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# taz.de -- Reformvorhaben von Karl Lauterbach: Notoperation Krankenhaus
> Das Kliniksystem soll reformiert werden. Rettet das auch die Patienten?
> Die wichtigsten Fragen und Antworten zu Lauterbachs Plänen.
Bild: Gesundheitsminister Lauterbach präsentiert die Reformvorschläge für di…
Worum geht es bei der geplanten Krankenhausreform?
SPD, Grüne und FDP wollen eine „moderne und bedarfsgerechte
Krankenhausversorgung“. Die Verantwortung trägt Bundesgesundheitsminister
Karl Lauterbach (SPD). Er hat eine Kommission eingesetzt, die bisher drei
Stellungnahmen abgegeben hat. Das Ziel ist, das ärztliche und pflegerische
Personal zu entlasten und das Geld anders zu verteilen. Denn heute „haben
wir das Gleichgewicht verloren zwischen Medizin und Ökonomie“, sagte
Lauterbach im Bundestag, der Anfang Dezember ein erstes Gesetzespaket
beschloss.
Im zweiten Schritt soll eine große Reform folgen, die die Finanzierung und
die Strukturen aller Kliniken in den Blick nimmt. Dabei sollen die
sogenannten Fallpauschalen – vor 20 Jahren eingeführt, auch mit dem Segen
des damaligen Regierungsberaters Lauterbach – um Zuschüsse für einen Teil
der Personal- und Sachkosten ergänzt werden.
Werden Krankenhäuser verschwinden?
Gut möglich, zumindest könnten sie künftig anders aussehen. Rund 1.900
Kliniken mit über 480.000 Betten gibt es laut Statistischem Bundesamt
bundesweit. Mit rund 80 Betten auf 10.000 Einwohner*innen liegt
Deutschland deutlich über Ländern wie Dänemark, Finnland oder Frankreich.
Laut den Plänen der Regierungskommission sollen alle Krankenhäuser einem
Level von 1 bis 3 zugeordnet werden. Die Grundversorgung sollen
Level-1-Kliniken leisten. In der niedrigsten Stufe zählen dazu auch
Bettenhäuser, in denen tagsüber Behandlungen stattfinden. Nachts sind
Pflegekräfte, aber keine Ärzt*innen vor Ort. Dafür gibt es Betten für
Angehörige – die Klinik als Selbstversorgungsbetrieb.
Werden Menschen auf dem Land künftig schlechter versorgt?
Auf jeden Fall werden die Wege weiter – aber das kann auch Vorteile
bringen. Heute dürfen auch kleine und mittelgroße Krankenhäuser schwerste
Krankheiten wie Krebs oder Herzinfarkt behandeln und tun es gern, weil das
Fallpauschalen-System solche OPs belohnt. Viele Patient*innen schätzen
die kurzen Wege, aber Studien zeigen, dass die Qualität und die
Überlebensraten in spezialisierten Kliniken und Zentren höher liegen.
[1][Durch das Level-System sollen schwere Fälle nur noch in großen Häusern,
etwa Uni-Kliniken, behandelt werden.] Wobei es möglich ist, Kranke nach der
OP in Level-1-Häuser in der Nähe ihres Wohnorts zu überweisen. Doch
angesichts des demografischen Wandels und des Personalmangels müsse
mittelfristig „die Menge der Behandlungen dringend reduziert“ werden, warnt
die Vereinigung der Intensiv- und Notfallmediziner (DIVI): „Es wird so
getan, als wenn alles nur umgeschichtet wird. Das ist nicht der Fall. Es
wird definitiv zu Leistungseinschränkungen kommen.“ Das allerdings trifft
Menschen in Städten und Dörfern gleichermaßen.
Ambulant vor stationär: Heißt das, Patienten müssen direkt nach einer OP
nach Hause?
Deutschland hat im Vergleich zu anderen Ländern mehr stationäre
Behandlungen – logisch aus Sicht der Krankenhausbetreiber, sonst würden
sich die vielen Betten nicht lohnen. Schuld ist unter anderem das
Unlogische des deutschen Gesundheitswesens, das streng zwischen ambulant
und stationär trennt. Die Reform will die Grenze zwischen diesen Sektoren
aufweichen: Kranke sollen nicht mehr übernachten müssen, sondern nach einem
Eingriff entlassen werden können, wenn es medizinisch angebracht scheint.
Möglich sei das, weil die Behandlungsmethoden besser geworden seien,
argumentiert die Regierungskommission. Deren Vorsitzender Tom Bschor
spricht gar von einem „Gamechanger“. Durch weniger Übernachtungen sollen
die Pflegekräfte entlastet werden. Doch es gibt Kritik an der Idee und die
Angst vor „blutigen Entlassungen“. Daher soll niemand gezwungen werden. Wer
sich schlecht fühlt, darf ins Krankenhaus zurück – was hohe Transportkosten
verursacht und bedeutet, dass ausreichend Personal vor Ort sein muss.
## Muss die Reform überhaupt sein?
Ja. Das heutige System kostet viel Geld, [2][dennoch sind die Kliniken
marode, das Personal ist erschöpft, und Patient*innen erhalten nicht
die bestmögliche Behandlung]. Irgendetwas muss also passieren – ob
Lauterbachs „Revolution“ ausreicht, wird sich zeigen.
## Wer mischt mit?
Sehr viele, also ist Zoff schon vorprogrammiert. Hauptakteure sind Bund und
Länder, Krankenkassen und Ärzteschaft, kommunale und private
Krankenhausträger. Ein Player im Hintergrund ist der Gemeinsame
Bundesausschuss (G-BA), dem die kassenärztlichen und kassenzahnärztlichen
Bundesvereinigungen, die Kranken-hausgesellschaft und der Spitzenverband
der Gesetzlichen Krankenkassen angehören. Und am Ende geht es nicht ohne
die Pflegekräfte und Ärzt*innen, die in den neuen Strukturen arbeiten
müssen, und Bürger*innen, die bereit sind, auf Kliniken in der Nähe zu
verzichten.
Karl La uterbach spricht von Revolution, was sagen andere?
„Quasi-planwirtschaftlich!“, tobt Bayerns Gesundheitsminister Klaus
Holetschek (CSU) und kündigt Widerstand an. Denn Krankenhausplanung ist
Ländersache, aber Lauterbach will sein System bundesweit durchsetzen. Den
Linken hingegen gehen die Pläne nicht weit genug, [3][sie wollen die
völlige Abkehr von den Fallpauschalen.] Die Deutsche
Krankenhausgesellschaft sieht die Vorschläge nur als „Diskussionsgrundlage“
und weist auf eine „falsche Grundprämisse“ hin, weil die Kommission mit
Zahlen aus dem Jahr 2021 gearbeitet habe. Die seien aber zu niedrig, also
werde die Finanzreform die „strukturelle Unterfinanzierung“ nicht beheben.
10 Dec 2022
## LINKS
[1] /Plaene-zur-Krankenhausreform/!5896808
[2] /Lage-in-den-Krankenhaeusern/!5884128
[3] /Experte-zu-Krankenhausreform/!5896807
## AUTOREN
Esther Geißlinger
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