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# taz.de -- Die Deutsche Seewarte in Hamburg: Der Schatz der Seeleute
> Die Deutsche Seewarte wertete ab 1875 die Logbücher von Seeleuten aus, um
> Wissen über das Meer und das Wetter zu gewinnen. 1945 wurde sie zerbombt.
Bild: Die Deutsche Seewarte am Hamburger Hafen steht nicht mehr, ihre Forschung…
Bremen taz | Es war ein Schatz, den die Deutsche Seewarte geborgen hat. Ein
riesiger Datenschatz, der über Ewigkeiten wenig Beachtung gefunden hatte.
Strömungen, Windstärken, Luftdruck – all das war jahrhundertelang von
Seeleuten in Logbüchern gesammelt und dann liegengelassen worden. Die
Deutsche Seewarte trug ab 1875 diese Daten zusammen, um Wissen zu gewinnen
über die Wege, die Wasser und Luft im Meer und in der Atmosphäre nehmen,
über Hydrographie und Meteorologie.
Na gut, die erste war die Seewarte damit nicht; die Erkenntnis, dass die
Daten zusammengenommen ein Stück weit die Welt erklären können, war einem
amerikanischen Marineoffizier schon 30 Jahre zuvor gekommen, als er nach
einer Knieverletzung viel Zeit mit Logbüchern verbracht hatte.
International hatte man sich daher schon 1853 auf einheitliche Formulare
geeinigt, um Logbuchdaten austauschen zu können. Die Deutschen Staaten
waren noch mehr mit sich selbst beschäftigt und erstmal nicht dabei.
Langsam setzte sich aber auch hier die Idee durch. Einige Reeder und die
Handelskammern von Bremen und Hamburg gründeten privat ein Institut. In den
1870ern dann wurde die Norddeutsche zur Deutschen Seewarte und fortan
staatlich vom Kaiserreich finanziert.
Kapitäne, die ihr Logbuch bei den Wissenschaftlern der Deutschen Seewarte
abgaben, bekamen im Gegenzug exklusiv sogenannte „Segelanweisungen“ für die
nächste Überfahrt. Ein guter Tausch: reine Daten gegen echtes Wissen.
## Schiffe konnten ein Fünftel ihrer Reisezeit einsparen
Bald wurden die besten Routen auch als Bücher herausgebracht, ein Fünftel
ihrer Reisezeit konnten Schiffe so sparen. Genauso anwendungsbewusst zeigte
sich die Forschung zur Meteorologie: Die vielen Datenpunkte – man
profitierte von 1.500 Wetterstationen im Reich [1][und in den Kolonien] –
wurden in Hamburg nicht nur analysiert sondern auch grafisch aufbereitet:
Als Wetterkarte.
Nein, wer seine Forschungsergebnisse so unmittelbar verwertbar ans Volk
bringt, der muss keine Kürzungsdiskussionen fürchten. Grundlagenforschung
betrieb man trotzdem. Beteiligt war die Deutsche Seewarte schließlich an
nahezu allen deutschen Expeditionen jener Zeit – und hat so ihren Anteil an
der Einteilung der Welt in Klimazonen, an der Kartierung des
Mittelatlantischen Rückens, an der Entdeckung des Kontinentaldrifts. Alfred
Wegener war einige Jahre lang Vorstand der Deutschen Seewarte.
Die, die all das enthusiastisch erzählt, ist Katrin Kleemann. Seit dem
Sommer erforscht die Umwelthistorikerin am Deutschen Schifffahrtsmuseum die
Geschichte der Seewarte. 70 Jahre hat das Institut existiert, 77 Jahre ist
das jetzt her. Das Gebäude am Hügel über den Landungsbrücken wurde 1945
zerbombt, und ja, das war nur folgerichtig: Natürlich arbeitete das
Institut auch im Krieg anwendungsorientiert. Von hier wurde der
U-Boot-Krieg unterstützt. Im ersten wie im zweiten Weltkrieg vervielfachten
sich die Mitarbeiterzahlen.
Heute übernehmen [2][der Deutsche Wetterdienst] und das Bundesamt für
Seeschifffahrt und Hydrographie die Aufgaben der Seewarte. Manchmal meldet
sich sie sich auch selbst noch in der Gegenwart. So wie 2018, als eine
Australierin eine Flaschenpost fand: 1886 war sie ins Meer geworfen worden,
mit der Bitte an die Finder, sie an die Seewarte zurück zu schicken. Man
wollte so mehr über Meeresströmungen erfahren. Immerhin 600 der 5.000
Karten aus den Flaschen haben ihren Weg zurück nach Hamburg geschafft:
Gelungene Citizen Science.
12 Feb 2022
## LINKS
[1] /Kolonialgeschichte-in-Hamburg/!5037391
[2] /Besuch-beim-Deutschen-Wetterdienst/!5317185
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
Forschung
Deutsches Schifffahrtsmuseum Bremerhaven
Wissenschaftsgeschichte
Hamburg
Seefahrt
Schwerpunkt Klimawandel
Polarstern
Hexenverfolgung
Schwerpunkt Rassismus
Wetter
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