# taz.de -- Zusammenarbeit von CDU und Rechten: Greifswald wirklich für alle? | |
> Ein von der CDU unterstütztes Bürgerbegehren will Unterkünfte für | |
> Geflüchtete verhindern. Die Initiatoren schüren antidemokratische | |
> Ressentiments. | |
Bild: Demonstrationen gegen das Bürgerbegehen in Greifswald im März | |
BERLIN taz | Am Sonntag entscheiden die Wahlberechtigten in [1][Greifswald | |
über eine neue Unterkunft für Geflüchtete]. Ein Bürgerbegehren gegen die | |
Unterkunft hievte den Entscheid über die Hürde der 4000 benötigten | |
Unterschriften. Die CDU unterstützt das Nein zu der Unterkunft. „Die | |
Kommune ist überlastet, mit dem Bürgerentscheid wollen wir ein Zeichen | |
setzen“, sagte der Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion Greifswald | |
Axel Hochschild der taz. | |
Die Initiatoren des Begehrens gegen die Unterkunft bewerben indes ihr | |
Anliegen im Compact Magazin. Der Verfassungsschutz stuft das Magazin als | |
gesichert rechtsextrem ein. Vor allem einer der drei Initiatoren, Ronny B., | |
bedient zudem in sozialen Medien öffentlich antisemitische | |
Verschwörungserzählungen und Reichsbürger-Narrative. B. wähnt sich auf | |
Facebook etwa in einer Diktatur von Rot-Rot-Grün. | |
Hochschild, der Greifswalder CDUler, weist Kritik an einer Zusammenarbeit | |
mit den Initiatoren des Bürgerbegehrens von sich. Er wisse nichts von | |
antidemokratischen Äußerungen der Initiatoren, er sei auch selbst nicht in | |
sozialen Medien unterwegs. Von der Ansicht, Deutschland sei keine | |
Demokratie, distanziert er sich: „Eine Diktatur gibt es hier nicht, das | |
würde ich niemals teilen“, sagt er. Er sehe aber ohnehin keine | |
Zusammenarbeit mit den Initiatoren, man habe eben die gleiche Position in | |
Bezug auf die Unterkunft und werbe für den Bürgerentscheid. | |
Aber: Grundsätzlich scheint Hochschild auch nichts gegen die Zusammenarbeit | |
mit Rechten zu haben. „Wenn die AfD einen vernünftigen Vorschlag einbringt, | |
lehne ich das nicht ab, nur weil es die AfD ist“, sagt er der taz. | |
## Scharfe Kritik von den Grünen in Greifswald | |
Die Grünen in Greifswald äußern scharfe Kritik an dem Vorgehen der CDU in | |
der Stadt. „Die CDU hat sich erst lange aus der Kampagne rausgehalten“, | |
sagt Christoph Oberst, der für die Grünen in der Greifswalder Bürgerschaft | |
sitzt. Es sei Michael Sack gewesen, der CDU-Landrat für den Kreis | |
Vorpommern-Greifswald, der die Gemeinden angeschrieben und gesagt habe, er | |
brauche Flächen für die Unterbringung von Geflüchteten. „Die CDU in der | |
Bürgerschaft wollte ihrem Landrat erst nicht in den Rücken fallen“, sagt | |
Oberst. „Doch dann sind sie volle Kanne in die Plakatkampagne eingestiegen | |
mit zwei Plakaten.“ | |
Beide Plakate seien populistisch, sagt der Grünen-Politiker. Auf dem einen | |
stünde, Greifswald solle ein Signal nach Schwerin und Berlin senden für | |
„kontrollierte Zuwanderung“. Auf dem anderen stünde, dass die Sporthallen | |
nicht für die Unterbringung von Geflüchteten genutzt werden dürften. „Dabei | |
wollen wir ja die Container, damit wir keine Sporthallen belegen müssen“, | |
sagt Oberst. Die Grünen sind die stärkste Fraktion in der Greifswalder | |
Bürgerschaft und bilden in einem Bündnis unter anderem mit Linken und der | |
SPD die Mehrheit dort. | |
Auch der 2015 erstmals gewählte Greifswalder Oberbürgermeister [2][Stefan | |
Fassbinder] ist von den Grünen. Er wurde im vergangenen Jahr in seinem Amt | |
bestätigt. „Das CDU-Lager versucht hier eine Gegen-Alles-Opposition.“ Die | |
ursprünglichen Pläne hatten vorgesehen, auf einem kommunalen Grundstück am | |
Rande der Stadt neben einer Schule ein Containerdorf für 500 Geflüchtete zu | |
errichten. „Das hat viele Menschen überrascht“, sagt Oberst. Die | |
Gegeninitiative habe innerhalb kurzer Zeit 7000 Unterschriften für ihre | |
Kampagne gesammelt. Nur 4000 Unterschriften werden eigentlich benötigt, | |
damit sich die Bürgerschaft mit einem Thema beschäftigt. | |
## Sorge vor Kooperation von CDU und AfD | |
Die Abstimmung wird dabei wohl zu einer Entscheidung hochgejazzt, die sie | |
eigentlich gar nicht ist. Konkret geht es nämlich nur darum, ob die Stadt | |
Flächen an den Landkreis verpachten darf, damit der dort Unterkünfte bauen | |
kann. Es geht nicht direkt um eine Entscheidung für oder gegen Unterkünfte. | |
Aus mit der Sache vertrauten Kreisen erfuhr die taz: Am Ende würden wohl so | |
oder so Unterkünfte stehen. Fraglich ist nur ob unter Federführung der | |
Stadt oder des Landkreises. | |
Anne Wolf engagiert sich in der Initiative „Greifswald für alle“ und setzt | |
sich für ein „Ja“ zu den Unterkünften ein. Über die Nähe der | |
[3][CDU-Greifswald] zu rechten Akteuren wundert sie sich nicht. Die CDU in | |
der Region benehme sich schon länger, als wäre sie Teil der AfD. „Sie | |
erweitern so die Grenzen des Sag- und Machbaren“, sagt Wolf. Auch Gregor | |
Kochhan, ebenfalls von „Greifswald für alle“, blickt in eine ungewisse | |
Zukunft: „Ich habe echte Sorge vor einer Zusammenarbeit der CDU mit der | |
AfD“, sagt er. | |
Die CDU-Bundespartei meldete sich bis Freitagnachmittag nicht auf | |
taz-Nachfragen zum Vorgehen der Greifswalder CDU. | |
16 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Mehr-Angriffe-auf-Fluechtlingsunterkuenfte/!5919515 | |
[2] /Gruener-Oberbuergermeister-im-Osten/!5007876 | |
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## AUTOREN | |
Moritz Müllender | |
Cem-Odos Güler | |
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