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# taz.de -- Das Ende der Milch: Milch muss nicht instagrammable sein
> Milch wird immer unbeliebter. Zum Glück. Die Milchlobby kämpft dagegen
> mit hippen Kampagnen an – und verkennt die wahren Gründe für
> Milchmüdigkeit.
Bild: Ein Glas Mandelmilch
Konnte ich als Kind nicht einschlafen, machte mir meine Mama eine warme
Milch mit Honig. Die Milch brachte mich schnell ins gelobte Land der
Träume. Als Alleskönner wurde sie stets beworben, Milch macht müde Männer
munter, bringt Kinder zum Schlafen und macht eigentlich ungesunde,
überzuckerte Süßigkeiten zum gesunden Snack für zwischendurch. Das war
einmal.
„Die Milch macht’s nicht mehr“, lese ich letztens [1][in der Zeit.] Milch
ist nicht mehr hip und das ist gut so. 2011 trank jeder Deutsche im Schnitt
noch rund 52 Liter Milch pro Jahr, zehn Jahre später waren es nur noch
[2][etwa 46 Liter]. Eine gute Nachricht für die Gesundheit und das Klima,
aber nicht für die Milchindustrie. Sie versucht sich mit allen Mitteln zu
wehren und startete 2021 die [3][„Initiative Milch“]. Die Milch müsse
wieder zurück in die Herzen der Menschen, erklärt die Geschäftsführerin des
Projekts. Ein letztes Aufbäumen, um den einst so wertvollen Trunk zu
retten.
Die Initiative Milch will „Frieden zwischen Mensch und Milch“ schaffen.
Dabei geht es vor allem um die Mensch-Tier-Beziehung. Denn ein Großteil der
Milchkühe steht nicht muhend auf grünen Alpenweiden und freut sich des
erfüllten Lebens. Die meisten von ihnen verbringen ihr kurzes Leben in
Boxenlaufställen. Mit überzüchteten Rieseneutern, ohne frische Luft und
ohne Platz. Das zeigt die Milchwerbung nie.
Die Initiative Milch will gezielt die junge Generation erreichen. Mit
Podcasts und Werbeevents im Supercandy-Pop-up-Museum und ästhetischen Fotos
vor weißen Glasflaschen soll Milch instagrammable und cool werden. Absurd.
Die Milchlobby hat die jungen Menschen nicht verstanden.
## Es geht ums Tierleid
Es geht nicht um den coolen Post, um hippes Marketing. Dass immer mehr
Menschen pflanzliche Produkte in ihre Ernährung integrieren, liegt nicht an
den frechen Sprüchen auf schwedischen Pflanzendrinkverpackungen. Es geht
vielmehr um die eigene Gesundheit, Tierleid und die Zukunft unseres
Planeten.
Tiere sind leidensfähig. Jedes Weidetier produziert Unmengen von
klimaschädlichem Methan. Und wir halten Millionen von ihnen. Um das Pariser
Klimaabkommen zu erreichen, muss sich neben der Verkehrsindustrie, dem
Energie- und Bausektor eben auch die Lebensmittelindustrie verändern.
Ganz konkret bedeutet das weniger tierische Produkte zu produzieren. Und
natürlich auch weniger zu konsumieren. Kluge Lobbyisten einer
klimaschädlichen Branche sollten das erkennen, sollten Wege für nachhaltige
Veränderung suchen und nicht mit einem Millionenbudget stumpf für ein
„Weiter so“ kämpfen.
Natürlich ist der Niedergang der Milch für die Bauern bedauerlich. Sie
leiden seit langem unter den Dumpingpreisen. Aber letztlich betreiben sie
ein Geschäft, das nicht zukunftsträchtig ist. Die Welt wandelt sich, die
Milchlobby sollte sich mit den neuen Begebenheiten abfinden und überlegen,
wie sie sich gesundschrumpfen könnte.
Um 90 Prozent müsse in Deutschland die Kuhhaltung reduziert werden, damit
sie kein Klimakiller mehr ist, hat Forscher Marco Springmann [4][kürzlich
erklärt]. Dass solche Zahlen der gesamten Milchwirtschaft, immerhin eine
der größten Lebensmittelbranchen in Deutschland, Angst machen, ist
verständlich. Die „Vergangenheit mit der Gegenwart zu verbinden“, liebe
Initiative Milch, heißt nicht, zu zeigen, dass Milch cool ist. Genug mit
dem Mehr von allem. Es heißt Lösungen für ein Weniger zu finden.
10 Feb 2023
## LINKS
[1] https://www.zeit.de/zeit-magazin/2023-02/kuhmilch-gesundheit-milchprodukte-…
[2] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/380945/umfrage/pro-kopf-kons…
[3] https://www.initiative-milch.de/
[4] /CO2-Bilanz-von-Milchbetrieben/!5910507
## AUTOREN
Adefunmi Olanigan
## TAGS
Kolumne Starke Gefühle
Milch
wochentaz
Schwerpunkt Klimawandel
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Hafermilch
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