# taz.de -- Wissensort Alfred-Wegener-Institut: Die Zukunftsforscher*innen | |
> Wissenschaft gegen den Klimawandel: Das Alfred-Wegener-Institut | |
> Bremerhaven ist eines der wichtigsten marin orientierten Institute für | |
> Polarforschung. | |
Bild: Unterwegs in der Antarktis: der Eisbrecher „Polarstern“ des Alfred-We… | |
BREMEN taz | Die Forscher*innen des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- | |
und Meeresforschung in Bremerhaven (AWI) wollen „Prozesse im System Erde | |
entschlüsseln“ – wie wahrscheinlich alle Wissenschaftler*innen. Geht es um | |
[1][Ozeane und Eis], die Räume, in denen sich das AWI bewegt, sind wohl | |
selbst die meisten Laien angefixt. Doch inzwischen geht es um weit mehr als | |
das reine Verstehen und die Faszination – es geht um nicht weniger als | |
„Zukunftsforschung“, heißt es auf der Webseite des AWI. | |
Denn mit der Klimakrise hat der Forschungsbereich an Bedeutung gewonnen: | |
Meere und Polregionen sind einerseits entscheidende Faktoren im globalen | |
Klimasystem, andererseits verändern sie sich, auch wegen der Nutzung durch | |
Menschen. Selbst dort, wo der Mensch selten einen Fuß hinsetzt, sind die | |
Auswirkungen groß. Doch nicht nur in der Arktis und in der Antarktis sind | |
Teams vom AWI unterwegs, auch in der Nordsee, also vor der eigenen Haustür, | |
wird geforscht. | |
Als Helmholtz-Zentrum gehört das AWI zur größten Wissenschaftsorganisation | |
Deutschlands. Es ist ein Aushängeschild der Stadt Bremerhaven – dabei waren | |
bei der Standortfrage bei der Gründung mehrere Städte interessiert. Doch | |
Kanzler Helmut Schmidt entschied sich für die Seestadt. Der SPD sei dank. | |
Das AWI ist benannt nach dem Polarforscher und Metereologen Alfred Wegener, | |
der mit seinen Überlegungen zur Kontinentalverschiebung Anfang des 20. | |
Jahrhunderts damalige Annahmen infrage stellte. Erst später wurde klar, | |
welch grundlegende Erkenntnisse er über die Plattentektonik gesammelt | |
hatte. Mit 50 Jahren kam Wegener bei seiner dritten Expedition in Grönland | |
ums Leben. | |
## Gründung wegen Unterzeichnung des Antarktisvertrags | |
Dass das AWI heute ein international anerkanntes Forschungszentrum für die | |
Meere und beide Polregionen ist, ist nicht selbstverständlich: Gegründet | |
wurde es 1980, mit einer Handvoll Mitarbeitenden in einem improvisierten | |
Büro, weil Deutschland 1979 den Antarktisvertrag unterzeichnet hatte. | |
Voraussetzung für den Beitritt in die Gemeinschaft war nämlich eigene | |
Forschung in der Antarktis. Im Jahr nach der Gründung wurde folgerichtig | |
eine Forschungsstation in der Antarktis eingeweiht, ein Jahr später | |
erweiterte der Eisbrecher „Polarstern“ das Team des AWI. | |
Für Gründungsdirektor Gotthilf Hempel ist das AWI heute „das bedeutendste | |
marin orientierte Institut für Polarforschung der Welt“. Rund 1.200 | |
Menschen arbeiten dort. Das Institut prägt nicht nur die Wahrnehmung | |
Bremerhavens nach außen, sondern auch das Stadtbild selbst: Das | |
Wegener-Haus am Alten Hafen hat die Form eines riesigen Schiffes, weitere | |
Gebäude liegen in der Stadt verteilt. Standorte des Instituts sind zudem | |
auf Helgoland, Sylt und in Potsdam, kooperiert wird auch mit der Uni | |
Oldenburg. | |
Ende Mai sorgte das AWI mit der Nachfolgerin ihres berühmtesten Schiffes | |
für positive Schlagzeilen. Denn der Haushaltsausschuss des Bundestages | |
hatte endlich die Mittel für den Bau der Polarstern II zugesichert. Seit | |
zehn Jahren in Planung, soll das Schiff die Polarstern ab 2027 in die Rente | |
entlassen. Mit den zwei Millionen Euro vom Bund kann das AWI als Betreiber | |
das mehrere Hundert Millionen Euro schwere Projekt nun ausschreiben. | |
Entdeckungen aus dem AWI erhalten regelmäßig große Aufmerksamkeit. Egal, ob | |
faszinierend – Forscher*innen entdeckten im Frühjahr die [2][größte | |
Eisfischkolonie der Welt] – oder schaurig: Laut einer aktuellen Studie ist | |
die Arktis so vermüllt wie eine durchschnittliche Stadt. | |
## Direktorin Antje Boetius findet klare Worte | |
Doch das AWI ist mehr als nur eine Forschungseinrichtung. Die | |
Expert*innen äußern sich immer wieder auch politisch. Gemeinsam mit der | |
Umweltorganisation WWF forderten sie im Februar die Vereinten Nationen auf, | |
ein Abkommen gegen Plastikmüll zu beschließen. | |
Zu diesem Auftreten trägt auch [3][Direktorin Antje Boetius] bei. Wann | |
immer sie gefragt wird, findet sie deutliche Worte zur Klimakrise und dem | |
Handlungsdruck, unter dem Gesellschaft und Politik stehen. „Wir haben keine | |
Wahl mehr“, sagte sie im vergangenen Sommer zum Bericht des | |
[4][Weltklimarates IPCC]. | |
Von der Kompetenz des Instituts und der Menschen dort profitieren nicht nur | |
Bremerhaven und damit auch das Land Bremen, sondern auch eben jener | |
Weltklimarat. An seinen Berichten arbeiten 15 Expert*innen aus | |
Deutschland beständig mit – unter anderem Meeresbiologe Hans-Otto Pörtner, | |
na klar, vom AWI. | |
18 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Korallensterben-in-Australien/!5843810 | |
[2] /Forscherin-ueber-sensationelle-Entdeckung/!5843518 | |
[3] /Meeresbiologin-ueber-Rettung-der-Ozeane/!5824944 | |
[4] /Aufruf-zum-Handeln-gegen-Klimakrise/!5831893 | |
## AUTOREN | |
Alina Götz | |
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