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# taz.de -- Boomerinnen vs Millennials: Sind wir Alte besser dran?
> Warum es Babyboomer:innen besser geht als Millennials. Und warum
> nicht. Eine Antwort auf Adrian Lobes Artikel „In verschiedenen Welten“.
Bild: Der Lebensstil der Millennials ist auch nicht gerade tiefstes Elend
Die jüngste Lieferung zum Generationen-Bashing kam direkt aus der taz.
Adrian Lobe, jüngerer und geschätzter Kollege, Jahrgang 1988,
[1][bezeichnet sich selbst als „Millennial“ und schreibt]: „Während viele
Senioren in ihren abbezahlten Eigenheimen sitzen und es sich in der
Komfortzone ihrer SUVs bequem gemacht haben, blicken die Jüngeren in eine
sorgenvolle Zukunft: Klimakatastrophe, Wasserkriege, Pandemien. Niemand
kann sagen, ob man in 50 Jahren noch Rente bekommt oder überhaupt auf dem
Planeten leben kann.“
Die Reallöhne der Millennials sinken, [2][die Immobilienpreise hingegen
steigen und steigen]. Die Millennials sind die erste Generation, denen es
schlechter geht als ihren Eltern, liest die Boomer:in auch bei Tiktok.
Und Lobe schreibt: „In der ‚Abstiegsgesellschaft‘, wo der Fahrstuhl außer
Betrieb ist und man die Rolltreppe gegen die Fahrtrichtung hochlaufen muss,
ist sozialer Aufstieg kaum möglich.“
Kein SUV, kein Eigenheim, kein sozialer Aufstieg, nicht mal Rente –
stattdessen Klimakatastrophe! So sind sie dran, die Millennials. Und
[3][wir, die Babyboomer:innen, haben es vermasselt]. Wir haben das Klima
mitruiniert oder jedenfalls nichts dagegen getan. Wenn es höllisch heiß
wird mit der Erderwärmung, werden wir irgendwo im Himmel sein oder im
Nirwana. Unsere Immobilie konnten wir noch selbst finanzieren mithilfe
hoher Löhne, eigener Ersparnisse plus Bankkredit und günstigen
Immobilienpreisen. Wir kassieren üppige Rente, die die Millennials
finanzieren durch ihre Beiträge. Und gegen die Rentner:innen sagt
niemand was, denn die sind eine große Wählergruppe, das ist politischer
Selbstmord, es sich mit denen zu verscherzen.
So ungefähr geht das Anti-Boomer-Narrativ.
## Vorsicht, ihr Millies!
Jetzt mal zur Klarstellung: Als Babyboomer:innen bezeichnet man in der
Statistik die Generation der geburtenstarken Jahrgänge vor dem sogenannten
Pillenknick. In Deutschland sind das kriegsbedingt die zwischen 1955 und
1969 Geborenen, also die heute 54- bis 68-Jährigen. Wer 55 ist, hat aber
noch zwölf Jahre bis zur Rente, und was dann sein wird, weiß man jetzt auch
noch nicht so genau. Vorsicht mit den Kategorien, ihr Millies!
Zu den „Millennials“ zählen per definitionem die zwischen 1981 und 1995
Geborenen, die heute 27- bis 42-Jährigen. Ihr seid auch nicht mehr
superjung, also macht nicht so auf jung mit 35! Mit 35 hat sich die heute
66-jährige Babyboomer:in schon sehr alt gefühlt. Euer Lebensstil mit
Avocado-Toast, Tofu-Würstl, Fernreisen mit atmosfair-Beitrag und einer
kassenfinanzierten Psychotherapeutin, die euch geduldig zuhört – das ist
auch nicht gerade tiefstes Elend.
## Erben oder Nichterben
Aber es stimmt natürlich, die Immobilienpreise sind explodiert, vor allem
in den angesagten Städten. Alle wollen in den Metropolen wohnen, ihr auch.
Dort möglichst im dorfähnlichen Kiez mit viel Grün drumherum. Deswegen sind
die Preise für Eigentum in den Städten auch so hoch. In der Altersgruppe
der Millennials besitzen viel weniger Leute eine eigene Immobilie als in
derselben Altersgruppe 20 Jahre zuvor, hat auch das [4][Institut der
Deutschen Wirtschaft] festgestellt.
Eine Immobilie kaufen oder am Stadtrand bauen, das können heute fast nur
noch Erben, weil man schon 150.000, 200.000 Euro als Eigenkapital
mitbringen muss, wenn man in einer Metropole eine Familienwohnung erwerben
will. Erben oder Nichterben – das ist in der Tat ein Riesenthema bei den
Millennials. Die zu erwartenden Erbschaften betragen erst im reichsten
Fünftel im Mittel 250.000 Euro, sagt [5][die Hans-Böckler-Stiftung.]
Chancengleichheit sieht anders aus.
## Nicht so viel Solidarität
Anstatt auf die Alten zu schimpfen, könntet ihr doch einfach für eine
Erhöhung der Erbschaftssteuer und für eine Vermögenssteuer kämpfen, für ein
bisschen mehr Umverteilung! Aber da werdet ihr leise, ihr Millies. Eine
höhere Erbschaftssteuer, das könnte ja einige von euch empfindlich treffen.
Deshalb sieht es auch nicht so gut aus mit der Solidarität innerhalb eurer
Generation. Es ist einfacher, die Alten zu bashen.
Auch bei den Babyboomer:innen spielt übrigens [6][die Kluft zwischen
Erben und Nichterben] eine große Rolle. Denn viele von uns hatten gar nicht
viele Jahrzehnte lang so einträgliche Jobs, dass wir alleine mit unseren
Löhnen eine Immobilie oder einen großzügigen Ruhestand hätten finanzieren
können.
## Euch rollt man den roten Teppich aus
Womit wir beim Arbeitsmarkt wären. Hey, ihr Millennials, zu Zeiten der
Massenarbeitslosigkeit habt ihr noch auf dem Schulhof [7][euren Tamagotchi
gefüttert] und euch mit Yu-Gi-Oh-Karten duelliert. Damals, in den 80er,
90er Jahren des vorigen Jahrhunderts, als wir Boomer:innen so alt waren
wie ihr heute, ging das Gespenst der Massenarbeitslosigkeit um. „Dr.
Arbeitslos“ hießen in Westdeutschland Akademiker:innen mit unsicherer
Jobperspektive. Von einer „Ingenieursschwemme“ war die Rede, als
Unternehmen massenhaft Stellen abbauten. Für die Ostdeutschen war es nach
der Wende besonders schlimm. Wir hatten solche Zukunftsangst. Um uns
selbst, zugegebenermaßen.
Ihr Millennials hingegen, jedenfalls, wenn ihr so um die 30 seid: Euch
rollt man den roten Teppich aus. Ihr seid Goldstaub. Ihr könnt im
Bewerbungsgespräch irgendwas von „Work-Life-Balance“ erzählen und dass ihr
gerne vier Tage in der Woche im Homeoffice arbeiten wollt. Und dann
verzieht der Arbeitgeber nur ein ganz kleines bisschen die Miene und sagt
aber trotzdem: Yes. Weil sich überhaupt nur drei Leute auf seine Anzeige
gemeldet haben. Und ihr rührt euch dann nicht mehr, weil ihr noch was
Besseres gefunden habt.
## Demütigungen für Frauen
Wir hingegen erlebten damals Demütigungen, besonders die Frauen. 34 Jahre
alt und kinderlos? Die wird bestimmt sofort schwanger und kostet dann nur,
die nehmen wir nicht! Die 66-jährige Babyboomerin kennt Frauen, die damals
im Bewerbungsgespräch mit 35 Jahren ungefragt beteuerten, sie wollten auf
keinen Fall Kinder, sie wären gar nicht der Mutti-Typ. Nur um ihre Chancen
auf Einstellung zu verbessern. Kann man sich heute nicht mehr vorstellen?
Eben.
Aber Schluss mit dem Bashing. Auf Tiktok [8][macht sich die Generation Z,
die nach 1996 Geborenen, schon lustig über das Selbstmitleid der
Millennials], die sich immer überfordert fühlen. Wir Babyboomer:innen
haben Verständnis. Wir wollen ja auch Verständnis, für uns. Nein, wir
möchten nach 30 Jahren nicht aus unserer Nachbarschaft wegziehen, wenn
unsere Wohnungen ein bisschen groß geworden sind. Und nein, wir können
nichts dafür, dass wir so lange leben, oder sollen wir Massen-Seppuku
begehen am 70. Geburtstag?
Wir könnten uns doch ein bisschen zusammentun, ihr Millennials und wir
Boomer. Auch ihr werdet lange leben, jedenfalls die meisten von euch. Auch
unter euch wird es später reiche alte Menschen geben, die eigentlich was
abgeben könnten. Und klar, ihr braucht Zuwanderung, damit jemand später
eure Rente bezahlt. Brauchen wir auch. Auch wir wollen nicht, dass die Welt
endet, schon wegen der Enkel nicht. So weit liegen wir doch gar nicht
auseinander. Also.
15 Jun 2023
## LINKS
[1] /Der-oekonomische-Generationenkonflikt/!5936030
[2] /Steigende-Immobilienpreise/!5758324
[3] /Betagter-Quadratmeteradel/!5930805
[4] https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Gutachten/PDF/2019/Gut…
[5] https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-erbschaften-groesser-als-bislang…
[6] /Herkunft-und-Ungleichheit/!5882620
[7] /Einen-Schal-suchen-wenn-es-schneit/!1397027/
[8] /Wie-Gen-Z-ueber-Millennials-denkt/!5901507
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
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