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# taz.de -- Klimafolgen des Ukraine-Kriegs: Der Elefant im Raum
> Bei der Klimakonferenz in Scharm al-Scheich wurde auch über die
> Klimafolgen des Kriegs in der Ukraine gestritten. Diese sind dramatisch.
Bild: Feuerwehrleute löschen ein brennendes Öllager in Shakhtarsk
Obwohl der Krieg in der Ukraine nicht Teil der offiziellen Tagesordnung der
Klimakonferenz COP27 war, war er wie ein Elefant im Raum. Die ukrainische
Delegation hatte zum ersten Mal in der Geschichte des Klimagipfels einen
eigenen Pavillon.Die Delegation selbst und Aktivist:innen sprachen über
die kriegsbedingten Emissionen, während die russische Delegation sich
verhielt, als gäbe es keinen Krieg.
In Ägypten wurde sowohl über die direkten Klimafolgen des Kriegs als auch
über die eher indirekten Auswirkungen auf Klimapolitik, Energie und
Ernährungssicherheit gesprochen.
Die Autoren der Studie „[1][Climate damage caused by Russia’s war in
Ukr]aine“, schätzen, dass sich die Treibhausgasemissionen in den ersten
sieben Monate des Kriegs auf mindestens 100 Millionen Tonnen CO2 beliefen.
Dies entspricht den Emissionen der Niederlande im gleichen Zeitraum. Die
Rechnung umfasst Emissionen durch die Kriegsführung, Brände und den
nötigen Wiederaufbau zerstörter oder beschädigter ziviler Infrastruktur.
Die Autor:innen der Studie schließen in ihre Rechnung auch Emissionen
aus den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 mit ein.
Der Krieg in der Ukraine hat aber auch indirekte Klimafolgen. Dazu gehören
die Umleitung finanzieller Ressourcen aus dem Klima in andere Bereiche
(etwa Waffen) sowie die Veränderungen im Energiemarkt. „Die durch den Krieg
verursachte Energiekrise hat den Klimaschutz weltweit geschwächt, da die
Länder nach neuen fossilen Energiequellen suchen, statt Klimaschutz zu
betreiben“, heißt es im „[2][Climate Change Performance Index 2023]“, der
jährlich von einer Autor:innengruppe aus Germanwatch, New Climate
Institute und dem Climate Action Network erstellt wird. Auch US-Präsident
Joe Biden sagte in seiner Rede auf der Klimakonferenz, dass Russlands Krieg
in der Ukraine zu Instabilität auf dem Energiemarkt und Inflationsdruck
geführt habe. Allerdings dürfe dies die Bekämpfung des Klimawandels nicht
zunichte machen. „Russlands Krieg verstärkt nur die Notwendigkeit, die Welt
von dieser Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu befreien“, sagte er.
## Werbung für Atomkraft
Trotzdem schien die russische Delegation nichts davon zu bemerken oder zu
erwähnen. Die Vertreter:innen forderten in ihren Erklärungen eine
stärkere internationale Klimakooperation und erklärten, dass Russland den
Umwelt- und Klimasektor als einen Bereich für „Dialog und Zusammenarbeit“
betrachte. Zudem kritisierten sie die internationale Sanktionen, die
grüne und kohlenstoffarme Technologien betreffen. Auch die
Vertreter:innen von russischen Unternehmen sagten, dass „kein Land von
der globalen Klimaagenda ausgeschlossen werden kann und eine Zusammenarbeit
im Klimaschutz absolut notwendig ist“.
Russische Unternehmen aus der Energiebranche und der Metallindustrie waren
ebenfalls in der Länderdelegation vertreten und forderten eine intensivere
technologische Zusammenarbeit und die Aufhebung von Handelshemmnissen.
Eines der aktivsten russischen Unternehmen auf der Konferenz, der
staatliche Kernenergiekonzern Rosatom, warb für Atomkraft als Lösung in der
Klimakrise, vor allem auf Veranstaltungen mit nichtwestlichen Ländern. Man
habe die sichersten, saubersten Atomkraftwerke, behauptete die russische
Delegation, [3][während die russische Armee immer noch das Atomkraftwert
Saporischschja in der Ukraine besetzt hält und Millionen von Menschen in
große Gefahr bringt.]
Auch die Vertreter:innen russischer Metallkonzerne, die Stahl, Kupfer
und Nickel produzieren, betonten die Rolle ihrer Produkte für die globale
Energiewende, und kritisierten die Sanktionen als kontraproduktiv. [4][Der
russische Oligarch Andrey Melnichenko], der vor Kurzem wegen der Sanktionen
seine Anteile an Kohle- und Düngemittelunternehmen in Russland aufgegeben
hat, schlug vor, dass die Delegierten sich nicht mit menschengemachten
Emissionen beschäftigen sollten, sondern mit Emissionen aus Ökosystemen. Er
sprach von einer Verschwörung gegen Russland in Form der globalen
Klimapolitik, der Russland nur zugestimmt habe, weil es keinen Schaden
gesehen habe. Aber jetzt habe „unsere bekannte Militäroperation“ begonnen,
und erst nach deren Ende werde Russland zur Klimapolitik zurückkommen,
sagte er auf einer Veranstaltung der russischen Delegation.
Der Beginn der Veranstaltung wurde durch eine Protestaktion ukrainischer
Aktivist:innen unterbrochen. Sie riefen, dass Russland in der Ukraine
„Menschen erschießt und bombardiert“, während Russlands Klimaversprechen
nichts bedeuteten, weil es „das Klima mit dem Krieg mit fossilen
Brennstoffen tötet“.
## Aktivist:innen im Exil
Dennoch sah es auf der Konferenz so aus, als ob Russland immer noch
versuche, die globale Klimapolitik als neutralen Boden zu betrachten. Doch
auch wenn die Zusammenarbeit zwischen dem Westen und dem russischen Staat
eingestellt ist, gibt es immer noch andere Akteur:innen aus Russland,
die versuchen, an dem Thema zu arbeiten, sowohl innerhalb als auch
außerhalb des Landes. Darunter sind unabhängige
Wissenschaftler:innen, Zivilgesellschaftsexpert:innen und
Klimaktivist:innen. Mitte September wurde die allererste Klimaklage von
einer Gruppe von Aktivist:innen in Russland eingereicht, in der die
Behörden aufgefordert werden, Maßnahmen zu ergreifen, [5][die die
Emissionen Russlands reduzieren, um den Zielen des Pariser Abkommens] zu
entsprechen.
Doch die Arbeit zahlreicher Umwelt- und Klimaaktivist:innen in
Russland wird schwieriger und gefährlicher. Viele haben beschlossen, das
Land zu verlassen und befinden sich derzeit im Exil. Einer von ihnen ist
Russlands bekanntester Klimaaktivist Arshak Makichyan. Er äußerte sich
sowohl kritisch über den Krieg in der Ukraine als auch über die
Klimapolitik Russlands. [6][Kürzlich wurde ihm und seiner Familie die
russische Staatsbürgerschaft entzogen].
Die Autorin ist eine führende russische Klima-Journalistin und lebt seit
dem Frühjahr im Berliner Exil. Sie berichtet seit Jahren von
Klimakonferenzen, aktuell aus Scharm al-Scheich.
19 Nov 2022
## LINKS
[1] https://climatefocus.com/wp-content/uploads/2022/11/ClimateDamageinUkraine.…
[2] https://ccpi.org/download/climate-change-performance-index-2023/
[3] https://climatenetwork.org/resource/from-russia-with-love-and-smoke/
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Andrei_Igorewitsch_Melnitschenko
[5] https://amp.theguardian.com/world/2022/sep/13/first-climate-lawsuit-russia-…
[6] https://www.themoscowtimes.com/2022/10/31/climate-activist-arshak-makichyan…
## AUTOREN
Angelina Davydova
## TAGS
Klimakonferenz in Dubai
Energiekrise
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Russland
CO2-Emissionen
Podcast „klima update°“
Klimakonferenz in Dubai
Ägypten
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