# taz.de -- Protokolle zur Weltklimakonferenz: „Mir ist so ein Gipfel zu blö… | |
> Für manche ist der Klimagipfel in Ägypten die große Chance, das System zu | |
> verbessern. Für andere ist das Treffen nur eine Übergangskonferenz. | |
Bild: Protest gegen Industrieländer: „Pay“ | |
## Sabine Minninger: Eine Überlebensfrage für arme Staaten | |
„Ich bin als zivilgesellschaftliche Beobachterin vor Ort auf dem | |
Weltklimagipfel. Das ist wichtig, denn ein Teil der Verhandlungen findet | |
auf den Fluren oder hinter verschlossenen Türen statt. Nur wenn ich mit am | |
Verhandlungstisch sitze, kann ich das Geschehen auch wirklich beobachten | |
und beeinflussen. Ich erhoffe mir, dass hier in Scharm al-Scheich eine | |
Entscheidung gefällt wird, wie, wann und in welchem Ausmaß die | |
Industriestaaten Verantwortung für die klimabedingten Schäden übernehmen, | |
die sie im Globalen Süden anrichten. Für die ärmsten Staaten ist | |
finanzielle Unterstützung bei der Klimakrise eine Überlebensfrage.“ | |
Sabine Minninger ist Referentin für Klimapolitik beim evangelischen | |
Hilfswerk Brot für die Welt. | |
## Tadzio Müller: Der Gipfel der Blödheit | |
„Ich bin auch dieses Jahr wieder nicht bei der Klimakonferenz dabei, obwohl | |
mir sehr viel an Klimagerechtigkeit liegt. Wenn ich eine Grafik der | |
globalen Treibhausgasemissionen zeichne, sehe ich, dass die | |
Klimakonferenzen überhaupt keinen Effekt auf die Emissionen haben. Die | |
einzige Variable, welche die Emissionskurve beeinflusst, ist die globale | |
Wirtschaft. Wächst sie, steigt die Kurve an, schrumpft sie, fällt die Kurve | |
ab. | |
Dann gibt es noch das Argument, dass Klimakonferenzen Orte sind, an denen | |
die Länder des Globalen Südens die berechtigte Frage der Klimareparationen | |
diskutieren können. Das stimmt. Aber was ist der Nutzen davon, etwas auf | |
die Agenda zu setzen, wenn es trotzdem nicht passiert? Vor 13 Jahren wurden | |
in Kopenhagen 100 Milliarden US-Dollar jährlich versprochen. Freundlich | |
gerechnet sind wir gerade in den unteren Zwanzigern. Für eine | |
Klimakonferenz ist mir meine Zeit zu wichtig und so ein Gipfel zu blöd.“ | |
Tadzio Müller ist Klima- und LGBT-Aktivist und hat unter anderem die | |
Bewegung „Ende Gelände“ mit aufgebaut. | |
## Vanessa Nakate: „Das System für alle verbessern“ | |
„Meine Erwartungen an diese Klimakonferenz im ägyptischen Scharm al-Scheich | |
sind, dass unsere Staats- und Regierungschefs sich verpflichten, nicht mehr | |
in fossile Brennstoffe zu investieren. Und dass sie endlich einen gerechten | |
Übergang zu erneuerbaren Energien unterstützen. Gleichzeitig sollen sie die | |
Energiearmut in den Ländern Afrikas und im Globalen Süden bekämpfen. Wir | |
brauchen außerdem eine solide Finanzierung für Verluste und Schäden, die | |
die Klimakrise verursacht. Der Grund: Diese passieren genau jetzt. Wenn wir | |
AktivistInnen weiter gemeinsam mobilisieren, habe ich die Hoffnung, dass | |
die Macht der vielen das System verändern wird. Dies wird für uns alle die | |
Zukunft verbessern.“ | |
Vanessa Nakate , 26 Jahre, ugandische Aktivistin, ist eines der weltweit | |
bekanntesten Gesichter von Fridays for Future. | |
## Wahid: „Ägypten ist ein autoritärer Staat“ | |
„Ich bin ein Aktivist aus Ägypten und Mitglied der Gruppe OccupyCOP27, die | |
sich für die Freilassung politischer Gefangener in Ägypten einsetzt. Wir | |
möchten uns mit der Klimabewegung in Europa vernetzen, damit wir die Kämpfe | |
für ökologische und soziale Gerechtigkeit verknüpfen können. Ich bin | |
trotzdem nicht auf dem Weltklimagipfel. Die ägyptischen Behörden haben sehr | |
restriktiv gehandhabt, wer dabei sein darf und wer nicht. Ägypten ist ein | |
autoritärer Staat. Das sollte zumindest für ältere Menschen in Deutschland | |
nicht schwer zu verstehen sein, denn ein totalitäres Regime kennen sie aus | |
der Zeit des Nationalsozialismus oder der DDR. Einige der ägyptischen | |
Behörden, die die Bürger ausspionieren, wurden sogar früher von der DDR | |
ausgebildet.“ | |
Wahid heißt nicht wirklich so. Er möchte wegen des rigiden Umgangs der | |
ägyptischen Regierung mit ihren Kritiker:innen anonym bleiben. Laut | |
Menschenrechtsorganisationen gibt es in Ägypten rund 60.000 politische | |
Gefangene. | |
## Katrin Ganswindt: Lobby gegen Lobby | |
„Ich bin auf der Klimakonferenz in Ägypten, weil ich hier mit den Menschen, | |
die die Finanzentscheidungen treffen, direkt sprechen kann. Heute ist der | |
Climate Finance Day. Es finden verschiedene Veranstaltungen zum Thema | |
Klimafinanzierung statt, zu denen ich gehe, um kritische Fragen zu stellen. | |
Auf der Konferenz treten wir als Fossil Free Finance Kampagne auf. Das ist | |
ein Netzwerk verschiedener Nichtregierungsorganisationen, die dafür | |
kämpfen, dass kein Geld mehr in Kohle, Öl und Gas fließt. Es gibt nämlich | |
eine Menge Geld, das in die Expansion besagter Industrien gesteckt wird. | |
Denn neben uns lobbyieren hier auch die großen Finanzinstitute und die | |
fossile Industrie.“ | |
Katrin Ganswindt ist zuständig für Kohle- und Divestment-Kampagnen bei der | |
NGO Urgewald e. V. | |
## Tasneem Essop: Klimagerechtigkeit sicherstellen | |
„Mein Name ist Tasneem Essop. Ich bin die Direktorin des Climate Action | |
Network. Das ist ein Dachverband von über 1900 Nichtregierungsorganisation, | |
die an der Bewältigung der Klimakrise arbeiten. Ich bin auf der | |
Klimakonferenz in Ägypten, um sicherzustellen, dass die Verhandlungen den | |
am meisten gefährdeten Menschen und Gemeinschaften auf der Welt | |
zugutekommen. Denn diese leiden unter den Auswirkungen des Klimawandels, | |
obwohl sie am wenigsten für die Klimakrise verantwortlich sind. Ich bin | |
hier, um sicherzustellen, dass Klimagerechtigkeit hergestellt wird.“ | |
Tasneem Essop ist die Direktorin des Dachverbandes von Klima-NGO's Climate | |
Action Network. | |
## Stefan Aykut: Nur eine Übergangskonferenz | |
„Ich war letztes Jahr auf der Klimakonferenz in Glasgow und im Jahr davor | |
in Madrid, um dort die Unternehmen, Städte-Netzwerke und sozialen | |
Bewegungen zu untersuchen. Das waren beides sehr zentrale Klimagipfel. | |
Einerseits sollten die Staaten 2020 neue Klimapläne vorlegen, andererseits | |
wurde der institutionelle Rahmen von Paris dort noch verhandelt. Es gibt so | |
eine Logik bei Klimakonferenzen, dass nach einem großen Klimagipfel eine | |
Übergangskonferenz folgt. So wie ich das sehe, ist das in Ägypten jetzt der | |
Fall. | |
Die Themen, die dieses Jahr auf der Agenda stehen, sind trotzdem wichtige: | |
Klimaschäden und Klimafinanzierung. Aber dafür sind andere Menschen die | |
Expert*innen. Dadurch, dass die Frage der Umsetzung wichtiger wird, gibt es | |
auch andere Foren und Orte, wie etwa die G7, die wir in den Blick nehmen | |
müssen.“ | |
Stefan Aykut ist Juniorprofessor für Soziologe an der Universität Hamburg | |
und forscht zu globaler Klimapolitik. | |
## Orieny Japheth: „Stimmen der Jugend Afrikas stärken“ | |
„Ich komme aus einem Dorf in den ariden und semi-ariden Gebieten des | |
Landkreises Kisumu in Kenia. Als ich aufwuchs, hatte der lokale Fluss Awach | |
so viel Kraft, dass er ganze Mangobäume entwurzelte. Heutzutage hat meine | |
Gemeinde in der Trockenzeit mit chronischem Wassermangel zu kämpfen. | |
Ich bin mit der Afrika-Jugendkarawane zur Weltklimakonferenz gefahren. | |
Zuvor nahm ich an der Jugendklimakonferenz teil. Ich bin hier, um die | |
Stimmen der afrikanischen Jugendlichen und die unglaubliche Arbeit, die sie | |
leisten, um sich an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen, zu | |
stärken. Auf der Konferenz überreichen wir eine Erklärung mit | |
Schlüsselbotschaften der afrikanischen Jugend, wie etwa die Forderung einer | |
gerechten Energiewende, an die Präsidentschaft.“ | |
Orieny Japheth ist Aktivist beim Umweltaktionsnetzwerk Kenia und bei | |
Youth4Nature. | |
## Shilo Shiv Suleman: „fühlt sich an wie eine Handelsmesse“ | |
„Ich bin mit meinem Kunstkollektiv Fearless Collective auf der | |
Klimakonferenz. Wir malen ein Wandbild, gemeinsam mit Indigenen, Frauen aus | |
dem globalen Süden und jungen Aktivist:innen. Deren Stimmen möchten wir | |
mit unserer Kunst verstärken. Für mich fühlt sich die Klimakonferenz ein | |
bisschen wie eine Handelsmesse an. Hier sind viele Geschäftsleute und | |
Technokraten unterwegs, die versuchen, technische und finanzielle Lösungen | |
für die Klimakrise zu finden. Eine der interessanteren Debatten ist die | |
über Klimaschadenersatz. Im Kern geht es darum, dass die Situation, in der | |
wir uns global befinden, keine Folge der letzten paar Jahre ist, sondern | |
die Folge von 400 Jahren Kolonisation und Ressourcenraub.“ | |
Shilo Shiv Suleman ist leitende Künstlerin des Fearless Collective. | |
## Dorothee Hildebrandt: „Ich halte nichts vom Herfliegen“ | |
„Ich bin mit dem Fahrrad von Schweden bis zur Klimakonferenz in Ägypten | |
gefahren, weil wir endlich den Klimawandel aufhalten müssen.Ich halte | |
nichts davon, dass die meisten Leute hierher geflogen sind. Natürlich | |
können nicht alle Leute herradeln, aber fliegen ist mit das Schlimmste, was | |
man machen kann. Die Konferenz könnte ja auch online stattfinden. | |
Ich hoffe, dass ich dadurch, dass ich hier bin und viel Aufmerksamkeit | |
bekommen habe, etwas verändern kann, aber ich bin ja nur eine von vielen. | |
Bevor ich losgefahren bin, hatte ich keine Hoffnung, überhaupt auf die | |
Konferenz zu kommen. Aber der ägyptische Präsident ist einen Teil der | |
Strecke mit mir geradelt und als Dank habe ich eine Akkreditierung | |
bekommen.“ | |
Dorothee Hildebrandt ist Teil von „Grandmas for Future“ in Schweden. | |
## Jefferson Estela: „Wir brauchen endlich Sicherheit“ | |
„Die Weltklimakonferenz in Ägypten ist mein zweiter Klimagipfel. Ich bin | |
Klimaaktivist, Geschichtenerzähler und Community-Organisator. Auf dem | |
Gipfel bin ich als Delegierter der Jugendkoalition Loss and Damage, die | |
sich für Maßnahmen zur Bewältigung der Verluste und Schäden einsetzt, die | |
durch den Klimawandel entstehen. Vor Ort verfolge ich deshalb die | |
Verhandlungen zum Thema Klimaschadenersatz. Die meisten Organisationen hier | |
beschäftigen sich damit. Alle, die dabei sind, haben große Erwartungen. | |
Dass die Klimakonferenz in Ägypten stattfindet, verstärkt den Druck, über | |
Klimaschadenersatz an den Globalen Süden sprechen zu müssen. | |
Auf den Philippinen erholen wir uns noch von dem letzten Taifun, der uns | |
vor Kurzem erwischt hat. Wir brauchen endlich die Sicherheit, dass der | |
Globale Norden für die Verluste und Schäden aufkommt, die die Klimakrise | |
bei uns anrichtet. Die Gelder werden benötigt, um bei der nächsten | |
Katastrophe besser vorbereitet zu sein. Denn diese wird es unweigerlich | |
geben. Klimafinanzierung muss in einem Umfang und in einer Geschwindigkeit | |
bereitgestellt werden, die unseren Bedarf deckt. Von der Klimakonferenz | |
erwarte ich auch, dass die Länder das Signal senden, dass sie ernsthaft an | |
der Umsetzung ihrer Klimavorhaben arbeiten.“ | |
Jefferson Estela ist Delegierter der Jugendkoalition Loss and Damage, die | |
sich für Maßnahmen zur Bewältigung der Verluste und Schäden einsetzt, die | |
durch den Klimawandel entstehen. | |
19 Nov 2022 | |
## AUTOREN | |
Enno Schöningh | |
Jelena Malkowski | |
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