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# taz.de -- Gipfel zum Schutz des Amazonas-Regenwalds: Hätte, hätte – Kette…
> Die Amazonas-Staaten haben endlich wieder über die Rettung des Regenwalds
> gesprochen. Aber sie haben die Chance zu wirklichen Verbesserungen
> ungenutzt gelassen.
Bild: Wird sicher auch zukünftig im Amazonas zum Einsatz kommen: benzinbetrieb…
Berlin taz | Von einem „amazonischen Traum“, sprach Luiz Inácio Lula da
Silva. Es waren große Worte, mit denen Brasiliens Staatschef den
Amazonas-Gipfel in Belém eröffnete. In der Regenwaldmetropole kamen am
Dienstag und Mittwoch die Anrainerstaaten des Amazonas zusammen. Das Ziel:
ein gemeinsamer Plan, um die Zerstörung des größten Waldes der Welt
aufzuhalten. Und tatsächlich unterzeichneten sie am Dienstag die „Erklärung
von Belém“. Doch hält sie, was sich viele von ihr versprechen?
Fakt ist: Die Staatschefs der acht Amazonasländern – Brasilien, Venezuela,
Kolumbien, Ecuador, Bolivien, Peru, Suriname und Guyana – liegen politisch
nicht immer auf einer Linie und haben unterschiedliche Vorstellungen vom
Umwelt- und Klimaschutz.
Deshalb ist es tatsächlich ein Erfolg, dass die Staaten nun in der Stadt
zusammengekommen sind, wo im Jahr 2025 die Weltklimakonferenz COP30
stattfinden wird. Das letzte Mal tagten sie vor 14 Jahren. Fakt ist auch:
Die Zeit drängt. Wissenschaftler*innen warnen, dass sich der
Amazonaswald einem irreversiblen Kipppunkt nähert – mit katastrophalen
Folgen für das Erdklima.
In der Abschlusserklärung verpflichten sich die Staaten zu einer stärkeren
Zusammenarbeit und dem Schutz der indigenen Bevölkerung. Dafür soll ein
Expertenpanel geschaffen werden, inspiriert vom [1][IPCC] der Vereinten
Nationen, sowie eine regionale Beobachtungsstelle für den besseren
Informationsaustausch. Außerdem soll eine Polizeivermittlungsstelle in der
brasilianischen Amazonasstadt Manaus entstehen, um Umweltvergehen auch über
Grenzen hin effektiver verfolgen zu können.
## Keine verbindlichen Zusagen
Auf dem Gipfel, sagen Expert*innen, seien die richtigen Themen angesprochen
worden. Trotzdem gibt es viel Kritik. „Die Abschlusserklärung des
Amazonas-Gipfels ist in mehrfacher Hinsicht enttäuschend, vor allem, weil
sie keine klaren und konkreten Verpflichtungen enthält“, sagte Leandro
Ramos von Greenpeace Brasilien der Tageszeitung Folha de S. Paulo.
Eine verbindliche Zusage, die Abholzung zu beenden, konnten Lula und
Kolumbiens Präsident Gustavo Petro ihren Kolleg*innen nicht abringen.
Das heißt, jedes Land ist weiterhin selbst dafür verantwortlich. [2][Lula
hatte im eigenen Land einen ambitionierten Plan vorgestellt, die Abholzung
bis 2030 komplett zu beenden].
Unter dem ehemaligen Gewerkschaftsführer will Brasilien die Führungsrolle
zur Rettung Amazoniens übernehmen. Rund 60 Prozent des Regenwaldes befinden
sich im größten Land Lateinamerikas. Etwa ein Fünftel des Waldes ist
bereits vernichtet worden, und gerade die Amtszeit des [3][rechtsradikalen
Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro] hat tiefe Spuren hinterlassen. Zwischen 2019
und 2022 war die Abholzung auf Rekordwerte gestiegen. Diese Zeit will Lula
hinter sich lassen. Er konnte pünktlich zum Gipfel frohe Nachrichten
verkünden: Im Juli war die Abholzung um 66 Prozent im Vergleich zum
Vorjahresmonat zurückgegangen. „Wir machen unsere Hausaufgaben“, sagte
Umweltministerin Marina Silva.
Doch schaut man genauer auf Brasiliens Umweltpolitik, ergibt sich ein
ambivalenteres Bild. Während die Abholzung in Amazonien tatsächlich
zurückgeht, ist sie in der Cerrado-Savanne sprunghaft angestiegen. Indigene
sind weiterhin massiven Angriffen ausgesetzt, erst wenige Tage vor der
Konferenz wurden vier angeschossen. Und in den Verhandlungen rund um das
umstrittene [4][EU-Mercosur-Abkommen] kritisierte Lula jüngst zu hohe
Umweltauflagen als wirtschaftsschädigend.
Der Politiker der Arbeiterpartei PT steht im eigenen Land stark unter
Druck. Der Landwirtschaftssektor ist mächtig, 300 der 513 Abgeordneten
werden einer überfraktionellen Interessenvereinigung des Agrobusiness
zugeordnet. [5][Im Juni peitschten sie ein Gesetz durchs Abgeordnetenhaus,
das die Rechte der indigenen Bevölkerung massiv einschränken könnte.]
## Lula setzt sich durch
Und auch Lula zog während seiner ersten Amtszeiten – zwischen 2003 und 2011
– viel Unmut auf sich. Er ließ Großprojekte wie den Belo-Monte-Staudamm im
Regenwald bauen und legalisierte Pestizide. Um Sozialprogramme finanzieren
zu können, müsse Brasilien auch den Reichtum des Regenwaldes nutzen, hieß
es oft. Auch in dieser Amtszeit dürfte Lula nicht vom Extraktivismus
abrücken. Das sorgte auch beim Amazonas-Gipfel in Belém für Spannungen.
Kolumbiens linker Staatschef [6][Gustavo Petro] kritisierte in seiner Rede
die Ausbeutung fossiler Brennstoffe und forderte einen kompletten Stopp der
Ölförderungen in Amazonien. Teilen der Linken warf er gar
„Klimanegationismus“ vor. Es werde von „Transitionen“ gesprochen, um an
fossilen Energien festzuhalten. Das war auch ein Seitenhieb in Richtung
Lula.
Dieser zeigt sich weiter offen für Ölbohrungen im Regenwald. Sein
Energieminister Alexandre Silveira bestritt sogar, dass deren Einstellung
wichtig sei, um das Pariser Abkommen zu erfüllen. Im innerlinken Zwist
setzte sich letztlich Lula durch: In der Abschlusserklärung findet sich
kein Satz, der Erdölförderprojekte im Amazonasgebiet unterbindet.
Stattdessen soll auf einen Dialog mit dem Bergbau- und
Kohlenwasserstoffsektor gesetzt werden.
Auch geopolitisch ist der Amazonas-Gipfel durchaus von Interesse. Nach
Ansicht des brasilianischen Präsidenten Lula sollte auch ein Signal an die
Industrienationen ausgesendet werden. Umweltministerin Marina Silva wurde
deutlich: „Wenn die Länder Europas, die USA, aber auch China, der größte
Emittent der Welt, den Ausstoß fossiler Brennstoffe nicht zurückfahren,
wird der Amazonas gleichermaßen zerstört. Dass wir nicht an einen Kipppunkt
kommen, ist nicht nur Verantwortung unserer Länder. Unsere ist es, mit
einem guten Beispiel voranzugehen.“
Lula pocht darauf, dass die Industrienationen jährlich 100 Milliarden
US-Dollar zum Schutz des Regenwaldes zur Verfügung zu stellen. Das wurde
bereits 2009 auf der Weltklimakonferenz versprochen. Diese Forderung wollen
die Gipfelstaaten auch selbstbewusst auf der Weltklimakonferenz COP28
vertreten, die Ende November in Dubai startet.
9 Aug 2023
## LINKS
[1] /15-Grad-Ziel-in-Klimadebatte/!5948023
[2] /Klimagipfel-in-Scharm-al-Scheich/!5892524
[3] /Ehemaliger-brasilianischer-Praesident/!5944457
[4] /Kritik-am-EU-Mercosur-Abkommen/!5938928
[5] /Menschenrechte-und-Waldschutz/!5938204
[6] /Affaere-um-Gustavo-Petro-in-Kolumbien/!5952376
## AUTOREN
Niklas Franzen
## TAGS
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