| # taz.de -- Korruption in afrikanischen Staaten: Identitätsstiftender Kampf | |
| > In diversen Ländern Afrikas haben Menschen gelernt, mit Korruption zu | |
| > leben. Nun steht das Phänomen aber im Zentrum der staatlichen | |
| > Aufmerksamkeit. | |
| Bild: Ruandas Präsident Paul Kagame bei einem Gedenkmarsch für die Opfer des … | |
| Ein gutes Unterscheidungsmerkmal für die Staaten Ostafrikas ist die | |
| (In-)Toleranz von Korruption. Am einen Ende steht Ruanda, dessen Präsident | |
| Paul Kagame keinen Spaß versteht: Korruption würde dringend benötigtes Geld | |
| für die Überwindung der Traumata des Völkermordes versickern lassen und | |
| auch die zerbrechliche Balance des Machtsystems gefährden, das Kagame im | |
| vergangenen Vierteljahrhundert aufgebaut hat. Es gibt in Ruanda für | |
| Korruption schlicht keinen Platz. | |
| Am anderen Ende steht Südsudan, wo politische und militärische Anarchie | |
| alles im Griff hält, die Hälfte der Bevölkerung auf der Flucht ist und | |
| Korruption als Luxusgedanke erscheint. | |
| Burundi und die Demokratische [1][Republik Kongo stehen Südsudan näher als | |
| Ruanda]. In Burundi hat Korruption System. Es ist sehr klein und als vor | |
| einigen Jahren [2][der Präsident an Covid-19 starb], nahm die Welt kaum | |
| davon Notiz. Das Land hat 12 Millionen Menschen in Armut und um die zwölf | |
| Millionäre, die jeweils einen Fußballverein besitzen. | |
| Systemische Korruption prägt auch die Demokratische Republik Kongo, | |
| [3][eine Ansammlung von Warlords], die 100 Millionen Menschen regieren. Es | |
| ist so dezentral, dass es keine Straßen- und Schienenverbindungen zwischen | |
| den einzelnen Landesteilen gibt, und korrupte lokale Amtsträger leben von | |
| der Besteuerung ausländischer Bergbaufirmen. | |
| ## In Kenia hängt die Entwicklung von Menschen ab | |
| Kenia, Uganda und Tansania befinden sich auf dieser Skala irgendwo in der | |
| Mitte. In Tansania haben offizielle Untersuchungen schockierende Vorgänge | |
| ans Licht befördert. Die sonst mütterliche Präsidentin Samia Suluhu griff | |
| zu undruckbaren Worten, als sie von einem Frachtflugzeug erzählte, das | |
| Boeing für 27 Millionen US-Dollar bauen sollte und für das die Regierung 86 | |
| Millionen bezahlte. Sie feuerte sofort den Chef der Luftfahrtbehörde. Die | |
| Präsidentin umwirbt nämlich die anderen Länder Ostafrikas mit | |
| Milliardenverträgen. | |
| Ostafrikas Wirtschaftsgigant Kenia, bedroht durch Tansanias Aufholjagd, | |
| wurde lange von korrupten Familienoligarchien regiert. Die Wahl des aus | |
| armen Verhältnissen aufgestiegenen Präsidenten William Ruto 2022 sollte das | |
| ändern, aber nun gibt es [4][Proteste gegen Ruto], die sich auch gegen | |
| Kenias Oligarchen richten, etwa Oppositionsführer Raila Odinga, dessen | |
| Besitztümer verwüstet wurden, obwohl er selbst zu den Protesten aufgerufen | |
| hatte. | |
| Kenia hat kaum natürliche Reichtümer. Seine Entwicklung hängt von | |
| menschlichen Ressourcen ab, also Bildung und gute Dienstleistungen. Ein | |
| Kenia voller wütender Massen ist nicht attraktiv. Ruto verhandelt nun mit | |
| Odinga – es ist offen, ob das die Korruption reduziert. | |
| ## Korruption im Zentrum der staatlichen Aufmerksamkeit | |
| Am dramatischsten ist der Kampf gegen Korruption in Uganda. Gegen mehr als | |
| ein Viertel der über 70 Kabinettsmitglieder wird wegen des Diebstahls | |
| staatlich gekaufter Wellblechdachplatten ermittelt. Die sollten in der | |
| bitterarmen Region Karamoja an marodierende Viehdiebe verteilt werden, | |
| damit sie Häuser bauen und sich friedlich niederlassen. | |
| Nun bekommen sie keine Häuser und machen weiter – sie sind bestens | |
| vernetzt, weil sie immer Abnehmer in der Fleischindustrie finden. Dabei ist | |
| Karamoja voller Gold, Edelsteine und seltener Erden. Manche Dachdiebe | |
| zeigen nun Reue: Ein Minister gab seine abgezweigten Wellblechdächer wieder | |
| zurück, aber ärgerte dadurch seine Kirche, der er sie bereits versprochen | |
| hatte. | |
| Auffällig ist, dass überall das Phänomen der Korruption, mit dem die | |
| Menschen längst zu leben gelernt haben, nun im Zentrum der staatlichen | |
| Aufmerksamkeit steht. Es bleibt offen, ob dieses Phänomen nun verschwindet | |
| oder einfach für eine Weile unsichtbarer wird. | |
| Aus dem Englischen von Dominic Johnson | |
| 25 Apr 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| joachim buwembo | |
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