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# taz.de -- US-Finanzministerin Yellen in China: Bloß keine weitere Eskalation
> US-Finanzministerin Yellen will den Konflikt zwischen den USA und China
> in konstruktive Bahnen lenken. Für die Weltwirtschaft steht viel auf dem
> Spiel.
Bild: Freundliche Minen: Janet Yellen und Li Qiang in Peking am 7. Juli
Peking taz | Wie ernst die Lage ist, daran ließ Chinas Premier nicht den
geringsten Zweifel. Als der 64-jährige Li Qiang die US-Finanzministerin
Janet Yellen in der Großen Halle des Volkes empfing, sagte er in
pathetischen Worten: Die Zukunft der Menschheit hänge damit zusammen, ob
China und die Vereinigten Staaten „korrekt miteinander koexistieren
können“.
Tatsächlich befinden sich die [1][bilateralen Beziehungen] zwischen den
zwei Weltmächten auf einem historischen Rekordtief. Die Liste an
Streitthemen reicht von Menschenrechtsfragen über den anhaltenden
Handelskrieg bis hin zu Chinas Drohungen gegenüber den [2][demokratisch
regierten Inselstaat Taiwan]. Und in Peking wird die USA vor allem als
Hegemon gesehen, der mit allen Mitteln den wirtschaftlichen Aufstieg der
Volksrepublik verhindern möchte – ein Vorwurf, den zuletzt Staatschef Xi
Jinping persönlich formuliert hat.
Insofern ist es ein delikater Drahtseilakt, den US-Finanzministerin Janet
Yellen bei ihrem viertägigen Peking-Besuch vollbringen möchte. Bei ihrem
Gesprächen am Freitag hat sich die 76-Jährige sichtlich um Beschwichtigung
bemüht: Nein, ihrer Regierung ginge es weder um „Entkoppelung“ noch einen
wirtschaftlichen Kampf um Sieg und Niederlage. Stattdessen strebe man einen
„gesunden Wettbewerb“ an, der „beiden Seiten zugute“ käme. Es bleibt
allerdings fraglich, ob ihr die Parteikader in Peking diese Botschaft
wirklich abnehmen werden.
Angesichts des Status Quo ist bereits als Erfolg zu werten, dass beide
Seiten überhaupt wieder miteinander reden. Diplomatische Durchbrüche oder
wirtschaftliche Kooperationen sind kaum zu erwarten. Wie fragil die
Beziehungen sind, bewies US-Außenminister Antony Blinken bei seinem
Peking-Besuch im Mai: Den zaghaften Fortschritt, welchen der 61-Jährige
durch sein diplomatisches Auftreten in der chinesischen Hauptstadt
erreichen konnte, wurde nur wenige Tage wieder zunichte gemacht, als
Präsident Joe Biden den chinesischen Staatschef Xi Jinping bei einem
öffentlichen Auftritt einen „Diktator“ nannte.
## Tech-Sanktionen, Exportbeschränkungen
Nun also soll es Janet Yellen richten, die angespannten Beziehungen
zwischen den zwei Weltmächten in konstruktivere Bahnen zu lenken. Was auf
dem Spiel steht, hat die chinesische Seite kurz vor ihrer Ankunft mit einer
alarmierenden Machtdemonstration verdeutlicht: Die rigiden Tech-Sanktionen
Washingtons, bei denen man zuletzt auch die Niederlande und Japan mit ins
Boot holte, konterte Peking am Montag mit [3][Exportbeschränkungen von
Gallium- und Germanium-Produkten] – beides Metalle, bei denen China nicht
nur über eine bedrückende Marktdominanz verfügt, sondern die auch für
Computerchips und Ladebatterien essenziell sind.
Insofern ist in den letzten Tagen auch die Nervosität innerhalb der
europäischen Vorstandsetagen deutlich gestiegen, beim Kampf um die
technologische Vorherrschaft zwischen die Fronten zu geraten. Denn die
Gefahr besteht, dass es zu einer Eskalationsspirale kommt, die ein tiefes
Loch in die Weltwirtschaft reißen könnte.
Ein solches Szenario möchte Yellen bei ihrem China-Besuch nun verhindern.
Einerseits betonte sie zwar, dass die Vereinigten Staaten und China „unter
bestimmten Umständen gezielte Maßnahmen“ ergreifen müssten, um ihre
nationale Sicherheit zu schützen. Dennoch dürften die
Meinungsverschiedenheiten „nicht zu Missverständnissen führen, die unsere
bilateralen Wirtschafts- und Finanzbeziehungen unnötig verschlechtern“.
Anders ausgedrückt: Beide Seiten müssen lernen, eine konstruktive
Streitkultur zu etablieren, um die Differenzen im geordneten Rahmen zu
regeln.
Doch der wirtschaftliche Ansatz gegenüber China, den Yellen bei ihrer Reise
betont, dürfte in China keine Freudenstürme auslösen: An erster Stelle
wolle man die US-Interessen bei Fragen der nationalen Sicherheit und
Menschenrechte gewährleisten, sagte Yellen. Erst dann komme das „Streben
nach einem gesunden und für beide Seiten vorteilhaften wirtschaftlichen
Wettbewerb“, gefolgt von der „gegenseitigen Zusammenarbeit bei dringenden
globalen Herausforderungen, einschließlich des Klimas und der globalen
Verschuldung“.
## Yellen isst in der Öffentlichkeit, nicht im Separee
Trotz der offensichtlichen Differenzen hat die Finanzministerin die
Sympathien der chinesischen Online-Gemeinde in ungewöhnlichem Maße für sich
gewinnen können. Dass die 76-Jährige für ihr erstes Abendessen in der
Hauptstadt ein bodenständiges Restaurant mit südchinesischer Yunnan-Küche
wählte, in dem sie statt im abgesperrten Separee in aller Öffentlichkeit
speiste, beeindruckte viele Chinesen. Andere kommentierten auf den sozialen
Medien ihre angeblich exzellenten Fähigkeit hervor, mit Stäbchen zu essen.
Doch hinter den Kulissen wurde am Samstag zweifelsohne Tacheles geredet.
Wie Yellen bei einer Veranstaltung der US-Handelskammer versicherte, habe
sie bei den Gesprächen mit ihren chinesischen Gastgebern auch die Kritik
der amerikanischen Unternehmen zur Sprache gebracht – darunter auch
erschwerte Marktzugänge für ausländische Konzerne. „Besonders beunruhigt
haben mich die Strafmaßnahmen, die in den letzten Monaten gegen US-Firmen
ergriffen wurden“, sagte Yellen.
Im März nahmen die [4][chinesischen Behörden nach einer Razzia] fünf
chinesische Mitarbeiter des Beratungsunternehmens Mintz fest und schlossen
dessen Pekinger Standort. Wenige Wochen später führten die Behörden Bain
eine Razzia in den Shanghai-Büros der Strategieberatung Bain durch und
konfiszierten die Laptops der Mitarbeiter. Die genauen Hintergründe sind in
beiden Fällen bislang unklar.
Insofern könnte der symbolisch gute Start von Janet Yellens Reise jederzeit
ins Gegenteil umschlagen. Als die Finanzministerin am Donnerstagnachmittag
in der chinesischen Hauptstadt landete, hoben die Staatsmedien – ganz ohne
zynische Untertöne – hervor, wie plötzlich über dem Pekinger Juli-Himmel
ein Regenbogen erschienen sei. Dieser stünde als Metapher für den Status
Quo der US-chinesischen Beziehungen, kommentierte ein populärer Blogger auf
seinem Weibo-Account: „Wenn sich die USA und China mit Respekt und
Aufrichtigkeit begegnen, dann kann auch der Regen vorübergehen“.
7 Jul 2023
## LINKS
[1] /US-Aussenminister-beendet-China-Besuch/!5938829
[2] /Ex-PEN-Praesidentin-ueber-Taiwan-und-China/!5939810
[3] /Exportbeschraenkungen-fuer-Rohstoffe/!5945746
[4] /China-verschaerft-Gesetz-gegen-Spionage/!5927740
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
China
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