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# taz.de -- Was tun gegen die Hitze?: Begrünen und beblauen
> Es herrscht Sommerschmerz statt Sommerfrische: Extremwetter machen Angst.
> Doch wir können viel tun, um Städte und Landschaften zu kühlen.
Bild: Die einzigen Wolken, die über Monokulturwäldern entstehen, sind Rauchwo…
[1][Italien], [2][Spanien], [3][Griechenland], [4][Algerien] – rund ums
Mittelmeer leiden Mensch und Natur unter extremer Hitze, Dürre und
Waldbränden. Das Lebensgefühl des dolce vita verbrennt. Vergangen die Zeit,
als wir das türkisblaue Mittelmeer genießen konnten. Stattdessen:
Sommerschmerz. Trauer und Hitzeangst. Doch jetzt in Ohnmacht und Depression
zu versinken, wäre völlig falsch. Um [5][Städte und Landschaften zu
kühlen], können wir sehr viel tun.
Wenn wir uns die Erde als lebendigen Planeten vorstellen, dann sind Flüsse
seine Adern und Bäume die Schweißdrüsen. Pflanzen verbrauchen Wasser und
sorgen dadurch für Verdunstungskühle, Wolken und neuen Niederschlag. Das
kühlt unsere Erde in enormem Ausmaß und hält ihre Wasserkreisläufe in Gang.
Ein einziger großer Baum verdunstet an einem Sommertag rund 400 Liter und
kühlt damit seine Umgebung wie zehn gleichzeitig laufende Klimaanlagen.
Zudem stößt er winzige Biopartikel aus, die Regen fördern, weil sich
Wassermoleküle daran heften können. Ungefähr die Hälfte des Niederschlags
entsteht nicht über dem Meer, sondern über Land – der Prozentsatz schwankt
je nach geografischer Gegebenheit. Im Grunde fällt der Regen nicht vom
Himmel, sondern wird im Boden erzeugt.
Der Mikrobiologe Masanobu Fukuoka drückte es so aus: „Wüstenbildung ist
nicht auf das Ausbleiben des Regens zurückzuführen, sondern der Regen hört
auf zu fallen, weil die Vegetation verschwunden ist.“
## Abwechselnd Dürren und Starkregen
Die Auswirkungen von fehlendem Grün und Blau sind von der Klimawissenschaft
jedoch lange unterschätzt worden. Nicht nur CO2, auch die massive
Schädigung der „Haut der Erde“ verursacht abwechselnd Dürren und
Starkregen, weil die dämpfenden und kühlenden Elemente fehlen.
Doch Wasser wird bis heute eher als Abwasser denn als unersetzliches
Lebenselement behandelt: Auf Äckern wird es durch Gräben abgeleitet, in der
Stadt durch Kanalisation. So landet es letztlich im Ozean und erhöht den
Meeresspiegel zusätzlich, während Kontinente langsam austrocknen.
In Deutschland verschwinden zudem täglich rund 54 Hektar Grün unter
Neubauten und Straßen. Asphalt aber ist ein Hitzespeicher, genauso wie
nackter Boden: Auf einem abgeernteten Maisfeld haben wir 2022 knapp 70 Grad
gemessen.
Fehlende Verdunstung erzeugt Hitzeinseln und noch mehr Dürre. Die
Bodenfeuchte nimmt ab und das Grundwasser sinkt – auch im eigentlich
regenreichen Deutschland. Auch wenn der Juli 2023 mehr Regen brachte als
gewöhnlich: Laut Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung
herrscht in weiten Teilen Deutschlands in 1,8 Meter Tiefe immer noch
„außergewöhnliche Dürre“.
## Slow Water heißt die Parole
Doch die buchstäbliche Verwüstung des Planeten ist aufhaltbar. Unzählige
Beispiele rund um die Welt zeigen das ungeheure, bisher nicht im
Entferntesten ausgeschöpfte Potenzial natürlicher Klimalösungen.
Dazu gehören [6][die Renaturierung] von Mooren, Feuchtgebieten und Flüssen;
Aufforstung klimaresistenter Mischwälder sowie der Meere mit Algen, Seegras
und Mangroven; Methoden der regenerativen Landwirtschaft wie Agroforst
(Bäume auf dem Acker), Mobgrazing (Herdentiere eng halten, Zäune täglich
versetzen), Keyline Design (höhenparallele Wasserspeicherung),
Zwischenfrüchte, Mischkulturen.
Manchmal reicht es schon, Wasserläufe mit Baumstämmen und kleinen Erdwällen
zu verlangsamen, sodass Wasser wieder im Boden gespeichert wird. Slow
Water!, heißt die Parole.
Die Sommerniederschläge in Europa, die jetzt am Mittelmeer fehlen –
einzelne Starkregen ändern nichts an der Dramatik –, könnten mittels
Aufforstung naturnaher Wälder ohne Anbauverluste gesteigert werden, ergaben
Studien. Besonders große Effekte seien in Teilen Deutschlands, West- und
Südwestfrankreichs, auf der Iberischen Halbinsel, in Italien und der
Adriaküste herunter bis Griechenland zu erwarten, so Ronny Meier von der
ETH Zürich.
Der spanische Meteorologe Millán Millán glaubt, dass der Mittelmeerraum vor
allem deshalb austrocknet, weil feuchte Meeresluft nicht mehr auf
Küstenwälder stößt und dort abregnen kann. Dadurch würden Regenmuster in
ganz Europa verändert. Ergo wäre die Aufforstung von Küsten besonders
wirksam.
## Städte, die saugen können
Auch der Umbau unserer Städte zu „Schwammstädten“ könnte enorme Effekte
haben. Damit ist gemeint, dass sich Siedlungen bei Regen und Fluten
vollsaugen und bei Hitze das Wasser langsam verdunsten können. Kopenhagen
und andere Metropolen machen es vor: mit Gründächern, Grünfassaden,
Dachgärten, Wasserrückhaltebecken unter Parks, Frischluftschneisen und
mehr.
Bei einem solchen „Greening“ und „Blueing“ können fast alle mitmachen.
Eigentümer:innen können etwa Regentonnen unter Dachrinnen stellen oder
Rasen durch [7][dürreresistente Wildkräuter] ersetzen. Mieter:innen, die in
heißen Innenstädten oft besonders leiden, können Druck ausüben, damit
bepflanzte „Superblocks“ wie in Barcelona entstehen, oder Brachflächen zu
[8][„Tiny Forests“] umbauen. Weitere Ideen finden sich in unserem Buch. All
das könnte lebensrettend werden in kommenden Hitzesommern.
Laut einem Team der ETH Zürich, das 300 Städte in Europa untersuchte, sind
Orte mit viel Bäumen um bis zu 12 Grad kühler; zudem dämpfen sie Starkregen
und Fluten. Lokale Gruppen können zwar nicht den CO2-Gehalt der Atmosphäre
senken, aber die Temperaturen vor Ort – im Einzelfall bis zu 20 Grad.
Natürliche Klimalösungen sind billig, effektiv und haben neben der
CO2-Speicherung unzählige Win-win-Effekte für Artenvielfalt und menschliche
Gesundheit. [9][Ihnen fehlt nur eins: eine starke Lobby]. Vor Kurzem hätte
ein Bündnis aus Konservativen, Bauernverband und Chemieindustrie sogar
beinahe die Renaturierungsansätze im EU-Parlament gekillt. Deshalb sollten
wir alle ihre Lobby werden. Allein schon, um wieder dolce vita in intakter
Natur erleben zu können.
7 Aug 2023
## LINKS
[1] /Heisszeitfolgen-auf-Sizilien/!5946368
[2] /Staedteplanung-in-Spanien/!5934433
[3] /Waldbraende-in-Griechenland/!5948157
[4] /Bedrohung-fuer-Wirtschaft-und-Umwelt/!5951343
[5] /Gesetz-zur-Klimaanpassung/!5946750
[6] /Streit-um-Renaturierung/!5944684
[7] /Gardening-in-Berlin/!5940009
[8] /Baumpflanzaktion-fuer-besseres-Klima/!5846172
[9] /Kampf-gegen-Klimakatastrophe/!5944181
## AUTOREN
Ute Scheub
Stefan Schwarzer
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