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# taz.de -- Arbeitsbedingungen an Hochschulen: Bildungsministerium rudert zurü…
> Die Reformpläne zu Befristungen in der Wissenschaft stoßen auf heftige
> Kritik. Das Bundesbildungsministerium will die Pläne nun nochmal
> debattieren.
Bild: Die Arbeitsbedingungen an den Unis haben sich für Post-Docs nach dem Ent…
Berlin taz | Dass die Proteste so schnell Wirkung zeigen, dürfte wohl
selbst die Beteiligten überraschen. Am Freitag hatte das
Bundesbildungsministerium (BMBF) seine Pläne vorgestellt, wie es die
Arbeitsbedingungen für Nachwuchswissenschaftler:innen verbessern
möchte – und damit [1][für große Aufregung in den sozialen Medien] gesorgt.
Am Sonntagabend dann zog das Ministerium die Reißleine.
Gleich zwei Staatssekretär:innen aus dem BMBF kündigten auf Twitter
an, die Pläne debattieren zu wollen – zwei Tage nachdem sie vorgestellt
worden waren. Die vorgelegten Eckpunkte hätten eine Diskussion ausgelöst,
„die wir sehr ernst nehmen“, schrieb Jens Brandenburg. „Umso wichtiger ist
uns, diese Frage vor Fertigstellung des Referentenentwurfs noch einmal zu
debattieren. Wir werden kurzfristig dazu einladen.“
Amtskollegin [2][Sabine Döring] teilte mit, dass die Eckpunkte „zurück in
die Montagehalle“ gehen werden. Am Montag bestätigte ein Sprecher des
Ministeriums, dass es eine neue Beratung zum Referentenentwurf geben werde.
[3][Besonders umstritten ist], wie lange Wissenschaftler:innen
befristet angestellt sein dürfen. Die bisherige Regel erlaubt sechs Jahre
vor und nach der Promotion. Diese arbeitsrechtliche Besonderheit geht auf
das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) aus dem Jahr 2007 zurück.
## Ampel will helfen
Kritiker:innen sehen in dem Gesetz allerdings den Grund für [4][prekäre
Arbeitsbedingungen an Hochschulen] – inklusive Kettenverträgen, eine große
Abhängigkeit vom jeweiligen Lehrstuhlinhaber und eine große Unsicherheit
bei der Zukunftsplanung. Auch wegen der Berichte Hunderter Betroffener
unter dem [5][Hashtag #IchBinHanna] hatte die Ampelregierung eine baldige
Reform des WissZeitVG versprochen.
Am Freitag stellte Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) nun
die Eckpunkte für die Reform vor. Um die Arbeitsbedingungen an Hochschulen
zu verbessern, sollen Doktorand:innen und Postdoktorand:innen
künftig eine Mindestvertragslaufzeit über drei respektive zwei Jahre
erhalten. Dies soll auch für Stellen gelten, die aus Drittmitteln bezahlt
sind. Zudem soll die Dauer der Befristung insgesamt sinken, von maximal 12
auf 9 Jahre. Konkret sollen Wissenschaftler:innen nach der Promotion
künftig nur mehr 3 Jahre befristet angestellt sein dürfen.
Besonders dieser letzte Punkt aber stößt auf Kritik. Denn für Forschende
hätte er zur Folge, dass sie künftig nach der Promotion drei Jahre weniger
Zeit hätten, auf eine der wenigen unbefristeten Stellen an Hochschulen zu
kommen. Momentan sind das im akademischen Mittelbau gerade mal 15 Prozent.
Eine „Verschlimmbesserung der bisherigen Lage“ seien die Pläne, heißt es …
einem Protestbrief, den mehrere Hundert Professor:innen unterzeichnet
haben. In der sogenannten Post-Doc-Phase müssten
Nachwuchswissenschaftler:innen schließlich [6][beruflich die Weichen
für einen Verbleib an der Uni stellen]. In nur drei Jahren sei das aber
kaum zu machen, zumal in der Zeit viele Forschende auch Väter und Mütter
würden.
## Warum keine festen Stellen?
Auch das Netzwerk für Gute Arbeit in der Wissenschaft warnt vor
katastrophalen Folgen, sollte die Höchstbefristungsdauer wie geplant auf 9
Jahre verkürzt werden. Zeitdruck und existenzielle Unsicherheit förderten
nur eine „Hyperproduktivität, die gründlicher und somit hochwertiger
Forschung und gut vorbereiteter Lehre abträglich sind“, heißt es in einer
Stellungnahme des Netzwerks.
Stattdessen fordert es, wie auch die Bildungsgewerkschaft GEW, die
Qualifizierungsphase mit der Promotion enden zu lassen. Promovierte
Wissenschaftler:innen dürften dann gar nicht mehr befristet angestellt
sein. Ein Vorschlag, den die Unis für nicht machbar halten.
Ob und wie grundlegend das BMBF den geplanten Referentenentwurf nun
umgestaltet, ließ ein Sprecher auf Anfrage offen. Der Entwurf soll aber wie
geplant vor der Sommerpause stehen, die Gesetzesänderung spätestens Anfang
2024 in Kraft treten. Der forschungspolitische Sprecher der
SPD-Bundestagsfraktion, Oliver Kaczmarek, lobte die Bereitschaft, auf die
harsche Kritik „nicht mit Verweigerung, sondern mit Diskussionsangeboten zu
reagieren“.
Seine Amtskollegin von der Linksfraktion, Petra Sitte, forderte die
Bundesregierung nun zu „ernsthaften Verhandlungen“ auf, um endlich zu
verlässlicheren und langfristigen Beschäftigungsverhältnissen an
Hochschulen zu kommen.
20 Mar 2023
## LINKS
[1] https://twitter.com/hashtag/WissZeitVG?src=hashtag_click
[2] https://twitter.com/JBrandenburgFDP/status/1637498853472579584?s=20
[3] /GEW-zur-Wissenschaftlerfoerderung/!5922687
[4] /DAAD-Praesident-ueber-Gleichstellung/!5882832
[5] /Arbeitsbedingungen-in-der-Wissenschaft/!5776997
[6] /Arbeitsbedingungen-an-Hochschulen/!5776892
## AUTOREN
Ralf Pauli
## TAGS
Hochschule
prekäre Beschäftigung
Wissenschaft
Befristung
Bafög
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