# taz.de -- Arbeitsbedingungen an Unis: Klarheit nach sechs und vier Jahren | |
> Das Bundesbildungsministerium hat seine Pläne zur Reform des | |
> Wissenschaftszeitvertragsgesetzes überarbeitet. Kritik gibt es von SPD | |
> und Grünen. | |
Bild: Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger | |
BERLIN taz | Gut zwei Monate war es still um die Frage, wie die | |
Ampelregierung die Arbeitsbedingungen an Hochschulen verbessern will. Nach | |
der [1][umfassenden Kritik an ersten Eckpunkten] von | |
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) im März sollten die | |
Pläne zur Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) noch | |
mal „zurück in die Montagehalle“. | |
Am Dienstag nun stellte Stark-Watzinger vor, an welchen Stellen ihr | |
Ministerium noch geschraubt hat. „Vier Jahre nach der Promotion spätestens | |
sollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wissen, ob sie dauerhaft im | |
System bleiben können oder nicht“, nannte Stark-Watzinger die zentrale | |
Neuerung. „Eine weitere Befristung von zwei Jahren ist dann nur mit | |
Anschlusszusage möglich.“ | |
Damit folgt das Bundesbildungsministerium (BMBF) im Westlichen dem | |
Vorschlag der Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die so ein | |
„4+2-Modell“ ins Spiel gebracht hatten. Die bisherige Regelung erlaubt eine | |
Befristung sechs Jahre vor und sechs Jahre nach der Promotion. | |
Weiter sieht der BMBF-Entwurf erstmalig Mindestvertragslaufzeiten für | |
Promovend:innen (drei Jahre) und so genannte Postdocs für die Phase | |
nach der Promotion (zwei Jahre) vor. Zudem sollen Maßnahmen zur besseren | |
Vereinbarkeit von Familie und Beruf künftig auch für Forscher:innen | |
gelten, die über Drittmittelprojekte angestellt sind. Die Tarifsperre soll | |
zumindest in Teilen fallen. | |
## Ampel uneins | |
Stark-Watzinger räumte ein, dass die Vorstellungen über die konkreten | |
Reformpunkte bei den beteiligten Akteuren stark auseinanderliegen – auch | |
innerhalb der Regierung: SPD und Grüne hätten den Referentenentwurf nicht | |
in allen Punkten gutgeheißen. Die Details für die WissZeitVG-Novelle würden | |
daher im parlamentarischen Prozess geklärt. Im Frühjahr 2024 könnte die | |
Reform beschlossen werden. | |
Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Nina Stahr, | |
sieht an mehreren Stellen Korrekturbedarf. Sie habe sich unter anderem | |
dafür starkgemacht, „gemeinsam mit den Ländern zusätzliche Dauerstellen zu | |
schaffen und Befristungshöchstquoten zu verankern“. Stark-Watzinger sieht | |
hier jedoch die Länder und die Hochschulen selbst in der Pflicht. Vor allem | |
bemängeln die Grünen, dass promovierte Wissenschaftler:innen ähnlich | |
wie bisher auch über Jahre befristet werden können. Es sei unklar, wie das | |
Modell „Verlässlichkeit und Planbarkeit erhöhen“ könne, so Stahr, ohne d… | |
Druck auf die Betroffenen noch zu erhöhen. | |
Ähnlich formuliert es auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Carolin Wagner. | |
Sie lobte zwar die Anschlusszusage als „neues Werkzeug“ im Kampf für | |
verlässlichere Karrierewege. Ausschlaggebend sei für die SPD aber die | |
Frage, wann die Anschlusszusage greift. „Unserer Ansicht nach muss dies | |
zügig nach der Promotion erfolgen“, so Wagner. Hier fehlten verlässliche | |
Perspektiven für die Beschäftigten, dass dies tatsächlich zu mehr | |
entfristeten Stellen führt. | |
Enttäuscht von dem Entwurf äußerte sich das Netzwerk für Gute Arbeit in der | |
Wissenschaft (NGAWiss): „Die nun vorgeschlagene Aufteilung einer an sich | |
schon eher willkürlich gesetzten Grenze von sechs Jahren auf vier Jahre | |
Orientierung und zwei Jahre Bewährung ergibt inhaltlich überhaupt keinen | |
Sinn mehr“, so Mathias Kuhnt zum geplanten 4+2-Modell. Kuhnt befürchtet, | |
dass die Hochschulen mit dieser Regelung „einfach so weitermachen wie | |
bisher“ und keine Verantwortung für mehr Dauerstellen übernehmen. | |
Der einzige Unterschied sei, dass Forscher:innen das Ende dann schon | |
nach zehn statt bisher nach zwölf Jahren drohe. Auch GEW-Vorstand Andreas | |
Keller befürchtet, dass Postdocs nach Ablauf der Höchstbefristungsgrenze | |
„auf die Straße gesetzt oder auf weiteren Zeitverträgen in | |
Drittmittelprojekten eingesetzt“ werden. Die Anschlusszusage muss aus | |
seiner Sicht früher kommen. | |
Das WissZeitVG gibt den Hochschulen seit 2007 ein Sonderbefristungsrecht. | |
Kritiker:innen geben ihm eine Mitschuld an der hohen Befristungsquote | |
an deutschen Hochschulen. Nur 17 Prozent des wissenschaftlichen Personals | |
sind unbefristet angestellt. Die jüngste Evaluation des WissZeitVG hatte | |
ergeben, dass etwa ein Drittel bis ein Viertel der | |
Wissenschaftler:innen unter Kurzzeitverträgen unter einem Jahr leiden. | |
SPD, Grüne und FDP hatten unter anderem auch deshalb eine Reform | |
versprochen. | |
6 Jun 2023 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Pauli | |
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