Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Optimierte Landwirtschaft: Die Nutzpflanzen der Zukunft
> Forscher:innen versuchen mit verschiedenen Methoden, Pflanzen zu
> optimieren. Wo bringt das Fortschritt und wo nicht? Vier Beispiele.
Bild: Die Landwirtschaft muss gleichzeitig effizienter und nachhaltiger werden
Der Klimawandel und der weltweit steigende Bedarf an Lebensmitteln stellen
die Landwirt:innen weltweit vor neue Herausforderungen. Sie müssen
nachhaltiger und gleichzeitig effizienter produzieren.
Wissenschaftler:innen tüfteln deshalb beständig an neuen Methoden, um
Nutzpflanzen besser zu machen. Hier kommen vier Beispiele aus der
Pflanzenforschung, wie Nutzpflanzen optimiert werden.
## Das Revival: Weizen
Daran wird geforscht:
In der Genbank am [1][Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und
Kulturpflanzenforschung (IPK)] lagert ein Schatz: Mehr als 28.000
Weizensorten – darunter auch viele alte und exotische – werden hier
konserviert. Darunter Genvarianten, die unseren modernen Weizensorten
abhanden gekommen sind. Doch gerade die könnten für den Weizenanbau der
Zukunft entscheidend sein.
Unter Führung des IPK hat ein Forschungsteam untersucht, wie man diese
biologische Vielfalt für eine umweltfreundliche Landwirtschaft nutzen kann.
Die Wissenschaftler:innen [2][suchen alte und nicht-heimische Sorten],
die dabei helfen können, zukünftigen Herausforderungen durch den
Klimawandel zu trotzen – sei es in Bezug auf Schädlinge, Trockenheit oder
Naturkatastrophen – und kreuzen diese ein.
Das ist gut:
Die Ergebnisse der Kreuzungsversuche lieferten höhere Erträge als wichtige
moderne Weizensorten. Neben dem höheren Ertrag brachten die neuen Sorten
auch Genomregionen mit sich, die besonders resistent gegen Gelbrostbefall
sind. Gelbrost ist eine Pilzkrankheit, die Pflanzen einst nur im Norden
Deutschlands befallen hat. Wegen klimabedingter milderer Frühjahre kommt er
nun immer häufiger im Süden vor.
„Mit den neuen potenzialen Genvarianten in diesen Regionen können wir das
Immunsystem des Weizens diversifizieren“, sagt Jochen Reif, der an dem
Projekt beteiligt war. Bedeutet im Klartext: Die Gene der alten
Weizensorte, die sie vor Gelbrost schützen, können zukünftig mithilfe von
Kreuzungen auf andere Sorten übertragen werden, um sie resistenter zu
machen.
Das kann besser werden:
Bis die neu entdeckte genetische Variation beim Weizenanbau eingesetzt
wird, dauert es noch. Neue Weizensorten müssten der Landwirtschaft
heutzutage mehr liefern als stabile Erträge und Resistenz gegenüber
Gelbrostbefall, sagt Agrarwissenschaftler Albert Schulthess: „Der
Klimawandel und [3][ein wachsendes Ernährungsbewusstsein in der
Gesellschaft] macht die Liste an Voraussetzungen noch länger.“ Damit sich
der Anbau der neuen Weizenvariation lohne, brauche es deshalb weitere
Untersuchungen, Kreuzungen und Selektion.
Nachhaltigkeitsfaktor:
Hoch. Projekte der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass sich der Blick auf
frühere Artenvielfalt lohnt. Pflanzenfortschritt kann also auch retro sein.
## Der Teamplayer: Mais
Daran wird geforscht:
Ihre Partnerschaft ist etwa so alt wie das Leben auf der Erde: Sogenannte
Mykorrhizapilze wachsen um und in der Wurzel von Pflanzen und machen ihnen
Nährstoffe besser verfügbar. Im Gegenzug bekommen sie von der Pflanze
Kohlenhydrate, die sie selbst zum Wachsen brauchen. Die Landwirtschaft will
sich diesen natürlichen Prozess nun vermehrt zunutze machen.
Wissenschaftler:innen forschen deshalb daran, unter welchen
Bedingungen Mykorrhizapilze am besten wirken.
In Schnega im Wendland startete das [4][Institut für Pflanzenkultur] den
Praxisversuch, ein Maisfeld mit Mykorrhizapilzen zu behandeln. Die sandigen
Feldflächen dort sind suboptimale Anbauflächen, weil die Nährstoffe zu
wenig und ungleichmäßig verteilt sind und teils in tieferen Erdschichten
lagern. Für die Pflanzen sind sie daher nur schwer erreichbar. [5][Mithilfe
von Precision Farming], also einer genauen Analyse des Nährstoffgehalts im
Boden, versetzten die Forscher:innen den Boden genau dort mit
Mykorrhizapilzen, wo der Nährstoffmangel besonders groß war. Das geschieht
mit der Aussaat oder schon davor, damit die Pilze Zeit haben, sich zu
vermehren.
Das ist gut:
Studien haben gezeigt: Mais und Mykorrhizapilze gehen eine besonders
fruchtbare Symbiose ein. Die Pilze erweitern die Wurzeln der Pflanze. Durch
ihr feines Netzwerk von Fäden, sogenannte Hyphen, die tief ins Erdreich
wachsen, können sie Nährstoffe besser aufnehmen und leiten diese an die
Pflanze weiter. Besonders hilfreich ist das zum Beispiel bei langen
Trockenperioden, weil der Pilz das Wasser aus dem Erdreich leichter
aufnehmen und an die Wirtspflanze weiterleiten kann. Mykorrhizapilze
fördern also vor allem die Ertragsstabilität, weil sie schlechte
Anbaubedingungen ausgleichen.
Die Pilze tun aber nicht nur den Pflanzen gut, sondern auch der Erde: der
Boden bleibt locker und durchlüftet und auch die klebrigen Ausscheidungen
der Pilze helfen. Sie binden auch CO2, was wiederum gut fürs Klima ist. Das
Ganze funktioniert nicht nur mit Mais, sondern zum Beispiel auch beim Anbau
von Sojabohnen.
Das kann besser werden:
Pilze lassen sich weder bei allen Pflanzenarten noch in jedem Boden
anwenden – sie sind also kein Allheilmittel. Insbesondere ein hoher
Phosphorgehalt im Boden, der zum Beispiel durch Düngemittel entsteht,
schränkt den Pilz in seinem Wachstum ein. Bäuer:innen müssen sich also
entscheiden zwischen den Pilzen und konventionellem Dünger – die
Kombination von beidem ist komplex. Mykorrhizapilze kommen deshalb bisher
fast nur in der Bio-Landwirtschaft zum Einsatz. [6][Sie sind außerdem
teuer.] Ihr volles Potenzial kann allerdings sowieso erst dann erreicht
werden, wenn es Wissenschaftler:innen gelingt, die zahllosen Pilzarten
besser zu erforschen. Denn welche Pilz-Pflanzen-Symbiosen besonders gut
gelingen, ist je nach Art und Umgebung sehr unterschiedlich.
Nachhaltigkeitsfaktor:
Hoch. Wenn sich die Pilze zu einer potentiellen Alternative zu
stickstoffhaltigem Dünger entwickeln, wäre das nicht nur für die Sandäcker
im Wendland eine gute Nachricht.
## Das Durchhaltetalent: Reis
Daran wird geforscht:
Reis hat eine Superkraft: Er ist praktisch unsterblich, denn nach jeder
Ernte sprießen ganz von selbst neue Keime aus den Feldern. Nachteil: Die
zweite Ernte ist meist deutlich weniger ertragreich als die erste. Für
Bäuer:innen lohnte es sich bisher mehr, jedes Jahr aufs Neue auszusäen.
[7][Ein internationales Forschungsteam] hat in einem seit 1999 laufenden
Projekt mithilfe zahlloser Kreuzungsversuche eine neue Reissorte mit dem
Namen PR23 gezüchtet. P steht für „perennial“ also mehrjährig, R für Re…
und 23 für die fortlaufende Zahl der Kreuzungen des Forscher:innenteams.
Mehrjährig bedeutet: Einmal ausgesät, soll sie mehrere Jahre lang
gleichmäßigen Ertrag abwerfen. Dafür haben die Forscher:innen eine
einjährige asiatische Reissorte mit einer mehrjährigen Wildsorte aus
Nigeria gekreuzt. Das Produkt wurde nun fünf Jahre lang an drei Orten in
der chinesischen Provinz Yunnan angebaut.
Das ist gut:
Das Konzept funktioniert! Die neue Sorte kann mit nur einem Aussäen vier
Jahre lang zwei Mal pro Jahr geerntet werden. Dabei steigt sogar der Ertrag
– im Vergleich zu herkömmlichen Sorten waren es durchschnittlich 100
Kilogramm mehr pro Hektar. Die neue Sorte spart den Bäuer:innen also
Arbeit und Zeit. Etwa 70 Tage weniger mussten sie in den Jahren nach der
Aussaat in die PR23-Felder investieren. Auch dem Erdreich scheint die neue
Reissorte gut zu tun. Weil die Erde weniger häufiger umgegraben wird,
bleiben mehr Nährstoffe zurück als bei herkömmlichen Reissorten.
Das kann besser werden:
Seltenes Umgraben hat auch Nachteile. Schädlinge wie [8][Pilze und Insekten
können sich leichter ansiedeln]. Deshalb muss PR23 ab der zweiten Saison
häufiger mir Herbiziden gespritzt werden als jährliche Sorten. Auch die
Kosten für Pestizide steigen laut der Studie. Beides könnte sich negativ
auf die Artenvielfalt und das Klima auswirken. Deshalb haben die
Forscher:innen angekündigt, als nächstes testen zu wollen, wie
klimaschädlich die neue Sorte ist. [9][Reis verursacht zehn Prozent des
weltweit emittierten Methans] und gehört damit zu den größten Klimakillern.
Ob PR23 insgesamt besser oder schlechter ist, wird sich zeigen, wenn das
Forschungsprojekt 2023 abgeschlossen ist.
Nachhaltigkeitsfaktor:
Unklar. Die Arbeitserleichterung durch die neue Sorte könnte ein so starkes
Argument sein, dass ökologische Fragezeichen ignoriert werden.
## Die Suboptimierte: Kartoffel
Daran wird geforscht:
Beim Projekt [10][OptiPom] geht es, na klar, um die Optimierung der Pommes
frites. Genauer gesagt „die Steigerung der Frittierqualität“ von
Kartoffeln. Doch die Forscher:innen wollen mehr als Knusprigkeit, sie
wollen das Pommesessen gesünder machen. Denn Pommes enthalten Acrylamid.
Der Stoff gilt als krebserregend und erbgutschädigend. Beim Frittieren von
Kartoffeln werden Zucker und Aminosäuren zu neuen Stoffen umgewandelt.
Dabei entstehen Bräune und leckere Röstaromen, aber eben auch Acrylamid.
Um den Acrylamidgehalt zu senken, muss man den Zuckergehalt in der
Kartoffel verringern. Und Zucker bildet sich wiederum in der Knolle, wenn
sie gestresst ist. Die Herausforderung für die Forscher:innen lautete
also: Wie verhindert man, [11][dass Kartoffeln gestresst sind]? Von 2018
bis 2021 testete ein Forscherteam der bayrischen Landesanstalt für
Landwirtschaft, unter welchen Bedingungen am wenigsten Zucker in den
Knollen gebildet wird.
Das ist gut:
Generell zeigte sich, dass einer der größten Hebel für Knusprigkeit in der
Lagerung liegt. Kartoffeln dürfen nicht unter sieben Grad Celsius gekühlt
werden, sonst entsteht Zucker. Auch für den Anbau haben die Forschenden
konkrete Ansätze gefunden, [12][die Pommes besser machen]. Zum Beispiel
sollte nachgewässert werden, wenn 50 Prozent des Wassers im Boden von der
Kartoffelpflanze aufgenommen wurden, weil es die Wurzeln sonst zu viel
Kraft kostet, weitere Flüssigkeit zu ziehen.
Das kann besser werden:
Leider gilt: Je mehr Dünger, desto schöner die Frittenfarbe. Der Grund
dafür ist, dass Hitze ein Hauptfaktor für Kartoffel- Stress ist. Gegen
Hitze Wiederum hilft gutes Blätterwachstum. „Dichtes Kartoffellaub schützt
die Knolle, sagt Studienkoordinator Adolf Kellermann. Das Problem daran
ist, dass dichte Blätter am besten durch reichlich Stickstoff-Düngung
entstehen. Leider erbleicht auch die schönste Fritte im Angesicht der
Folgen, [13][die ein zu hoher Stickstoffgehalt für die Umwelt haben kann.]
Auch die optimale Bewässerung ist bei Wasserknappheit ein Problem. Bessere
Pommes-Kartoffeln sind aber nicht nur potentiell schlechter für die Umwelt,
sie kommen auch weniger gut mit dem Klimawandel klar. So haben die
Bewässerungstests gezeigt, dass sowohl Trockenheit als auch viel Regen für
einen jeweils höheren Zuckergehalt sorgten. Und sowohl die Starkregentage
als auch die Dürretage nehmen fast überall in Deutschland mit der
Klimakrise zu.
Nachhaltigkeitsfaktor:
Gering. Knusprigere und gesündere Pommes für eine höchstwahrscheinlich
schlechtere Ökobilanz zu erkaufen, ist eine Rechnung auf ziemlich kurze
Sicht.
28 Nov 2022
## LINKS
[1] https://www.ipk-gatersleben.de/
[2] /Der-Hype-um-Urweizen/!5433430
[3] /Ernaehrung-in-der-Zukunft/!5642182
[4] https://pflanzenkultur.de/
[5] /Digitalisierung-der-Bauernhoefe/!5702983
[6] /Mehr-Umweltschutz-in-der-Landwirtschaft/!5883349
[7] https://www.nature.com/articles/s41893-022-00997-3#Sec8
[8] /Kampf-gegen-das-Insektensterben/!5488270
[9] /CO2-Bilanz-von-Lebensmitteln/!5875574
[10] https://www.lfl.bayern.de/verschiedenes/presse/pms/2021/267353/index.php
[11] /Kinder-fragen-die-taz-antwortet/!5808851
[12] /Gastronom-ueber-Pommes-Frites/!5460618
[13] /Umweltbelastung-durch-Duenger/!5635932
## AUTOREN
Alexandra Hilpert
Jannis Holl
## TAGS
Zukunft
wochentaz
Ernährung
Landwirtschaft
GNS
Podcast „Vorgelesen“
Landwirtschaft
Schwerpunkt Pestizide
Landwirtschaft
Milch
Moor
## ARTIKEL ZUM THEMA
„Wir haben es satt!“-Demonstration: Kritik an Özdemir
Am Samstag demonstriert ein breites Bündnis aus Landwirtschaft und
Zivilgesellschaft in Berlin. Das Ziel: eine sozial- und klimagerechte
Agrarwende.
Pestizide in der Europäischen Union: Zulassungen ungeprüft verlängert
Eigentlich müssen Gifte, die die Landwirtschaft in der EU spritzt,
regelmäßig eine Risikoprüfung durchlaufen. Das geschieht in vielen Fällen
nicht.
Landwirtschaft der Zukunft: Im virtuellen Gewächshaus
Wie schaffen wir es, dass auch weiterhin 8 Milliarden Menschen satt werden?
Der Geoökologe Claas Nendel lässt Nutzpflanzen in der Zukunft wachsen.
Steigende Milchpreise: Endlich fair, nur nicht für Bio
Milch wird knapper und teurer. Auch die Erzeuger:innen bekommen
insgesamt deutlich mehr Geld. Auf der Strecke bleiben aber
Biomilch-Bäuer:innen.
Mehr Umweltschutz in der Landwirtschaft: Natürlich noch teurer
Wegen der Inflation sparen viele Menschen am Essen. Wenn Bauern mehr
Klimaschutz umsetzen, werden Nahrungsmittel noch mehr kosten. Wie sozial
ist das?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.