# taz.de -- Hitze im Sommer: My German Sommerangst | |
> Noch bevor der Sommer da ist, kommt schon die Angst. Vor der | |
> Schlaflosigkeit, Erschöpfung, Lustlosigkeit. Warum nur haben wir keine | |
> Siesta-Kultur? | |
Bild: Es gibt keine Siesta, keine Fensterläden vor den Fenstern in Mietshäuse… | |
Die Kinder singen das Lied gerne. Darin heißt es: „Der Frühling bringt | |
Blumen, der Sommer den Klee, der Herbst, der bringt Trauben, der Winter den | |
Schnee.“ Leider ist der Song so nicht mehr zeitgemäß. | |
Aktueller ist, aber das ist noch nicht ins Liedgut gedrungen: „Der Frühling | |
bringt Frost und der Sommer bringt Glut, der Herbst spendet Trost und der | |
Winter bringt Flut.“ | |
Alles ist durcheinander. Nur die Vermarktung des Sommers ist noch immer | |
dieselbe. Noch immer wird diese Jahreszeit als Inbegriff für Freude | |
verkauft. Sommer = Sommerfreude. Mit Ferien am Meer, Reisen im offenen | |
Coupé, Sonnen am Strand. Dazu wird geschwommen und gechillt, werden | |
Sommercocktails getrunken und Eis geschleckt. | |
Dabei ist doch nichts mehr so wie früher. Mit dem Sommer kommt die | |
Schlaflosigkeit, Erschöpfung, Lustlosigkeit, fehlende Konzentration. Und | |
mit dem Sommer kommt die Angst vor dem Sommer – my German Sommerangst. Die | |
PR weiß nicht, wie sie daraus einen Werbeschlager machen kann, und hält am | |
alten Sommermythos fest. | |
## Weiterziehen ist keine Lösung | |
Angst ist eingeschrieben in die Verhaltensmuster der Menschen. Sie macht | |
wachsam, schärft die Sinne, hilft in Sekundenschnelle die richtige | |
Entscheidung zu treffen: Fliehen oder Kämpfen? So zumindest lauteten die | |
Optionen, die unsere Vorfahren hatten, wenn Säbelzahntiger, Höhlenbären | |
oder der 500 Kilogramm schwere Machairodos, eine Urgroßkatze, auftauchten. | |
Über die warme Jahreszeit aber haben sie sich gefreut, denn | |
Gaszentralheizung gab es bei ihnen im Winter nicht. Wurde es, da wo sie | |
lebten, zu heiß, sind unsere urzeitlichen Vorfahren weitergezogen. | |
Wie nun aber auf die moderne Sommerangst reagiert werden soll, darauf gibt | |
es genealogisch noch keine Antwort. Denn Weiterziehen ist nicht die Lösung. | |
Dort, wo wer hinflüchten will vor der Hitze, ist doch schon jemand, und der | |
heißt die Hitzeflüchtigen nicht willkommen. | |
Die Sommerangst hierzulande ist berechtigt. Denn mittlerweile ist es im | |
Schnitt in Deutschland fast eineinhalb Grad wärmer als noch vor 50 Jahren. | |
[1][Menschen sterben an Hitze]. Manchmal wird der Temperaturdurchschnitt | |
Südeuropas getoppt. Und der in Südeuropa toppt den in Afrika. Das ist ein | |
Schneeballsystem – nur dass das Schneeballsystem heute anders heißen | |
müsste. | |
## Keine Gluthitze-Kultur | |
Nun ist es aber so, dass wir in einem Land der Philosophen leben, in dem | |
die Sommerangst noch nicht in allen Facetten durchdacht ist. Geschweige | |
denn mit einem Repertoire von Maßnahmen versehen ist, das durch intensives | |
Nachdenken generiert wurde. | |
Es gibt keine Gluthitze-Kultur. Es gibt keine Siesta, keine Fensterläden | |
vor den Fenstern in Mietshäusern, keine Klimaanlagen, keinen Rückzug. Denn | |
wer all dies hierzulande hätte oder angeordnet hätte, hätte im gleichen | |
Atemzug zugegeben, dass er den menschengemachten Klimawandel nicht stoppen | |
kann. Schlimmer noch, nicht stoppen will. | |
Halt, ganz stimmt das nicht. Der Bund hat immerhin schon einen [2][Klima- | |
und Transformationsfonds] eingerichtet, mit dem Maßnahmen zur Anpassung | |
„mit hohem Innovationspotential“ finanziert werden. My German Sommerangst | |
mindert das nicht. | |
3 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Gesundheitliche-Folgen-der-Klimakrise/!6003297 | |
[2] https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/aufrufe/aktuelle-meldungen/anpas… | |
## AUTOREN | |
Waltraud Schwab | |
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