| # taz.de -- UN-Konferenz zur Hochsee: Gesetze für die Ozeane | |
| > Gleich zwei internationale Konferenzen wollen dem rechtsfreien Raum | |
| > Hochsee Regeln geben. Eine Studie bremst die Euphorie für den | |
| > Tiefseebergbau. | |
| Bild: Nauru: irgendwo im Pazifik, nordöstlich von Papua-Neuguinea | |
| Wie lässt sich der Reichtum der Ozeane schützen und nutzen? Das ist Thema | |
| von gleich zwei wichtigen UN-Konferenzen. Ab diesem Montag geht es in New | |
| York um das globale Abkommen zum Schutz der Biodiversität auf Hoher See | |
| (BBNJ). Es soll regeln, wie mit genetischen Ressourcen der Meere geforscht | |
| und gearbeitet werden und wer daran verdienen darf. Außerdem, ob und wie | |
| auf 30 Prozent der Hochseefläche Schutzgebiete eingerichtet werden können. | |
| Und wie genau vor Eingriffen geprüft wird, welche Umweltfolgen etwa Bergbau | |
| oder Fischfang haben und wie Wissen und Technologie fair ausgetauscht | |
| werden können. [1][Dem bislang rechtsfreien Raum Hochsee Regeln geben] – | |
| das wäre ein „historischer Durchbruch“, heißt es aus dem | |
| Bundesumweltministerium, für das der Meeresbeauftragte Sebastian Unger in | |
| New York verhandelt. | |
| Dort stehen dieselben Themen auf der Agenda, [2][die auf der großen | |
| UN-Naturkonferenz in Montreal im Dezember geregelt wurden] – diesmal für | |
| die Meere. Das Abkommen sei eine Art „Klammer zwischen dem | |
| Naturschutz-Abkommen und dem Seerechtsübereinkommen“, sagt Alexander | |
| Proelß, Professor für internationales See- und Umweltrecht an der Uni | |
| Hamburg. | |
| Rohstoffexperten und Umweltverbände schauen gespannt nach Jamaika, weil die | |
| Staaten dort unter anderem Regeln für den Tiefseebergbau finden müssen. | |
| Dafür wurden bislang zwar weltweit 31 Lizenzen vergeben, es wurde viel | |
| geforscht und entwickelt. Nun will mit der Firma Nori, einer Tochter der | |
| kanadischen Metals Company, aber erstmals ein Unternehmen konkret mit dem | |
| kommerziellen Abbau der metallreichen Manganknollen beginnen. Im | |
| vergangenen Jahr hat Nori mit Robotertechnik rund 3.000 Tonnen | |
| Manganknollen vom Meeresboden gehoben. Welche Auswirkungen das auf die | |
| Meeresumwelt hatte, wird derzeit untersucht. | |
| Die Firma hat ihren Sitz auf dem Inselstaat Nauru, mitten im Pazifik | |
| nordöstlich Papua-Neuguineas. Dort will Nori eine Abbaulizenz beantragen. | |
| Also hat Nauru eine in dem Abkommen verankerte Fristenregelung gezogen: | |
| Wenn bis Juli 2023 keine speziellen Vorschriften für den Tiefseebergbau | |
| vorliegen, kann sie die Genehmigung ohne sie beantragen. Die | |
| Bundesregierung fährt mit dem Wunsch nach einem Moratorium nach Kingston. | |
| Bevor der Tiefseebergbau startet, sollen Risiken für die Ökosysteme | |
| ausreichend erforscht sein und strenge Abbauregularien vorliegen. | |
| Allerdings hält die dem Bundeswirtschaftsministerium unterstellte | |
| Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ihrerseits zwei | |
| Explorationslizenzen und erforscht im Ostpazifik seit 2006 das | |
| Rohstoffvorkommen und die Umweltbedingungen in der Tiefsee. Nach der | |
| Verlängerung des ursprünglich auf 15 Jahre angelegten Projekts um 5 Jahre | |
| untersucht die Behörde nun insbesondere die Umweltauswirkungen eines | |
| zukünftigen Knollenabbaus. | |
| In welchem Maß ein mögliches Hochseeschutzabkommen auch die auf Grundlage | |
| des UN-Seerechtsübereinkommens verhandelten Regelungen über den | |
| Tiefseebodenbergbau beeinflussen würde, sei noch nicht ausgemacht, sagt | |
| Jurist Proelß. Soll heißen: Auch, wenn in New York Regelungen für die | |
| Ausweisung von Schutzgebieten in internationalen Meeresgewässern | |
| beschlossen würde, stünde dies einem künftigen Tiefseebodenbergbau nicht | |
| generell entgegen. Trotzdem sei ein rechtlicher Rahmen wichtig, so Proelß, | |
| „weil es bislang für die Hohe See zu wenig greifbare Umweltvorgaben gibt“. | |
| ## Elektroautos brauchen keinen Tiefseebergbau | |
| Auch Greenpeace-Meeresexperte Till Seidensticker hält es für dringend | |
| nötig, „Voraussetzungen für Schutzzonen auf Hoher See zu schaffen“, etwa | |
| eine Institution, die die Zonen ausweist und überwacht. Die UN verhandeln | |
| darüber schon seit 20 Jahren, „jetzt hoffen wir auf einen Durchbruch“. | |
| Tiefseebergbau und Fischfang mit Grundschleppnetzen zerstörten den | |
| Meeresboden. „Man pflügt ihn um und zerstört damit das komplette | |
| Ökosystem“, sagt Seidensticker. Die Folgen seien unwägbar, weil der | |
| Meeresboden in 4.000 bis 5.000 Meter Tiefe kaum erforscht sei. „In welchem | |
| Zusammenhang steht er mit dem Klimasystem? Welche Rolle spielen | |
| Mangan-knollen für Lebewesen wie Schwämme? Wie schnell erholen sie sich | |
| nach Störungen?“ Das seien alles offene Fragen. „Wie wichtig die Böden an | |
| Land für Klima und biologische Vielfalt sind, haben wir auch erst spät | |
| verstanden“, sagt Seidensticker. | |
| Ob der Bergbau volkswirtschaftlich überhaupt sinnvoll ist, stellt eine | |
| Studie infrage, die Greenpeace am heutigen Montag veröffentlicht hat. | |
| Demnach sei er – entgegen den Aussagen einiger Investoren – nicht von | |
| entscheidender Bedeutung für die Rohstoffsicherung der grünen Energiewende. | |
| Laut der Studie „Wettlauf um die Metalle der Tiefsee“, die das Freiburger | |
| Öko-Institut für Greenpeace erstellt hat, könnte der Abbau der | |
| Tiefseeknollen zwar Mangan, Kupfer, Kobalt, Nickel und möglicherweise auch | |
| Molybdän liefern. | |
| Weltmarktrelevante Mengen wären aber nur für Mangan, Kobalt und Nickel | |
| möglich – und das auch erst nach 2030. Zwar würden diese Rohstoffe für die | |
| Herstellung heutiger Lithium-Ionen-Batterien verwendet. Hier sei aber ein | |
| klarer Trend weg von Kobalt und zum Teil auch Nickel erkennbar, so die | |
| Studie. Bei Mangan sei in Bezug auf die Batterieproduktion keine Knappheit | |
| zu erwarten: Bislang machten Lithium-Ionen-Batterien nur 0,2 Prozent des | |
| Bedarfs aus. Selbst bei großen Produktionssteigerungen stünde noch genügend | |
| Mangan zur Verfügung. „Die eingängige Behauptung, die Knollen würden als | |
| Rohstoffquelle für die künftige Lithium-Ionen-Batterieproduktion benötigt, | |
| ist irreführend“, schreiben die Autoren. Zudem lieferten die Metallknollen | |
| weder Lithium noch Grafit – doch dies seien die beiden | |
| versorgungskritischsten Batterierohstoffe. Zusammengefasst: Der Bau von | |
| Windrädern, PV-Anlagen und Elektroautos erfordert keinen Bergbau in der | |
| Tiefsee. | |
| 20 Feb 2023 | |
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| [1] /UN-Ozeankonferenz-in-New-York/!5411961 | |
| [2] /Artenschutzkonferenz-in-Montreal/!5900621 | |
| ## AUTOREN | |
| Heike Holdinghausen | |
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