung vielleicht doch nicht ganz ersetzen. Wenigstens aber können
Haustiere mit ihren süßen, unschuldigen Augen und dem weichen Fell als eine
Art lebendiger Stoßdämpfer dienen.
Denn wenn all die destruktiven Bedürfnisse des Menschen schon an felligen
Freunden ausgelassen werden können, schafft das möglicherweise auch bessere
Voraussetzungen für den Umgang mit anderen Menschen, die realistisch
betrachtet nie ganz zu vermeiden sind.
23 May 2024
## LINKS
[1] https://www.presseportal.de/pm/174913/5784239
[2] https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371%2Fjournal.pone.0274833
[3] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebe…
[4] https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebe…
[5] https://www.nationalgeographic.de/tiere/2022/06/wo-wurde-der-wolf-zum-freun…
## AUTOREN
Joscha Frahm
## TAGS
Haustiere
Einsamkeit
Liebe
Freundschaft
Zoo
Bild-Zeitung
psychische Gesundheit
wochentaz
Kolumne Stadtgespräch
Einsamkeit
Kolumne Alles getürkt
Hund
Vögel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Weltweit größte Zoohandlung schließt: Faultierjunge und Feuerfische
Die Insolvenz von „Zoo Zajac“ stehe für das Scheitern des Ruhrgebiets,
findet ein Kunde. Was hat das Tierfachgeschäft ausgemacht? Eine Suche.
Jakob Blasel in der Boulevardpresse: Wer mit dem Hund Gassi geht, kann ein Arsc…
Die „Bild“ hat den neuen Chef der Grünen Jugend Jakob Blasel als
„Welpenfeind“ bezeichnet. Haustierhasser sind der neue Lieblingsfeind der
Politik.
Körperliche Nähe und Gesundheit: Nehmt euch in den Arm!
Kuscheln fühlt sich nicht nur gut an, sondern hilft auch gegen
Erkrankungen. Doch nicht alle haben den gleichen Zugang zu Berührungen.
Dackel, Teckel, Sausage Dog: Klein, aber größenwahnsinnig
In der Krise ist der Dackel der Hund der Stunde: Er braucht wenig Platz und
Futter, ist drollig, aber nicht albern und mehr als nur ein Accessoire.
Straßenhunde in Istanbul: Hundeasyl oder Einschläfern?
Wenn Straßenhunde keine Adoptiveltern finden, müssen sie dran glauben. Ein
neues Gesetz der Erdoğan-Regierung sorgt in der Türkei für Empörung.
Studie zu Einsamkeit: Wer pflegt, ist einsamer
Frauen, Migrant:innen und junge Menschen fühlen sich häufiger allein.
Dies geht aus dem neuen „Einsamkeitsbarometer“ hervor.
Wahlkampf auf dem Wochenmarkt: Mit Hundefutter gegen die AfD
Der AfD-Stand auf dem Wochenmarkt versaute mir den Appetit. Ich beschloss,
etwas zu unternehmen und kegelte die AfD aus dem Europäischen Parlament.
US-Wahl 2024: America in a Hundehütte
Die Republikanerin Kristi Noem brüstet sich mit der Tötung ihrer Hündin.
Und hält Joe Biden für einen Waschlappen.
Verhaltensevolution bei Krähen: Krah, krah, krah
Krähen meucheln Amseln, foltern Ratten und attackieren Menschen. Wollen sie
nur ihre Brut schützen oder sind sind sie im Faken so gut wie wir?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.