# taz.de -- Steigende Milchpreise: Endlich fair, nur nicht für Bio | |
> Milch wird knapper und teurer. Auch die Erzeuger:innen bekommen | |
> insgesamt deutlich mehr Geld. Auf der Strecke bleiben aber | |
> Biomilch-Bäuer:innen. | |
Bild: Milch, Milch, Milch, Preise, Erzeuger – und wer denkt an die Lieferanti… | |
BREMEN taz | Wenn es um den deutschen Milchmarkt ging, war bislang auf zwei | |
Dinge Verlass. Erstens bekamen die Landwirt:innen mit Preisen von um die | |
30 Cent pro Kilo Milch zu wenig von den Molkereien, um wenigstens | |
kostendeckend arbeiten zu können. Zweitens war Biomilch deutlich teurer als | |
das konventionelle Billigprodukt, das überwiegend als Milchpulver ins | |
Ausland verscherbelt wurde. Beide Regeln sind derzeit außer Kraft gesetzt. | |
Nach den in der vergangenen Woche veröffentlichten Erzeugerpreisen für | |
September zahlten die deutschen Molkereien im Schnitt 58 Cent für das Kilo | |
konventionell erzeugte Milch. Für Biomilch gab es nur 2,5 Cent mehr. Anfang | |
2021 hatte der Abstand noch 16 Cent betragen. | |
Dabei geht vor allem der Preis für konventionelle Milch nach oben. Im März | |
2021 bekamen die Erzeuger:innen noch 33 Cent pro Kilo, ein Jahr später | |
waren es schon 45 Cent. | |
Das liegt daran, dass in der allgemeinen Krisensituation weltweit weniger | |
Milch produziert wird. Die deutschen Molkereien erzielen deshalb mit dem | |
Verkauf ins Ausland gute Preise und geben die Einnahmen teilweise an die | |
Milchbäuer:innen weiter. Das Problem dabei: [1][Die Molkereien, die | |
Qualitätsprodukte für den deutschen Markt herstellen, profitieren nicht vom | |
internationalen Geschäft] und können ihren Lieferant:innen keine so | |
guten Preise machen. | |
## Nord-Süd-Gefälle | |
Deshalb kommt es jetzt zu der kuriosen Situation, dass einige Molkereien | |
für konventionell erzeugte Milch mehr zahlen als andere Molkereien für | |
Biomilch. | |
Das spiegelt sich auch darin, dass norddeutsche Molkereien in den | |
vergangenen Monaten zum Teil deutlich höhere Erzeugerpreise hatten als | |
süddeutsche – weil Letztere weniger stark am Weltmarkt ausgerichtet sind. | |
So gibt die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung für den Monat | |
September für Bayern 56 Cent pro Kilo konventioneller Milch an und für | |
Schleswig-Holstein 60 Cent. | |
Biobäuer:innen, die teils mit den gleichen Auswirkungen von Krise und | |
Inflation zu kämpfen haben, bekamen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum | |
statt fast 60 Prozent wie ihre konventionelle Konkurrenz nur 22 Prozent | |
mehr für ihre Milch. „Die Guten werden bestraft“, sagt dazu Ottmar | |
Ilchmann, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft | |
in Niedersachsen. In dem Verein engagieren sich sowohl konventionell als | |
auch ökologisch wirtschaftende Betriebe und setzen sich „für eine umwelt- | |
und sozialverträgliche Landbewirtschaftung und für eine artgerechte | |
Tierhaltung auf Bauernhöfen statt in Agrarfabriken“ ein, so die | |
Selbstdarstellung. | |
## Futtersuchende Kühe | |
Ilchmann hält selbst 60 Milchkühe in Ostfriesland in konventioneller | |
Haltung, sie stehen allerdings im Schnitt 210 Tage im Jahr draußen, womit | |
die Kriterien für Milch aus Weidehaltung übererfüllt sind. „Ich frag mich | |
jeden Tag, warum ich das noch mache“, sagt er. Die anderthalb Cent, die er | |
pro Kilo Milch mehr bekommt, als wenn er die Tiere ganzjährig im Stall | |
halten würde, glichen die geringere Milchleistung nicht annähernd aus – | |
eine Kuh, die sich ihr Futter selbst suchen muss, gibt etwa 1.000 Liter | |
Milch – ein Achtel der durchschnittlichen Menge – weniger im Jahr. Ilchmann | |
sagt, er könne alle [2][Biolandwirt:innen verstehen, die auf | |
konventionelle Milcherzeugung umstellen], wenn es sich finanziell nicht | |
mehr lohnt. | |
Für akut existenzgefährdet hält die MEG Milch-Board – ein Verein von | |
Milcherzeuger:innen – Biomilchbäuer:innen. Der aktuelle Preis könne | |
nur 78 Prozent der Milcherzeugungskosten decken, heißt es in einer | |
Mitteilung. Zugleich wies der Verein darauf hin, dass die Biomilchmenge | |
gestiegen sei, die Nachfrage aber gerade sinke, weil Verbraucher:innen | |
bei Lebensmitteln sparen. Diesen Befund teilen Umfragen zur Biobranche | |
sowie deren eigene Umsatzdaten. Der Handel, so die Milch-Board, wage zwar | |
„Preisexperimente“ und lote aus, „wo die Schmerzgrenze der Konsument:inne… | |
liege: [3][„Milcherzeuger:innen profitieren jedoch nicht von den | |
Preiserhöhungen.“] | |
Im August hatte etwa der Discounter Aldi den Verkaufspreis für Biomilch auf | |
1,69 Euro pro Liter heraufgesetzt – und war einen Monat später auf 1,45 | |
Euro zurückgerudert. Im Durchschnitt kostete Biovollmilch im Einzelhandel | |
im September nach einer Marktanalyse der Agrarmarkt | |
Informations-Gesellschaft 1,57 Euro pro Liter – 37 Prozent mehr als vor | |
einem Jahr. Die konventionell erzeugte Milch war mit 1,11 Euro pro Liter | |
nur 26 Prozent teurer geworden. Allerdings variieren die Preise in | |
unterschiedlichen Verkaufsmärkten stark. So wurde vor einer Woche in einem | |
Bremer Bio-Discounter der Liter frische Vollmilch einer Eigenmarke für 1,10 | |
Euro angeboten – so viel kostete im Rewe die günstigste konventionelle | |
Milch. Dafür zahlte man dort für die Milch einer regionalen Biomolkerei mit | |
1,89 Euro 34 Cent mehr als für dasselbe Produkt im Bioladen. | |
21 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Eiken Bruhn | |
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