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# taz.de -- Bürgerentscheid zu Flüchtlingsunterkunft: Fürstenauer wollen Fl�…
> Die Pommern-Kaserne im niedersächsischen Fürstenau soll bis zu 500
> Geflüchtete aufnehmen. Ein Bürgerentscheid dagegen fand keine Mehrheit.
Bild: Die ehemalige Pommernkaserne soll künftig Geflüchtete aufnehmen
Hannover taz | Es war der erste [1][Bürgerentscheid in Niedersachsen für
oder gegen eine Flüchtlingsunterkunft]. In Fürstenau bei Osnabrück stimmten
am Sonntag 3.757 Bürger*innen darüber ab, was mit der ehemaligen
Pommern-Kaserne am Ortsrand geschehen soll.
55,2 Prozent erklärten, die Stadt dürfe einen zehn Hektar großen Teil des
Geländes ruhig an die Landesaufnahmebehörde vermieten, 44,8 Prozent lehnten
dies ab. Damit ist das Bürgerbegehren, das die Unterbringung von bis zu 500
Geflüchteten an dieser Stelle verhindern wollte, gescheitert.
Er sei erleichtert, sagte der ehrenamtliche Bürgermeister der Gemeinde,
Ernst Ehmke (SPD) gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung. Ähnlich äußerten
sich Stadtdirektor Matthias Wübbel (SPD) und Niedersachsens Innenministerin
Daniela Behrens (SPD).
Und die grüne Landtagsfraktion jubelte in einer Pressemitteilung gar:
„Sachliche Debatten über die Unterbringung von Geflüchteten sind möglich.�…
Das liegt möglicherweise aber auch daran, dass die Debatte in Fürstenau
nicht so ganz entlang der üblichen Frontstellungen verlief.
## Verwirrende Fragestellung
Das fängt schon mit der Fragestellung an: „Lehnen Sie eine
Vermietung/Verpachtung der ehemaligen Pommernkaserne durch die Stadt
Fürstenau an die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen ab?“ Wer also keine
Erstaufnahmeeinrichtung an dieser Stelle will, muss mit „Ja“ stimmen. Wer
für die Unterkunft ist, mit „Nein“.
Dass dies so umständlich und missverständlich formuliert ist, musste die
Stadtverwaltung immer wieder erklären. Es liegt daran, dass das
Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) verfügt, dass [2][ein
Bürgerbegehren immer so formuliert] sein muss, dass diejenigen, die mit den
Initiatoren übereinstimmen, mit „Ja“ antworten können.
Die Initiatoren sind in diesem Fall zwei Anwohner, die von Anfang an
betonten, nicht aus der rechten Ecke zu kommen, wie die NOZ berichtet. Sie
betonen einerseits die Verärgerung darüber, nicht ausreichend informiert
worden zu sein – und andrerseits die Sorge darum, dass eine
Massenunterkunft eben nicht unbedingt integrationsfördernd ist.
Auf dem Gelände, das aktuell einem Privatmann gehört, der es aber gern an
die Stadt verkaufen möchte, waren schon länger Geflüchtete untergebracht.
Allerdings hatte sich die Art der Unterbringung zwischenzeitlich geändert:
Aus einer Notunterkunft für Ukrainerinnen wurde eine Erstaufnahmestelle,
die Belegungszahlen änderten sich, die Fristen, zu denen dieses
vorübergehende Arrangement auslaufen sollte auch immer wieder – die
Anwohner fühlten sich dabei nicht mitgenommen.
Gleichzeitig [3][wird diese Art von Kasernierung auch von
Flüchtlingsorganisationen kritisch gesehen], weil sie eben tatsächlich eher
zu Isolation als zur Integration führt.
Aber um das Wirrwarr komplett zu machen: Im Fall Fürstenau schiebt nun
selbst die AfD das Integrationsargument vor, um sich gegen die Unterkunft
auszusprechen. Andere sprechen sich gegen die Unterkunft aus, weil sie es
lieber hätten, wenn das gesamte Gelände – die Stadt will insgesamt 40
Hektar kaufen – zur Entwicklung als Gewerbegebiet zur Verfügung stünde.
## Stadt spart eigene Unterbringung
Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die nicht nur Mitleid mit den
Geflüchteten haben, sondern auch deutliche Vorteile für die Stadt und ihre
Kasse sehen. Die Verpachtung an die Landesaufnahmebehörde würde jährlich
rund eine Million Euro einbringen – damit ließe sich der Ankauf und die
Entwicklung des restlichen Geländes zumindest teilweise refinanzieren.
Außerdem sehen die bisherigen Vereinbarungen mit dem Land vor, dass die
Erstaufnahmeeinrichtung auf die Zuweisungsquote angerechnet wird. Das
heißt: Fürstenau braucht selbst keine Geflüchteten mehr unterzubringen, die
dann im Ort mit anderen um knappen Wohnraum, Kita- und Schulplätze oder
sonstige Kapazitäten konkurrieren. Dafür entstehen in der Einrichtung sogar
noch Arbeitsplätze.
Trotzdem hat die Frage den Ort offenbar ziemlich gespalten: Die beiden
Lager liegen nur um 390 Stimmen auseinander. Und auch die Wahlbeteiligung
von 48,8 Prozent spricht dafür, dass die Sache viele Menschen bewegt hat.
Sie mag zwar auf den ersten Blick niedrig erscheinen, ist aber für einen
Bürgerentscheid, der nicht mit anderen Wahlgängen zusammen stattgefunden
hat, tatsächlich ziemlich gut. Rund 30 Prozent aller Bürgerentscheide in
Niedersachsen scheitern daran, dass sich zu wenig Wahlberechtigte ins
Wahllokal begeben, erklärt der Verein „[4][Mehr Demokratie] “ auf seiner
Webseite.
Für den Rat ist diese Entscheidung nun bindend. Die Stadtverwaltung hat
angekündigt, die Kauf- und Pachtvereinbarungen sobald wie möglich
abstimmungsreif vorlegen zu wollen. Dann kann in Fürstenau wieder um andere
Dinge gestritten werden.
1 Mar 2024
## LINKS
[1] /Zusammenarbeit-von-CDU-und-Rechten/!5941270
[2] /Buergerbegehren/!t5023727
[3] /Uebergriffe-in-Gefluechtetenunterkunft/!5856689
[4] https://www.mehr-demokratie.de/
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Migration
Niedersachsen
Bürgerentscheid
Unterbringung von Geflüchteten
IG
Rechte Szene
Schwerpunkt AfD
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