# taz.de -- Brandanschlag auf Geflüchtetenunterkunft: „Erschrocken und über… | |
> In Wittorf bei Lüneburg ist eine geplante Unterkunft für Geflüchtete | |
> abgebrannt. Vorher gab es Kontroversen bei einer Infoveranstaltung. | |
Bild: Nicht mehr bewohnbar: das abgebrannte Altenheim, das Flüchtlingsunterkun… | |
HAMBURG taz | In das ehemalige Altenheim in Wittorf wird so bald niemand | |
einziehen. In der Nacht auf den 3. November hat das Gebäude in dem kleinen | |
Dorf im Landkreis Lüneburg gebrannt. Verletzte gab es keine. Das Haus | |
befand sich gerade im Umbau, es sollte Unterkunft für 50 bis 60 Geflüchtete | |
werden. Anfang Dezember hätten die ersten Menschen einziehen sollen, | |
bestätigt die Kreisverwaltung der taz. Jetzt sind Teile komplett | |
ausgebrannt, andere einsturzgefährdet. Das Gebäude ist vorläufig | |
unbewohnbar. | |
Die Staatsanwaltschaft Lüneburg geht seit Ende vergangener Woche von | |
Brandstiftung aus. Ein Brandermittler habe andere Ursachen für das Feuer | |
ausschließen können, sagt ein Sprecher der Behörde. Da ein politisches | |
Motiv nicht auszuschließen sei, ist in die Ermittlungen auch der | |
Staatsschutz involviert. | |
Aus Sicht von Heiner Luhmann (CDU), dem Bürgermeister der Samtgemeinde | |
Bardowick, zu der Wittorf gehört, liegt es nahe, „dass | |
[1][Ausländerfeindlichkeit] und [2][Rechtsextremismus] eine Rolle gespielt | |
haben“. Über den Brandanschlag sei er „einigermaßen erschrocken und auch | |
überrascht“. | |
Wittorf ist überschaubar, das Dorf zählt keine eineinhalbtausend | |
Einwohner*innen. Bei der letzten Kommunalwahl 2021 gingen je vier Sitze im | |
Gemeinderat an CDU und SPD, drei an die Grünen. Schon seit 2015 wohnen | |
durchgehend zwischen zwölf und 18 geflüchtete Menschen in einer Unterkunft | |
im Ort, einige hundert Meter vom ehemaligen Altenheim entfernt. | |
## Bislang keine Anschläge oder Übergriffe | |
Das Zusammenleben im Ort sei „komplett unproblematisch“, sagt Bürgermeister | |
Lumann. So engagierten sich viele Menschen in Wittorf ehrenamtlich in der | |
Flüchtlingshilfe, Übergriffe auf Unterkünfte oder Geflüchtete seien der | |
Gemeinde nicht bekannt. | |
Den Eindruck kann Olaf Meyer von der antifaschistischen Aktion | |
Lüneburg/Uelzen bestätigen: „In Wittorf gab es eigentlich nie Probleme“, | |
sagt er. Nicht nur dort, auch im ganzen Landkreis Lüneburg habe es | |
vergleichbare Anschläge „seit Anfang der 1990er nicht gegeben“, sagt der | |
Aktivist. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Lüneburg bestätigt, dass der | |
Ermittlungsbehörde aus den vergangenen Jahren keine Ermittlungen zu | |
Angriffen auf Geflüchtetenunterkünfte im Landkreis erinnerlich sind. | |
Einige Tage vor dem Brand in Wittorf war Kritik am Vorgehen der | |
Samtgemeinde Bardowick laut geworden. „Wittorfer sauer“, konnte man in der | |
Lokalzeitung [3][Lünepost ] lesen. Die Gemeinde habe die Anwohner*innen | |
viel zu spät über den Umbau des Altenheims zur Unterkunft für Geflüchtete | |
informiert, Anwohner*innen hätten sich nicht mitgenommen gefühlt. | |
„Einige kündigten noch am Abend an, wegzuziehen“, schließt der Artikel. | |
Tatsächlich hatte die Öffentlichkeit erst am 30. Oktober bei einer | |
Infoveranstaltung im Dorf von den Plänen der Gemeinde erfahren. „Die | |
Kritik, dass das zu spät kam, ist nicht ganz unberechtigt“, räumt | |
Bürgermeister Luhmann ein. Es müsse aber auch bedacht werden, dass die | |
Gemeinde erst Anfang Oktober vom Land über den neuen Verteilungsschlüssel | |
informiert worden sei. | |
Demnach muss die Gemeinde bis zum nächsten März 225 schutzsuchenden | |
Menschen eine Unterkunft bereitstellen. Da der vorhandene Platz nicht | |
ausreicht, sei unter Zeitdruck „entschieden worden, das ehemalige | |
Seniorenheim in Wittorf mit ranzuziehen“, sagt er. Trotzdem hätte man die | |
Bürger*innen einige Tage früher informieren können, sagt Luhmann. Dass | |
das nicht passiert ist, tue ihm leid. | |
## Kritik an der Berichterstattung der Lünepost | |
Deutliche Kritik übt der Bürgermeister allerdings am Artikel der Lünepost | |
über die Informationsveranstaltung. Darin würde die Diskussion am Abend | |
völlig falsch wiedergegeben. Tatsächlich hätten sich von fast 70 | |
Teilnehmenden nur sechs oder sieben Personen kritisch zur geplanten | |
Unterkunft geäußert. Der Rest sei entweder positiv eingestellt gewesen oder | |
habe organisatorische Fragen gestellt. In der Lünepost würde dagegen | |
suggeriert, der ganze Ort sei gegen die Unterkunft gewesen. Das findet | |
Luhmann „polemisch, falsch und gefährlich“. | |
Lünepost-Redakteur Jan Beckmann weist den Vorwurf der Verzerrung von sich. | |
Da der Anlass für den Artikel die Kritik am Vorgehen der Gemeinde war, sei | |
es nur folgerichtig, dass er nur solche Stimmen wiedergegeben hat, sagt er. | |
Ohnehin habe sich „die Mehrheit der Leute vor Ort kritisch geäußert“. | |
Diesem Eindruck widerspricht allerdings auch der Gemeinderat von Wittorf. | |
Am Tag nach dem Brand veröffentlicht er eine Erklärung, in der er sich | |
deutlich von Beckmanns Artikel distanziert. Dieser „trifft nicht die | |
Stimmung“ steht da. | |
Die antifaschistische Aktion Lüneburg/Uelzen habe schon mehrfach ähnliche | |
Informationsveranstaltungen in der Gegend beobachtet, erzählt Olaf Meyer. | |
Zwar gebe es dabei immer auch Stimmen, die Ankommende unterstützen wollen, | |
Asyl und Migration würden jedoch zunehmend als Problem adressiert und | |
Geflüchtete so entmenschlicht. | |
## Kundgebung vor der Brandruine | |
Für die Gruppe ist der Brandanschlag auch Folge der sich [4][bundesweit | |
verschärfenden Debatte]. Kritik an der Informationspolitik von Verwaltungen | |
hält Olaf Meyer für ein vorgeschobenes Argument: „Die Leute kritisieren, | |
nicht informiert worden zu sein, statt zu sagen: Ausländer raus.“ | |
Samtgemeindebürgermeister Luhmann zeigt dagegen Verständnis für Menschen, | |
die sich übergangen fühlten. Für ihn ist es auch die [5][Asylpolitik von | |
Bund und Land], durch die die Verantwortung für die Unterbringung an die | |
Kommunen weitergereicht werde, die zu Unmut bei betroffenen Bürger*innen | |
führt. | |
Seine Gemeinde stellt der Brand nun vor eine organisatorische | |
Herausforderung. Gemeinsam mit der Kreisverwaltung sucht sie nach | |
alternativen Unterbringungen. „Wir kommen in deutlichen Verzug“, sagt | |
Luhmann. Für Samstag 13 Uhr ruft ein Bündnis antifaschistischer Gruppen | |
gemeinsam mit den Grünen zu einer [6][Kundgebung gegen Rassismus] vor der | |
Brandruine auf. | |
16 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Auslaenderfeindlichkeit/!t5007722 | |
[2] /Rechtsextremismus/!t5007723 | |
[3] https://luenepost.de/ | |
[4] /Asylpolitik-in-Deutschland/!5959702 | |
[5] /Bund-Laender-Kompromiss-zu-Asylpolitik/!5971716 | |
[6] https://gemeinde-wittorf.de/wittorf-fuer-ein-miteinander/ | |
## AUTOREN | |
Amira Klute | |
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