# taz.de -- Abschaffung von Paragraf 219a: Bundestag für Recht auf Information | |
> Der Bundestag hat die Abschaffung des Informationsverbots für | |
> Abtreibungen beschlossen. Die Urteile gegen Ärzt*innen werden | |
> aufgehoben. | |
Bild: Hat geholfen: Protest gegen den Paragrafen 219a 2019 in Frankfurt | |
BERLIN taz | [1][Paragraf 219a Strafgesetzbuch] ist Geschichte: Am | |
Freitagmorgen stimmten im Bundestag die Fraktionen von SPD, FDP, Grünen und | |
Linken für die Abschaffung des Informationsverbots für | |
Schwangerschaftsabbrüche. Union und AfD stimmten dagegen, es gab keine | |
Enthaltungen. „Es ist Zeit für mehr Vertrauen in Ärztinnen und Ärzte, und | |
Zeit für mehr Informationsfreiheit für Frauen“, sagte Justizminister Marco | |
Buschmann (FDP). | |
Es ist der vorläufige Schlusspunkt einer etwa fünfjährigen Debatte über die | |
Frage, wer in welcher Form über Schwangerschaftsabbrüche informieren darf. | |
Angestoßen wurde diese, als im November 2017 [2][die Gießener | |
Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel] zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, | |
weil auf ihrer Webseite stand, dass und wie sie Schwangerschaftsabbrüche | |
durchführt – nach damaliger Rechtslage eine Straftat. Angezeigt hatten sie | |
Abtreibungsgegner*innen, die systematisch das Internet durchforsteten, um | |
Ärzt*innen zu drangsalieren. | |
Mit der Abschaffung sei „ein wichtiger Schritt zur Informationsfreiheit für | |
Betroffene beim Schwangerschaftsabbruch getan“, erklärte Hänel. Die | |
Medizinerin verfolgte die Debatte zusammen mit anderen angezeigten und | |
verurteilten Ärzt*innen von der Besuchertribüne des Bundestags. | |
## Bis zum Bundesverfassungsgericht | |
Allzu oft hätten sich ungewollt Schwangere auf der Suche nach Informationen | |
im Netz „durch die irreführenden Seiten der Abtreibungsgegner mit | |
widerlichen Bildern und unsäglichen Holocaustvergleichen quälen“ müssen. | |
Gemeint ist unter anderem die Webseite „Babykaust“, die Abtreinungen mit | |
dem Holocaust gleichsetzt und Ärzt*innen, die diese durchführen, namentlich | |
anprangert. | |
Gegen ihre Verurteilung zog Hänel durch die Instanzen bis zum | |
Bundesverfassungsgericht. Ihre Verfassungsbeschwerde ist dort anhängig. Nun | |
ist die Politik einer Entscheidung zuvorgekommen: Das am Freitag | |
beschlossene Gesetz sieht eine Aufhebung der ergangenen Urteile vor. Hänel | |
will sich derzeit nicht dazu äußern, ob sie ihre Verfassungsbeschwerde | |
zurückzieht. | |
Nach Paragraf 219a in seiner ursprünglichen Fassung wurde bestraft, wer | |
„öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften“ | |
seines „Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise“ Abtreibun… | |
„anbietet, ankündigt“ oder „anpreist“. | |
Die Große Koalition reformierte das Gesetz Anfang 2019. Es war ein | |
Minimalkonsens zwischen der SPD, die eine Abschaffung wollte, und der | |
Union, die am Paragrafen unbedingt festhalten wollte: Seither dürfen | |
Ärzt*innen darüber informieren, dass sie Abbrüche durchführen. Alle | |
weiteren Informationen aber, etwa zur angewandten Methode, bleiben | |
verboten. Hänel und mehrere ihrer Kolleg*innen wurden seither erneut | |
verurteilt. | |
## Versorgung verbessern | |
Außerdem führt die Bundesärztekammer aufgrund des reformierten Gesetzes | |
eine [3][öffentlich einsehbare Liste] mit verfügbaren Ärzt*innen. Auf | |
dieser stehen aber bis heute nur 268 Ärzt*innen bundesweit. Das ist | |
gerade mal ein Drittel der ohnehin nur rund 1.100 Einrichtungen im Land. | |
Viele scheuen die Liste aus Sorge vor Diffamierung. | |
Der Koalitionsvertrag sieht weitere Maßnahmen im Bereich | |
Schwangerschaftsabbruch vor, die unter anderem die mitunter sehr schlechte | |
Versorgungslage verbessern sollen. So sollen Schwangerschaftsabbrüche | |
künftig kostenfrei sein und verstärkt Thema der medizinischen Aus- und | |
Weiterbildung werden. Auch will die Ampel gegen die sogenannte | |
Gehsteigbelästigung vorgehen – also gegen Abtreibunsgegner*innen, die vor | |
Arztpraxen und Beratungsstellen stehen und Beschäftigte wie auch ungewollt | |
Schwangere belästigen und einschüchtern. | |
Die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen hingegen steht nicht im | |
Koalitionsvertrag, obwohl sowohl SPD als auch Grüne dies in ihren | |
Programmen gefordert hatten. Lediglich eine Kommission soll prüfen, welche | |
Regulierungen außerhalb des Strafrechts möglich seien. Die gleiche | |
Kommission soll auf Druck der FDP auch die Legalisierung von | |
Leihmutterschaft prüfen. Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland nach | |
Paragraf 218 Strafgesetzbuch grundsätzlich verboten – oder eng gefassten | |
Bedingungen werden sie aber nicht bestraft. | |
24 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Paragraf-219a/!t5480560 | |
[2] /Streichung-des-Paragrafen-219a/!5826339 | |
[3] https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordne… | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
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