# taz.de -- Arbeitsbedingungen an Unis: Den Protest an die Uni tragen | |
> Ein Bündnis ruft zur Aktionswoche Wissenschaft auf. Es geht um bessere | |
> Arbeitsbedingungen für Forscher:innen – und für studentisch Beschäftigte. | |
Bild: Gegen ihre Pläne richtet sich der Protest: Bildungsministerin Bettina St… | |
Berlin taz | Ab Montag finden an über 30 Standorten bundesweit Aktionen für | |
bessere Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft statt. Dazu aufgerufen hat | |
ein Bündnis aus acht Organisationen und Initiativen, darunter die | |
Gewerkschaften GEW und Verdi, das Netzwerk Gute Arbeit in der Wissenschaft | |
(NGAWiss) und das Bundesweite Netzwerk studentischer | |
Tarifvertragsinitiativen (TVStud). | |
An den beteiligten Hochschulen sind bis Freitag [1][Informations- und | |
Vernetzungstreffen, Podiumsgespräche oder Demonstrationen] geplant. Anlass | |
für die Aktionswoche ist laut dem Aufruf des Bündnisses „die stockende | |
Reform des Sonderbefristungsrechts für die Wissenschaft“. | |
Die Kritik zielt auf das sogenannte [2][Wissenschaftszeitvertragsgesetz] | |
(WissZeitVG), das seit 2007 in Kraft ist. Es erlaubt den Hochschulen, | |
Wissenschaftler:innen für je sechs Jahre vor und nach der Promotion | |
befristet anzustellen. Begründet wird das Sonderbefristungsrecht damit, | |
dass sich die Forscher:innen in dieser Zeit noch qualifizieren. | |
Zu welch prekären Arbeitsbedingungen die Befristungspraxis aber führt, | |
haben die Berichte von Forscher:innen unter dem Hashtag | |
[3][#IchBinHanna] gezeigt. Eine vor gut einem Jahr veröffentlichte | |
Evaluation des WissZeitVG legte offen, dass ein Drittel der befristeten | |
Arbeitsverträge an Universitäten und Forschungseinrichtungen nur 12 Monate | |
oder kürzer läuft. | |
## Ampel uneins | |
Im Koalitionsvertrag hat die Ampelregierung versprochen, das WissZeitVG zu | |
reformieren, um die Planbarkeit und Verlässlichkeit wissenschaftlicher | |
Karrieren zu verbessern. Nach massiver Kritik an den ersten Eckpunkten aus | |
dem Bundesbildungsministerium (BMBF) setzte sich der Parlamentarische | |
Staatssekretär Jens Brandenburg Ende März mit Vertreter:innen aus | |
Hochschulen, Gewerkschaften und außeruniversitären Forschungseinrichtungen | |
an einen Tisch, um über die nötigen Schritte zu beraten. | |
Am Dienstag nun stellte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger | |
(FDP) [4][einen entsprechenden Referentenentwurf] vor. Erneut war die | |
Kritik groß – dieses Mal auch von den Koalitionspartnern SPD und Grüne. | |
„Uns fehlen Maßnahmen, die die Hochschulen ernsthaft verpflichten, etwas am | |
System zu ändern“, fasst Lisa Janotta vom Netzwerk Gute Arbeit in der | |
Wissenschaft die Kritik zusammen. So führe der Stark-Watzinger-Entwurf zwar | |
Mindestvertragslaufzeiten für Promovierende und Postdocs ein. Die aber | |
seien nur eine Soll-, keine Mussvorgabe. Außerdem betrage die | |
durchschnittliche Promotionszeit mit 5,7 Jahren deutlich länger als so ein | |
Arbeitsvertrag. | |
Auch bei der Entfristung von Arbeitsverträgen seien die Hochschulen zu | |
nichts verpflichtet. Der BMBF-Entwurf sieht vor, dass Forscher:innen | |
nach der Promotion noch vier Jahre (statt bisher sechs) befristet | |
angestellt werden dürfen – danach nur mehr mit der Aussicht auf | |
Entfristung. Allerdings bleibt es den Hochschulen überlassen, ob sie mehr | |
unbefristete Stellen schaffen oder nicht. | |
Die Organisator:innen der Aktionswoche befürchten, dass sich durch | |
die geplante Reform des WissZeitVG der Druck auf die | |
Wissenschaftler:innen weiter erhöht. Sollte der BMBF-Entwurf in der | |
jetzigen Fassung beschlossen werden, müssten Nachwuchsforscher:innen | |
statt in zwölf Jahren bereits in zehn Jahren ihren Hut in den Ring werfen – | |
ohne neue Dauerstellen neben der Professur dürfte das ihre Chance kaum | |
erhöhen. | |
## Druck auf Postdocs | |
Vor allem für die Postdocs würde das zum Problem, sagt Janotta. Allen voran | |
Forscher:innen mit Care-Aufgaben, Behinderungen oder unsicherem | |
Aufenthaltsstatus. Janotta beobachtet an ihrer Universität, wie sehr | |
Postdocs für alle möglichen Aufgaben eingespannt wird und wie wenig sie zu | |
ihrer eigenen Forschung kommt. „Bei uns betreuen Postdocs Masterarbeiten | |
und Praktika, erstellen die Lehrpläne oder kümmern sich um die | |
Studienfachberatung.“ Künftig müssten sie dann zu solchen Aufgaben nein | |
sagen, wenn sie sich eine Chance auf eine der wenigen unbefristeten Stellen | |
wahren wollten. | |
Das Aktionswoche-Bündnis fordert unter anderem längere und verbindliche | |
Vertragslaufzeiten für Promovierende (mindestens vier Jahre) sowie eine | |
Entfristung bei denen, die die Promotion in der Tasche haben (oder | |
zumindest einen Vertrag mit Aussicht auf Entfristung). Um die hohe | |
Befristungsquote im akademischen Mittelbau zu senken, mahnt das Bündnis | |
eine höhere Grundfinanzierung der Hochschulen und mehr Dauerstellen auch im | |
Drittmittelbereich an. Aktuell werden Forscher:innen in | |
Drittmittelprojekten nur für die Dauer der Projektlaufzeit angestellt, oft | |
auch kürzer. | |
Eine weitere Forderung des Bündnisses richtet sich an den | |
Arbeitgeberverband Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Diese soll | |
Tarifverträge für studentische Hilfskräfte abschließen. Eine Befragung von | |
11.000 studentischen Hilfskräften durch das Institut „Arbeit und | |
Wirtschaft“ der Universität Bremen im vergangenen Jahr hat ergeben, dass | |
Vertragslaufzeiten von einem halben Jahr die Regel seien – mit Ausnahme von | |
Berlin, dem bisher einzigen Bundesland mit einem Tarifvertrag für | |
studentische Beschäftigte. | |
Das Aktionswoche-Bündnis fordert bundesweite Vertragslaufzeiten von | |
mindestens zwei Jahren. Der Referentenentwurf aus dem BMBF sieht hier eine | |
Mindestlaufzeit von einem Jahr vor. Laut der bundesweiten TVStud-Kampagne | |
stehen die Aussichten für studentische Hilfskräfte nicht so schlecht. Acht | |
Landesregierungen unterstützen die Forderung nach einem Tarifabschluss, | |
zwei weitere Länder sind bereit für Verbesserungen. | |
12 Jun 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://padlet.com/mail5329/action-week-june-12th-16th-notmywisszeitvg-tvst… | |
[2] /Arbeitsbedingungen-an-Unis/!5939173 | |
[3] /Arbeitsbedingungen-in-der-Wissenschaft/!5776997 | |
[4] /Arbeitsbedingungen-an-Unis/!5939173 | |
## AUTOREN | |
Ralf Pauli | |
## TAGS | |
prekäre Beschäftigung | |
Bettina Stark-Watzinger | |
Wissenschaft | |
Universität | |
Arbeitskampf | |
Wissenschaftler | |
Hamburg | |
Studierende | |
Prekäre Arbeit | |
Hochschule | |
Wissenschaft | |
Parität | |
Studierende | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Zeitverträge in der Wissenschaft: Schluss mit der Befristung? | |
Wissenschaftler*innen hangeln sich von Kurzzeitvertrag zu | |
Kurzzeitvertrag. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz soll die | |
Arbeitsbedingungen verbessern. | |
Warnstreik der studentischen Hilfskräfte: Jung und prekär beschäftigt | |
Die Hamburger Hochschulen versprechen attraktive Arbeitsbedingungen in der | |
Wissenschaft. Ausgenommen sind studentische Hilfskräfte. | |
Arbeitskampf an Hochschulen: Bündnis will Tariflücke schließen | |
Nur in Berlin gibt es Tarifverträge mit studentischen Hilfskräften. Der | |
Druck steigt, dass sich das in anderen Bundesländern ändert. | |
Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft: Lange Nacht mit prekärer Forschung | |
Beschäftigte an den Unis wollen mit Protestaktionen zur Langen Nacht der | |
Wissenschaften auf ihre schlechten Arbeitsbedingungen aufmerksam machen. | |
Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft: Der Uni-Nachwuchs strampelt weiter | |
Das neue Wissenschaftszeitgesetz kommt den Hochschulen zu sehr entgegen. | |
Diese werden junge Mitarbeiter:innen weiter hängen lassen, nur etwas | |
kürzer. | |
Arbeitsbedingungen an Unis: Klarheit nach sechs und vier Jahren | |
Das Bundesbildungsministerium hat seine Pläne zur Reform des | |
Wissenschaftszeitvertragsgesetzes überarbeitet. Kritik gibt es von SPD und | |
Grünen. | |
Chancengleichheit an Unis: Der lange Weg zur Parität | |
Frauen fangen häufiger ein Studium an, doch nur jede vierte | |
Lehrstuhlinhaber*in ist weiblich. Das Professorinnenprogramm soll das | |
ändern. | |
Sozialerhebung des Studierendenwerkes: Ein Drittel lebt prekär | |
Die 22. Sozialerhebung des Deutschen Studierendenwerkes zeigt, wie sehr | |
Studierende mit steigenden Mieten und Lebenskosten kämpfen. |