| # taz.de -- Zeitverträge in der Wissenschaft: Schluss mit der Befristung? | |
| > Wissenschaftler*innen hangeln sich von Kurzzeitvertrag zu | |
| > Kurzzeitvertrag. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz soll die | |
| > Arbeitsbedingungen verbessern. | |
| Bild: Demonstration der Gewerkschaft ver.di am Campus Poppelsdorf der Universit… | |
| Berlin dpa | Junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen besser | |
| vor kurz laufenden Arbeitsverträgen und immer neuen Befristungen geschützt | |
| werden. Das Bundeskabinett in Berlin hat dazu am Mittwoch über Änderungen | |
| des sogenannten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes auf den Weg gebracht. Die | |
| Pläne werden von Betriebsräten, Gewerkschaften und Studierendenvertretern | |
| zwar teilweise unterstützt, aber auch scharf kritisiert. Sie bezweifeln, | |
| dass sich für Nachwuchswissenschaftler dadurch spürbar etwas ändert. | |
| Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz regelt seit 2007 die Frage von | |
| Befristungen von Arbeitsverträgen für wissenschaftliches und künstlerisches | |
| Personal an staatlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Es steht | |
| schon lange in der Kritik, weil sich in der Praxis viele junge | |
| Forscherinnen und Forscher von einem befristeten Arbeitsvertrag zum | |
| nächsten hangeln müssen. Wer sich in einer bestimmten Zeit keine der | |
| begehrten Professuren oder eine der anderen unbefristeten Stellen gesichert | |
| hat, muss anderswo unterkommen. Unter dem [1][Hashtag „IchBinHanna“] machen | |
| Betroffene seit längerem im Netz auf ihre Situation aufmerksam. | |
| Befristungen an sich hält das Bundesbildungsministerium zwar für sinnvoll, | |
| damit junge Wissenschaftler nachrücken können und es eine gewisse | |
| Fluktuation gibt. Aber, so argumentiert es in seinem Gesetzentwurf auch: | |
| Der Anteil an Kurzzeitverträgen sei immer noch hoch. Mindestens jeder | |
| dritte befristete Vertrag an Hochschulen und jeder vierte an | |
| außeruniversitären Forschungseinrichtungen hat demnach sogar nur eine | |
| Laufzeit von weniger als einem Jahr. Für Betroffene bedeutet das fehlende | |
| berufliche Sicherheit und keine Planbarkeit auch mit Blick auf die | |
| Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Besonders attraktiv sind Arbeitsplätze | |
| in der Wissenschaft in Zeiten des Fachkräftemangels damit auch nicht. | |
| Mit der Reform sollen nun Mindestvertragslaufzeiten eingeführt werden. Der | |
| erste Arbeitsvertrag vor der Promotion – also vor dem Dr.-Titel – muss in | |
| der Regel eine Laufzeit von mindestens drei und nach der Promotion in der | |
| sogenannten Post-Doc-Phase von mindestens zwei Jahren haben. Post-Docs | |
| sollen außerdem künftig für maximal vier Jahre befristet beschäftigt werden | |
| dürfen. Bisher waren es sechs Jahre. Weitere zwei Jahre sollen dann nur | |
| noch mit verbindlicher Zusage für eine anschließende unbefristete Stelle | |
| zulässig sein. Innerhalb dieser zwei Jahre müssen vorher gemeinsam | |
| definierte Forschungsziele erreicht werden. | |
| ## Verbesserung auch für Studierende | |
| „Attraktive Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft sind ein entscheidender | |
| Faktor dafür, im Wettbewerb um die klügsten Köpfe talentierte junge | |
| Menschen für Wissenschaft und Forschung zu gewinnen. Das Gesetz ist dafür | |
| ein wichtiger Baustein“, sagte Bundesforschungsministerin Bettina | |
| Stark-Watzinger am Mittwoch. | |
| Auch für studentische Beschäftigte soll sich etwas ändern: Sie dürfen | |
| künftig bis zu acht Jahre (bisher maximal sechs) befristet beschäftigt | |
| werden, damit sie sich bei Überschreitung der Regelstudienzeit zum | |
| Studienende nicht noch einen neuen Nebenjob suchen müssen. Und eine | |
| Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr soll mehr Verlässlichkeit schaffen. | |
| Bisher liefen Verträge nach Ministeriumsangaben im Schnitt über ein knappes | |
| halbes Jahr und wurden immer wieder verlängert. | |
| Das Gesetz muss nach dem Kabinettsbeschluss noch durch Bundestag und | |
| Bundesrat, was mehrere Wochen dauern dürfte. Zustimmungsbedürftig ist es im | |
| Bundesrat nicht. Termine für die Beratungen in Parlament und Länderkammer | |
| stehen noch nicht fest. In Kraft treten soll das Gesetz erst ein halbes | |
| Jahr nachdem es beschlossen und im Bundesgesetzblatt verkündet ist, damit | |
| die Hochschulen sich darauf einstellen können. Laufende Verträge bleiben | |
| außerdem unberührt von den Neuregelungen, heißt es. | |
| Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Betriebsräten und Studierendenvertretern | |
| begrüßt zwar die geplanten Mindestvertragslaufzeiten, kritisiert aber die | |
| geplante Verkürzung der Befristungsdauer nach der Promotion von sechs auf | |
| vier Jahre. Dies [2][schade den Wissenschaftlern], „die in der Rush Hour | |
| des Lebens in höchstem Konkurrenzdruck von Befristung zu Befristung eilen“, | |
| heißt es in einer gemeinsamen Erklärung unter anderem von Deutschen | |
| Gewerkschaftsbund, Verdi und den Gesamtbetriebsräten der Fraunhofer- und | |
| Max-Planck-Gesellschaften. Sie fordern eine unbefristete Beschäftigung nach | |
| der Promotion oder eine verbindliche Zusage zur Entfristung bei Erfüllung | |
| festgelegter Kriterien. | |
| Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Beschäftigten im | |
| Wissenschaftsbetrieb bei Tarifverträgen größtenteils außen vor bleiben. Das | |
| Wissenschaftszeitvertragsgesetz erlaubt zwar Abweichungen von seinen Regeln | |
| durch Tarifverträge. Die Möglichkeiten bleiben aber auch nach der Reform | |
| begrenzt. „Gewerkschaften und Arbeitgeber müssen Verbesserungen für die | |
| Beschäftigten aushandeln dürfen – so wie in anderen Branchen auch“, forde… | |
| die Arbeitnehmervertreter. Sie nennen sprechen von einer „Tarifsperre“. | |
| Nach Daten des Bundesbildungsministeriums waren 2022 an staatlichen | |
| Hochschulen von insgesamt 227.000 hauptberuflich wissenschaftlich und | |
| künstlerisch Beschäftigten 178.000 befristet angestellt. | |
| 27 Mar 2024 | |
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