| # taz.de -- China-Strategie der Bundesregierung: Balanceakt mit Superlativen | |
| > Die vorgestellte China-Strategie soll Berlins künftigen Umgang mit der | |
| > Volksrepublik definieren. Dabei geht es vor allem darum, aus Fehlern zu | |
| > lernen. | |
| Bild: Annalena Baerbock stellt die künftige deutsche China-Politik im Berliner… | |
| Berlin taz | Lange hat die Bundesregierung um eine Einigung gerungen. 83 | |
| Wochen nach Unterzeichnung des Koalitionsvertrags, auf rund 60 Seiten, eng | |
| bedruckt, ist sie nun zusammengefasst: [1][die neue China-Strategie der | |
| Bundesregierung], die am Donnerstag vom Kabinett beschlossen wurde. | |
| „Wir arbeiten mit China weiter zusammen, auch wirtschaftlich oder beim | |
| Klimaschutz“, ließ Bundeskanzler Olaf Scholz via Twitter mitteilen. Er | |
| sprach von einem neuen Rahmen der Beziehungen – und dass man auf ein China | |
| reagiere, das sich verändere und offensiver auftrete. „Kritische Themen wie | |
| Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und fairen Wettbewerb sprechen wir | |
| dabei immer an“, so Scholz. Ein Grund für die Neuausrichtung ist auch die | |
| Sorge der Bundesregierung über Chinas Entscheidung, sich stärker Russland | |
| anzunähern. | |
| Die Strategie mit der Überschrift „China als Partner, Wettbewerber und | |
| systemischer Rivale“ versuchte Außenministerin Annalena Baerbock am | |
| Donnerstag beim Forschungsinstitut Merics vor | |
| Wirtschaftsvertreter:innen, Bundestagsabgeordneten und | |
| Journalist:innen zu erklären. Die Grüne begann dabei mit einer Reihe | |
| von Superlativen, die China ausmachen: 800 Millionen Menschen aus China | |
| haben in den letzten Jahrzehnten den Weg aus der Armut gefunden, 298 | |
| Milliarden Euro gab es an Warenaustausch zwischen China und Deutschland, 87 | |
| Gigawatt an Solarenergie hat das Land allein 2022 installiert. Die | |
| wirtschaftliche Bilanz ist also enorm. | |
| Aber die Außenministerin nannte auch andere Zahlen: Mit 69 Kriegsschiffen | |
| hat China seine Marine mit zur größten der Welt gemacht – und rund 1 | |
| Million Hongkong-Dollar hätte die Regierung auf | |
| Anti-China-Aktivist:innen im Ausland ausgesetzt. Die Zahlen zeigten | |
| den Spagat der Bundesregierung, Chinas wirtschaftliche Stärke zu nutzen und | |
| zugleich auf Menschenrechtsverletzungen oder kriegerische Offensiven zu | |
| reagieren. Der Ton soll bestimmt klingen, aber nicht zu rau, um den großen | |
| Handelspartner nicht zu vergrätzen. | |
| ## Baerbock warnt vor militärischer Eskalation | |
| Bereits in der [2][Nationalen Sicherheitsstrategie], die im Juni | |
| vorgestellt wurde, taucht ein Kapitel zu China auf und lässt den Ansatz der | |
| Bundesregierung erahnen. Derisking ist das Stichwort, also Risiken und | |
| Abhängigkeiten zu reduzieren. Alles im Schulterschluss mit der EU und im | |
| Sinne der eigenen Sicherheitsinteressen. Um sich aus der russischen | |
| Energieabhängigkeit zu befreien, hätte die Bundesregierung mehr als 200 | |
| Milliarden Euro aufwenden müssen. | |
| Eine solche Situation soll unbedingt vermieden werden, mit einem | |
| Instrumentenbaukasten, der Risiken für Unternehmen einschätzt und nach | |
| Alternativen sucht. Dazu gehört auch, dass Firmen, die sich in hohem Maße | |
| vom chinesischen Markt abhängig machen, finanzielle Risiken verstärkt | |
| selbst tragen müssen. „Wir müssen unsere wirtschaftliche Sicherheit | |
| stärken“, sagte Baerbock. | |
| Die Reaktion der Industrie fiel am Donnerstag verhalten aus. Man trage das | |
| Papier zwar mit, sagte ein Vertreter des Bundesverbands der Deutschen | |
| Industrie bei der Vorstellung der Strategie. „Doch jetzt fängt die Arbeit | |
| erst an.“ Und die Wirtschaft will mit am Tisch sitzen, wenn es um zu enge | |
| Regeln geht, wenn ökonomische Interessen zugunsten von alternativen | |
| Lieferketten oder zu strengen Vorgaben zur Einhaltung von Menschenrechten | |
| leiden würden. Baerbock konterte darauf mit dem Vorstoß, auch kleine und | |
| mittelständischen Firmen konkret zu adressieren und nicht nur Verbände und | |
| Großkonzerne. | |
| Auch zum abgeschlossenen Hafendeal mit Cosco und Huawei-Komponenten bei | |
| digitalen Geräten äußerte sich die Außenministerin. Sie verwies dabei auf | |
| einen noch ausstehenden Gesetzentwurf des Innenministeriums, das für | |
| Unternehmen einen Rahmen schaffen soll, kritische Infrastruktur besser zu | |
| schützen. Die Machtpolitik der chinesischen Regierung im Indopazifik | |
| erwähnte die Grünen-Politikerin ebenfalls. „Eine militärische Eskalation | |
| wäre auch eine Gefahr für die Welt“, sagte Baerbock. Dabei nannte sie die | |
| Straße von Taiwan, die von rund der Hälfte aller Containerschiffe weltweit | |
| passiert werde. | |
| Deutschland setze bei den Handels- und Lieferketten auf Diversität. Bei | |
| Importen von Seltenen Erden soll etwa stärker mit Ländern Lateinamerikas | |
| zusammengearbeitet werden, Brasilien beispielsweise. Auch in der | |
| Entwicklungshilfe geht Deutschland neue Wege, indem es China künftig nicht | |
| mehr als Entwicklungsland behandelt. | |
| Die Strategie soll nun nach der Sommerpause im Bundestag debattiert werden. | |
| Während SPD-Außenpolitiker Nils Schmid das Papier lobte, konnte sich die | |
| Opposition einen Seitenhieb nicht verkneifen. Auch wenn der Plan in die | |
| richtige Richtung gehe, so Nicolas Zippelius von der CDU, hätte er die | |
| erste Diskussion über die deutsche China-Strategie lieber im Bundestag | |
| gesehen – statt in der Denkfabrik Merics. Auf eine Vorstellung in größerem | |
| Rahmen oder gar der Bundespressekonferenz hatte die Bundesregierung | |
| verzichtet – anders als bei der Präsentation der Nationalen | |
| Sicherheitsstrategie. Differenzen zum Kanzler wiegelte die Außenministerin | |
| ab. Zuletzt hießt es immer wieder, dass sie gegenüber China einen härteren | |
| Ton anschlagen würde als Scholz. | |
| 13 Jul 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.auswaertiges-amt.de/blob/2608578/2b2effbc0886ef7ae0b22aaeacf199… | |
| [2] /Deutsche-Aussenpolitik/!5935227 | |
| ## AUTOREN | |
| Tanja Tricarico | |
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