Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Klimagipfel in Scharm al-Scheich: Ein Rockstar für den Regenwald
> Brasiliens künftiger Präsident Lula wird auf dem Klimagipfel COP27 in
> Ägypten umjubelt. Geht es jetzt los mit dem Waldschutz?
Bild: Brasiliens künftiger Präsident Lula da Silva nach seiner Ankunft auf de…
Scharm al-Scheich taz | Als Luiz Inácio Lula da Silva am Mittwochabend auf
der Weltklimakonferenz in Scharm al-Scheich ankommt, wird er stürmisch
begrüßt. Viele Menschen drängen sich schon Stunden vorher vor dem Gebäude,
in dem der ehemalige und nun auch designierte Präsident Brasiliens
auftreten soll. „Lula!“, schallt es aus allen Ecken. An den Fenstern der
umliegenden Gebäude stehen ebenfalls reihenweise Menschen, die versuchen,
einen Blick auf den linken Politiker zu erhaschen. Wer Lula nicht kennt,
könnte auf den Gedanken kommen, es wäre ein Rockstar auf dem Weg.
Schon längst vor Lulas Ankunft auf dem Klimagipfel wurde er dort gelobt.
Brasilien habe „vor einigen Tagen“, [1][also bei der Präsidentschaftswahl,
beschlossen, die Zerstörung des Amazonas einzustellen], frohlockte etwa der
frühere US-Vizepräsident Al Gore schon zum Auftakt der Gespräche in Scharm
al-Scheich. Der große Jubel dürfte aber auch damit zu tun haben, dass Lula
eben nicht sein Vorgänger ist.
Durch die Abwahl des rechtsextremen Klimawandelleugners Jair Bolsonaro
erscheint plötzlich vieles möglich. Unter ihm als Regierungschef wurde der
Amazonas-Regenwald, der mehr als hälftig zu Brasilien gehört, massiv
heruntergewirtschaftet. Bolsonaro kürzte bei Umweltbehörden und
-ministerium, legte den internationalen Amazonas-Schutzfonds brach,
ignorierte den brasilianischen Aktionsplan zum Schutz des Amazonas,
forderte zum Landgrabbing auf Waldgebieten von indigenen
Bevölkerungsgruppen auf.
Plötzlich stiegen die Abholzungsraten wieder, obwohl sie zuvor jahrelang
gesunken waren. Laut Studien ist mittlerweile fast ein Fünftel des
brasilianischen Amazonas entwaldet, also entweder gerodet oder etwa Bränden
zum Opfer gefallen. Es steht nicht gut um das Gebiet, das als die grüne
Lunge der Erde gilt. Mittlerweile bindet der Wald nicht mehr Kohlenstoff,
als in ihm freigesetzt wird, legen Studien nahe. Es steht zu befürchten,
dass sich diese dramatische Entwicklung irgendwann verselbstständigt: Bäume
verdunsten Wasser, das dann wieder herunterregnet. Fehlen Bäume, fehlt auch
Regen und die Region trocknet aus. Das schwächt die Bäume, die noch da
sind. Das Waldsystem könnte vollends kippen.
## Neustart beim Klimaschutz
Lula hingegen, in früherer Amtszeit nicht unbedingt als Grüner bekannt,
ging diesmal mit dem Schutz des Regenwalds in den Wahlkampf. „Brasilien ist
zurück“, ruft Lula seinem Publikum am Mittwoch zu. Das Land sei bereit,
sich wieder daran zu beteiligen, den Planeten gesünder zu machen. Denn
natürlich hatte Brasilien in der Vergangenheit nicht nur beim Klimaschutz
zu Hause blockiert, sondern auch auf den Weltklimagipfeln. Damit soll nun
Schluss sein, stellt Lula zumindest in Aussicht. Er hat sein Land auch
schon als Standort für den Weltklimagipfel im Jahr 2025 angeboten.
Auch Lula weiß allerdings, dass viele Brasilianer:innen durch die
Regenwaldabholzung direkt oder indirekt Geld verdienen. Im Wahlkampf hatte
er sich für eine von den Industrieländern finanzierte Zusammenarbeit beim
Waldschutz ausgesprochen. Anfang der Woche, am Rande des G20-Gipfels in
Bali, hat sich das Land in dieser Sache schon mit Gastgeber Indonesien
sowie der Demokratischen Republik Kongo zusammengeschlossen. Auf die drei
Staaten entfällt mehr als die Hälfte der weltweiten Tropenwälder. Die
Regierungen wollen zusammen als eine Art „Regenwald-Opec“ auf
Entschädigungen dafür pochen, dass sie die Abholzung reduzieren.
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) will mit Brasiliens
künftiger Regierung [2][über eine entsprechende Partnerschaft sprechen].
Brasilien habe jetzt „die Chance, wegzukommen von einer Wirtschaft, die auf
Waldzerstörung basiert“, sagt sie.
Ein Selbstläufer wird die Rettung des Amazonas-Waldes also nicht. Der
Wirbel um Lula riss indes auch am Donnerstag nicht ab. Morgens sprach er
zunächst mit Vetreter:innen der Zivilgesellschaft. Nachmittags stand
ein Treffen mit Indigenen aus Brasilien auf seiner Agenda. Beide Gespräche
müssen von einem Ort direkt neben dem Pavillon der brasilianischen
Regierung auf dem Gelände verlegt werden. Der offizielle Grund: zu viel
Andrang. Das ist angesichts der Massen, die sich vor dem neuen Saal
drängen, leicht zu glauben. Über den Flur wandert aber auch noch eine
weitere Erklärung: Dass Noch-nicht-Amtsinhaber Lula so viel Aufmerksamkeit
bekommt, dürfte der noch amtierenden Bolsonaro-Regierung kaum gefallen.
17 Nov 2022
## LINKS
[1] /Brasilien-nach-der-Wahl/!5890091
[2] /EU-Abkommen-mit-Mercosur-Staaten/!5892995
## AUTOREN
Susanne Schwarz
Enno Schöningh
## TAGS
Klimakonferenz in Dubai
Klima
Brasilien
GNS
Schwerpunkt Klimawandel
Westafrika
Klimakonferenz in Dubai
Klimakonferenz in Dubai
Ägypten
Weltklima
Klimakonferenz in Dubai
## ARTIKEL ZUM THEMA
Erhalt des Regenwaldes: „Schützen, was noch übrig ist“
Fast 20 Prozent des Regenwaldes sind bereits abgeholzt. Es brauche ein
sofortiges Moratorium, sagt die Geschäftsführerin der NGO Amazon Watch.
Diamanten-Industrie in Sierra Leone: Tausende leiden unter Rohstoffabbau
In Sierra Leone zerstört der Abbau von Diamanten die Lebensgrundlage vieler
Menschen. Nicht nur verschmutztes Trinkwasser ist das Problem.
COP 27 in Ägypten: Klimagipfel in der Verlängerung
Eigentlich hätte die Weltklimakonferenz in Scharm al-Scheich am
Freitagabend enden sollen. Viele Knackpunkte sind noch offen.
Klimafolgen des Ukraine-Kriegs: Der Elefant im Raum
Bei der Klimakonferenz in Scharm al-Scheich wurde auch über die Klimafolgen
des Kriegs in der Ukraine gestritten. Diese sind dramatisch.
Klimaverhandlungen auf der COP27: Ein schwieriges Klima
Die Klimaverhandlungen in Scharm al-Scheich gehen in die heiße Phase.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock reiste am Mittwoch nach Ägypten.
Klimaaktivist über globalen Süden: „Schuldenstreichung als erster Schritt“
Industrienationen haben große Klimaschulden. Diese würden die finanziellen
Verpflichtungen der ärmeren Länder aufwiegen, sagt Umweltaktivist Esteban
Servat.
Demo-Beschränkungen auf der COP27: Fridays testen Protestzone
In Ägypten sind Demos faktisch verboten. Dagegen haben
Klimaaktivist*innen am Dienstag protestiert – auf einer von Kairo
ausgewiesenen Fläche.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.