# taz.de -- Karlsruhe zu Paragraf 219a: Klagen werden nichtig | |
> Drei Frauenärzt:innen hatten Verfassungsbeschwerde gegen Paragraf | |
> 219a eingelegt. Mit der jetzigen Reform haben sich die Klagen erledigt. | |
Bild: Es ist nicht mehr möglich, in Karlsruhe gegen Paragraf 219a zu klagen | |
KARLSRUHE taz | Die [1][Abschaffung des Paragrafen 219a], über die der | |
Bundestag an diesem Freitag beschließt, beseitigt nicht nur die Strafnorm, | |
sondern auch die bisherigen Verurteilungen wegen „Werbung für den Abbruch | |
der Schwangerschaft“. Deshalb kann das Bundesverfassungsgericht nicht mehr | |
über Paragraf 219a urteilen – es sei denn, die CDU/CSU-Fraktion klagt | |
ihrerseits gegen die Abschaffung des Paragrafen. | |
Derzeit liegen in Karlsruhe drei Verfassungsbeschwerden von | |
Frauenärzt:innen vor, die auf ihren Webseiten über die von ihnen | |
angebotenen Methoden des Schwangerschaftsabbruchs informierten und deshalb | |
zu Geldstrafen verurteilt wurden. Konkret geht es um die Klagen von Bettina | |
Gaber aus Berlin, Kristina Hänel aus Gießen und Detlef Merchel aus Nottuln. | |
Die bloße Abschaffung des Strafparagrafen würde die Verfassungsbeschwerden | |
zwar nicht unzulässig machen, denn die Strafurteile sind ja rechtskräftig | |
und würden deshalb normalerweise bestehen bleiben. Allerdings sieht der | |
Gesetzentwurf, den der Bundestag heute beschließt, ausdrücklich vor, dass | |
auch bisherige Verurteilungen auf der Grundlage von Paragraf 219a | |
„aufgehoben“ werden. Ohne Verurteilung ist aber die von den drei | |
Ärzt:innen monierte individuelle Grundrechtsverletzung gegenstandslos, | |
was die Verfassungsbeschwerden unzulässig macht. | |
Wenn die Ärzt:innen ihre Klagen nicht zurücknehmen, werden sie vermutlich | |
zunächst vom Gericht informiert, dass die Klagen unzulässig geworden sind. | |
Wenn die Klagen dann immer noch aufrechterhalten werden, wird es einen | |
kurzen nichtssagenden Beschluss einer mit drei Richter:innen besetzten | |
Kammer geben, dass die Verfassungsbeschwerden wegen Unzulässigkeit nicht | |
angenommen wurden. Es besteht keine Chance, auf diesem Weg doch noch eine | |
Karlsruher Entscheidung über die postulierte Verfassungswidrigkeit des | |
Paragrafen 219a herbeizuführen. | |
## Gegenklagen sind möglich, aber unwahrscheinlich | |
Allerdings könnte das Thema auch auf anderem Wege nach Karlsruhe kommen. | |
Ein Viertel der Bundestagsabgeordneten könnte gegen die Abschaffung von | |
Paragraf 219a eine abstrakte Normenkontrolle erheben. Erforderlich wären | |
184 Abgeordnete. Die CDU/CSU-Fraktion hat 197 Abgeordnete, die AfD-Fraktion | |
nur 80 Abgeordnete. Die AfD könnte den Fall also nicht allein nach | |
Karlsruhe bringen. | |
Klagen könnten auch einzelne Landesregierungen. Allerdings gibt es derzeit | |
kein Bundesland, in dem CDU oder CSU allein regieren. Stets müssten sie | |
Rücksicht auf Koalitionspartner von SPD, Grünen, FDP oder Freien Wählern | |
nehmen, die eine derartige Verfassungsklage gegen die Liberalisierung wohl | |
kaum mittragen würden. | |
Auch in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist die verfassungsrechtliche Kritik | |
an der Abschaffung von Paragraf 219a zuletzt leiser geworden. Noch Anfang | |
des Jahres hatte Elisabeth Winkelmeier-Becker, die Vorsitzende des | |
Rechtsausschusses, erklärt: „Mit den Änderungen wäre das Mindestmaß an | |
Schutz, das das Bundesverfassungsgericht verlangt, wohl unterschritten.“ | |
Gemeint ist der Schutz für das „ungeborene Leben“. | |
Inzwischen hat man in der Union aber wohl eingesehen, dass eine | |
Verfassungsklage wenig Aussicht auf Erfolg hätte. Es werden ja nur | |
sachliche Informationen über das eigene Angebot der Ärzt:innen | |
legalisiert, während eine „anpreisende Werbung“ für Abtreibungen nach dem | |
Heilmittelwerbegesetz ausdrücklich verboten bleibt. | |
24 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Aerztin-ueber-Paragraf-219a/!5862865 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
§219a | |
Schwerpunkt Abtreibung | |
Bundesverfassungsgericht | |
Schwerpunkt Paragraf 219a | |
Paragraf 218 | |
Kristina Hänel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Paragraf 219a ist abgeschafft: Ein Trippelschritt voran | |
Das Informationsverbot für Schwangerschaftsabbrüche ist Geschichte. Jetzt | |
braucht es aber auch genug qualifizierte Ärzt*innen. | |
Abschaffung von Paragraf 219a: Bundestag für Recht auf Information | |
Der Bundestag hat die Abschaffung des Informationsverbots für Abtreibungen | |
beschlossen. Die Urteile gegen Ärzt*innen werden aufgehoben. | |
Ärztin über Paragraf 219a: „Noch nicht am Ende der Debatte“ | |
Am Freitag soll das Informationsverbot für Abtreibung fallen. Die Ärztin | |
Kristina Hänel kämpft schon jahrelang gegen den Paragrafen. |