| # taz.de -- Experte zu Krankenhausreform: „Das Fallpauschalen-System bleibt“ | |
| > Die Regierungskommission verspricht, den finanziellen Druck in | |
| > Krankenhäusern abzuschwächen. Experte Kalle Kunkel glaubt das nicht. | |
| Bild: Das Transparent lässt sich wohl wiederverwenden: Demo vorm Gesundheitsmi… | |
| taz: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat angekündigt, | |
| Patient*innen würden in Krankenhäusern zukünftig weniger nach | |
| wirtschaftlichen und stärker nach medizinischen Gesichtspunkten behandelt. | |
| Läutet er damit eine Revolution im Gesundheitswesen ein? | |
| Kalle Kunkel: Eine Revolution kann ich jetzt, zumindest was die | |
| Ökonomisierung angeht, nicht erkennen: Das Fallpauschalen-System bleibt | |
| erhalten. Es wird nur ergänzt durch andere Formen von Finanzierungen, wobei | |
| diese anderen Formen zum Teil auch problematisch sind. Gleichzeitig geht es | |
| sehr stark darum, jetzt über die Art der Finanzierung die | |
| Krankenhausstrukturen zu verändern. Wie das wirkt, müssen wir dann genauer | |
| anschauen. | |
| Sehen Sie an diesem Vorhaben noch Änderungsbedarf? | |
| Das Hauptproblem des Vorhabens ist, dass weiterhin Profite in | |
| Krankenhäusern gemacht werden könnten. Und es stellen keine Regelungen | |
| sicher, dass Personalkosten kostendeckend finanziert werden. Wir haben ja | |
| bei der Pflege am Bett die sogenannte Kostendeckung. Ein wirklicher | |
| Fortschritt wäre es gewesen, wenn man das auf weitere Berufsgruppen | |
| ausgeweitete hätte – Ärzte, Physiotherapeuten oder die Verwaltung zum | |
| Beispiel. Dann würden Krankenhäuser also das Geld kriegen, was sie auch | |
| wirklich fürs Personal ausgeben. Genau das passiert aber nicht in dem | |
| Entwurf, und dadurch bleibt der Kostendruck auf Personal grundsätzlich | |
| erhalten. | |
| Aber Karl Lauterbach wollte doch explizit den finanziellen Druck auf das | |
| Personal verringern. Passiert das gar nicht? | |
| Ich sehe das, ehrlich gesagt, in diesen Vorschlägen, so wie sie jetzt | |
| formuliert sind, nicht, dass der finanzielle Druck auf das Personal | |
| relevant abnimmt. Diese Finanzierung durch sogenannte Vorhaltepauschalen, | |
| die die bisherigen DRGs (das Fallpauschalensystem der Krankenhäuser; Anm. | |
| d. Red.) ergänzen sollen, sind ebenfalls keine Pauschalen für das Personal. | |
| Das ist auch Geld, das die Krankenhäuser dafür bekommen, dass sie bestimmte | |
| Leistungseinheiten vorhalten. Wie viel Personal sie dafür einsetzen, steht | |
| weiter im Belieben der Krankenhäuser. Der Anreiz, Leistungen mit möglichst | |
| geringen Personalkosten zu erbringen, bleibt. | |
| Die Reform greift mit dem Übergangsprozess frühestens in fünf Jahren. Die | |
| Situation ist aber gerade akut sehr angespannt. Wie könnte denn eine | |
| Regierung dem akuten Personalmangel begegnen? | |
| Das Erste wäre, jetzt möglichst schnell eine umfassende Personalbemessung | |
| in den Krankenhäusern einzuführen, die auch möglichst schnell | |
| scharfzuschalten. Das heißt, dass sozusagen die Krankenhäuser sich wirklich | |
| danach richten müssen, wie viel Personal da ist, und dass dann genau | |
| geguckt wird, wie viel Leistung lässt sich eigentlich im Moment noch mit | |
| dem bestehenden Personal erbringen. Eine schwierige Entscheidung, vor der | |
| wir jetzt stehen. | |
| Was meinen Sie mit „schwieriger Entscheidung“? | |
| Wir sind jetzt durch eine seit 30 Jahren neoliberale Gesundheitspolitik in | |
| eine Situation gekommen, in der wir es mit einem akuten Ressourcenmangel zu | |
| tun haben. Deswegen müssen wir jetzt Entscheidungen darüber treffen, wie | |
| wir jetzt die Krankanhauskapazitäten an dem vorhandenen Personal anpassen. | |
| Das steht im Spannungsfeld zum Versorgungsbedarf. Das ist das Problem. | |
| 7 Dec 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| David Muschenich | |
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