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# taz.de -- 50 Jahre Abtreibungsurteil „Roe vs. Wade“: War's das schon mit …
> In den USA wurde das Recht auf Abtreibung eingeschränkt. Nicht nur dort
> sind wir frauenrechtlich auf dem Weg zurück in die Steinzeit. Es reicht.
Bild: Abtreibungsgegner:innen vor dem Supreme Court in Washington im Sommer 2022
Dieses Wochenende hätten wir eine fette Party feiern können. Wir hätten
Madonna gehört [1][und Lizzo], wir hätten Heliumballons mit dem Symbol der
Frauenrechtsbewegung steigen lassen, um ein epochales Urteil in Sachen
Frauenrechte zu würdigen. Anlass der Party wäre das 50-jährige Jubiläum
einer Grundsatzentscheidung des Supreme Court der USA gewesen. Am 22.
Januar 1973 hatte sich im Fall „Roe v. Wade“ eine 22-jährige Texanerin
erfolgreich gegen das Abtreibungsverbot in ihrem Bundesstaat zur Wehr
gesetzt. Das Gericht verfügte damals, dass Frauen bis zur Lebensfähigkeit
des Fötus selbst darüber entscheiden dürfen, ob sie die Schwangerschaft
fortführen möchten oder nicht.
Das ist seit letztem Sommer Geschichte. Während sich das hiesige Parlament
nach langem Hin und Her wenigstens [2][zur Abschaffung des Werbeverbots für
Abtreibungen] durchringen konnte, entschied eine [3][durch Donald Trump
reaktionär gewordene Richter*innen-Riege], das [4][alte Urteil aufzuheben],
mit der dramatischen Folge, dass Abtreibungen [5][in zahlreichen
Bundesstaaten der USA] seitdem sehr eingeschränkt oder ganz verboten sind.
Doch man muss gar nicht so weit gucken, um das kalte Grausen zu kriegen:
Polen – Bayern. Moment, Bayern?!, werden Sie sich jetzt fragen. Sie haben
richtig gehört. Denn die Straffreiheit, die Paragraf 218a bis zur 12. Woche
nach Empfängnis gewährt, garantiert noch lange nicht, dass man unter
menschenwürdigen Bedingungen abtreiben darf. In Bayern, Baden-Württemberg
und Niedersachsen etwa gibt es aktuell viel zu wenig Ärzt*innen, die
Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Das bedeutet lange Wartezeiten, in
denen der Zellhaufen wächst und wächst. Weite Wege, ja vielleicht sogar die
Reise in eine niederländische Abtreibungsklinik. Und egal, wohin man fährt,
immer wieder stehen vor den Türen schon sogenannte Lebensschützer*innen,
die die notleidenden Frauen mit irgendeinem Schmarrn von Recht und Moral
und Religion vollquatschen.
Auch ich war mal in der Situation und ich kann Ihnen sagen, wer kein Kind
will, will kein Kind! Da ist es nachrangig, ob die Schwangerschaft durch
eine Panne bei der Verhütung oder durch Vergewaltigung entstanden ist. Ich
weiß noch, wie überrascht ich damals war. Der Gynäkologe sagte:
„Glückwunsch“, mir war zum Heulen zumute. Er sagte, wenn das so ist, könne
ich es auch wegmachen lassen, aber nur, wenn ich zuvor eine Beratungsstelle
aufsuchte. Bei Pro Familia gab es keinen Termin, also musste ich
ausgerechnet zu den Katholiken. Als die Beraterin mir den Wisch ausstellte,
war ich erleichtert. Dass ich ihn dann doch nicht gebraucht habe, weil sich
der Gynäkologe geirrt hatte, war Glück.
Manchmal habe ich Angst, dass dies die freieste Zeit gewesen ist, die wir
als Frauen erlebt haben. Denn wer das Selbstbestimmungsrecht von Frauen
über ihre – wohlgemerkt – eigenen Körper nicht akzeptiert oder gar wieder
zurücknimmt, dem ist alles zuzutrauen. Gerade wird wieder mehr als
deutlich, dass wir Frauen politischen Stimmungen viel stärker ausgesetzt
sind als die, die immer noch über uns herrschen: heteronormative Cis-Männer
und ihre widerlichen Steigbügelhalter*innen. Ist eine progressive Kraft an
der Macht, kriegen wir ein bisschen Luft zum Atmen. Haben
rechtskonservative Arschlöcher den Hut auf, kassieren sie den mühsam
erkämpften Fortschritt wieder ein.
Das fängt in den USA an und hört im Iran oder in Afghanistan auf, wo Frauen
nur noch als Schatten ihrer selbst existieren können, wenn sie nicht vom
Regime gefoltert und ermordet werden wollen. Es ist zum Heulen oder
Ausrasten oder beides gleichzeitig.
Doch statt gemeinsam gegen diese zunehmend düster werdenden Zeiten
anzukämpfen, stellen mehr und mehr Frauen ihr Kleinfamilien-Mutterglück bei
Instagram zur Schau – was zusammen mit dem Hype um die natürliche (würg!)
Geburt den Eindruck entstehen lässt, dass wir uns rasant in Richtung
Steinzeit bewegen.
Bleibt die Erkenntnis, dass Frauenrechte jeden Tag aufs Neue ausgefochten
werden müssen. Notfalls auch mit härteren Maßnahmen. Also nehmt eure
Griffel von unseren Körpern, oder wir vergessen später im Altenheim, eure
Windeln zu wechseln.
21 Jan 2023
## LINKS
[1] /Neues-Album-von-Soul-Saengerin-Lizzo/!5867555
[2] /Abschaffung-von-Paragraf-219a/!5863226
[3] /Proteste-wegen-Richterin-Barrett/!5721720
[4] /Oberstes-Gericht-in-den-USA/!5863159
[5] https://www.washingtonpost.com/politics/2022/06/24/abortion-state-laws-crim…
## AUTOREN
Anna Fastabend
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Kolumne Starke Gefühle
Schwerpunkt Abtreibung
Frauenrechte
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