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# taz.de -- Klimaaktivist über globalen Süden: „Schuldenstreichung als erst…
> Industrienationen haben große Klimaschulden. Diese würden die
> finanziellen Verpflichtungen der ärmeren Länder aufwiegen, sagt
> Umweltaktivist Esteban Servat.
Bild: Indigene BewohnerInnen der australischen Torres-Strait-Inseln fordern Kli…
taz: Herr Servat, mit der Initiative Debt for Climate fordern Sie von
Ländern wie Deutschland, dem globalen Süden die Staatsschulden zu streichen
– und zwar fürs Klima. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Esteban Servat: All diese finanziellen Forderungen hängen mit den
[1][Klimaschulden des globalen Nordens] zusammen. Die Klimaschulden
bestehen nicht nur aus Emissionen, die vergleichsweise einfach
quantifizierbar sind, sondern auch aus der Kolonialisierung des Großteils
der Erde. Wie auch der Weltklimarat IPCC in seinem jüngsten Bericht
eingeräumt hat, ist der Kolonialismus nicht nur treibende Kraft der
Klimakrise, sondern auch ein andauerndes Problem, das die Anfälligkeit von
Gemeinschaften aus den am meisten betroffenen Ländern für diese Krise noch
verschärft.
Der globale Süden hat also Staatsschulden beim globalen Norden, [2][während
der globale Norden Klimaschulden beim globalen Süden hat]. Die
Klimaschulden des Nordens sind aber viel größer als die Staatsschulden des
Südens. Deshalb muss der erste Schritt eine Schuldenstreichung für den
globalen Süden sein.
Die Debatte um die Klimaschuld des Nordens nimmt ja schon Fahrt auf. Ob die
Industrieländer Geld bereitstellen, damit der globale Süden für
klimawandelbedingte Schäden und Verluste zahlen kann, steht auf der
Weltklimakonferenz COP 27 in Scharm al-Scheich sogar offiziell auf der
Tagesordnung. Dänemark hatte im September als erster UN-Staat eine kleine
Summe zugesagt, seitdem gab es weitere solcher Ankündigungen. Macht Ihnen
das Mut?
Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es eröffnet die Debatte
darüber, was Klimaschulden wirklich sind. Doch davor hat der globale Norden
große Angst. Die Staatsschulden bewegen sich im Bereich der Billionen, die
Klimaschulden liegen um eine Größenordnung höher. Das möchte der globale
Norden nicht akzeptieren. Doch gerade in mächtigen Ländern wie Deutschland
muss diese Debatte geführt werden.
Der UN-Menschenrechtsausschuss hat Australien kürzlich verpflichtet,
indigene Bewohner:innen der australischen Torres-Strait-Inseln zu
entschädigen. Ein weiterer Erfolg?
Auch das ist ein Hoffnungsschimmer. Aber uns läuft die Zeit davon. Die
Beispiele, die Sie nennen, sind oberflächlich, fast schon dekorativ. Sie
setzen nicht die Billionen in Bewegung, die es für eine Schuldenstreichung
bräuchte.
Warum braucht es dafür so viel Geld?
Nehmen Sie Nigeria als Beispiel. Nigerias Schuldendienstzahlungen sind
höher als die Staatseinnahmen. Wenn Nigeria nun Klimafinanzierungsmaßnahmen
in Millionenhöhe erhält, wird dieses Geld verwendet, um die Staatsschulden
zu tilgen. Das heißt, das Geld fließt direkt zurück in den Norden! Das ist,
als würde man Wasser in einen löchrigen Eimer gießen. Zuerst müssen die
Löcher gestopft werden. Als erstes müssen wir dem globalen Süden
ermöglichen, sich vom Finanzkolonialismus zu befreien.
Und das geht nur durch eine Schuldenstreichung?
Das würde sogar der gesamten Menschheit helfen. Aktuell werden natürliche
Ressourcen wie [3][Öl und Gas auch ausgebeutet], um Staatsschulden
abzuzahlen. Mit einer Schuldenstreichung könnten diese Ressourcen im Boden
bleiben. Auch Deutschland hat in der Vergangenheit von einer
Schuldenstreichung profitiert. Die hat damals das deutsche
Wirtschaftswunder befeuert. Wenn es eine Schuldenstreichung für
Naziregime-Schulden gab, warum dann keine für den globalen Süden?
Was wären die weltwirtschaftlichen Konsequenzen, wenn der globale Norden
Billionen in eine Schuldenstreichung investiert?
Im Oktober hatten wir ein Webinar mit Fadhel Kaboub und Ndongo Samba
Sylla, zwei anerkannte Experten für Internationale Politik. Dort stellte
sich genau diese Frage. Beide sagten, dass eine Schuldenstreichung keine
größeren negativen Auswirkungen auf die Volkswirtschaften des globalen
Nordens haben würde, weder in Form von Inflation noch von Rezession.
16 Nov 2022
## LINKS
[1] /Klima-Reparationszahlungen-auf-der-COP/!5894300
[2] /Debatte-um-Klimahilfen-fuer-arme-Laender/!5809379
[3] /Profiteure-der-Globalisierung/!5859826
## AUTOREN
Enno Schöningh
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