| # taz.de -- Long Covid bei Kindern: Das Kind muss an die frische Luft | |
| > Als die Tochter unserer Autorin an Long Covid erkrankt, beginnt für die | |
| > Familie eine schwere Zeit. Wie aus dem „Wurm“ wieder Olivia wurde. | |
| Bild: Als würde eine unsichtbare, tonnenschwere Last sie erdrücken: Olivia ka… | |
| Die Sonne scheint. Die Frösche quaken am Teich. Es ist ein wunderschöner | |
| Tag im Mai. Einer, an dem man einfach nur draußen sein möchte. Doch wir | |
| sind drinnen, die Vorhänge und Fenster geschlossen. Meine Tochter Olivia | |
| liegt im Bett. Seit Monaten. Sie kann nicht aufstehen, nicht mal sitzen | |
| oder den Kopf heben. Es ist, als würde eine unsichtbare, tonnenschwere Last | |
| sie erdrücken. „Ich bin kein richtiger Mensch mehr“, sagt sie. „Ich bin … | |
| noch ein Wurm.“ Sie ist 13 Jahre alt und an Long Covid erkrankt. | |
| Ich habe keine Worte für den Schmerz, meine Tochter so leiden zu sehen, und | |
| noch weniger für meine Fassungslosigkeit darüber, dass sich in unserem | |
| Gesundheitssystem niemand verantwortlich fühlt, niemand bereit ist, ihr zu | |
| helfen. Das Kind soll einfach daliegen, tatsächlich wie ein Wurm. Und ich | |
| als Mutter soll keinen Stress machen, denn Stress schadet ihr. | |
| [1][Die Pandemiezeit] war eine Herausforderung für mich und meine Familie. | |
| Olivias 15-jähriger Bruder Willi ist schwer geistig behindert, und als im | |
| Lockdown alle Hilfen wegfielen, wurde unser Alltag zur Zerreißprobe. Aber | |
| Anfang des Jahres waren wir sicher, das Schlimmste sei überstanden, obwohl | |
| wir uns mit Corona ansteckten: Wir kannten niemanden, der einen schweren | |
| Verlauf hatte, wir waren alle geimpft und die Kinder gingen zu dem | |
| Zeitpunkt seit einem halben Jahr wieder ziemlich normal zur Schule. | |
| Nie hätte ich gedacht, dass unser persönlicher Corona-Albtraum da erst | |
| anfängt. Ein halbes Jahr erleben wir eine unfassbare Zeit, voller Schmerz | |
| und Verzweiflung, aber auch voller Liebe und Hilfsbereitschaft. Und am | |
| Ende, wie ein Wunder, findet unsere Tochter zurück ins Leben. | |
| Alles beginnt in der ersten Januarwoche, als meine Familie sich mit dem | |
| Coronavirus ansteckt. Um Olivia mache ich mir am wenigsten Sorgen. Ich bin | |
| vielmehr beunruhigt, wie wohl ihr Bruder und unsere Eltern durch die | |
| Infektion kommen: Sie kommen gut durch. | |
| Zwei Wochen nachdem Willi das Virus aus seiner Förderschule mitgebracht | |
| hat, kann er auch schon wieder hingehen. Olivia ist nach mehreren Tagen mit | |
| hohem Fieber noch zu groggy. Sie übt lustlos mit mir ein paar | |
| Englischvokabeln, chillt im Bett und schaut Youtube. Ich rechne fest damit, | |
| dass es ihr bald besser geht. | |
| Aber es geht nicht besser, im Gegenteil. Die Party zum 13. Geburtstag fällt | |
| aus. Die geschenkten Lammfellstiefel bleiben unbenutzt auf dem Flur, und | |
| das neue 1.500er-„Harry Potter“-Puzzle müssen wir auf dem Boden machen. Auf | |
| einem Stuhl sitzen ist für Olivia zu anstrengend. | |
| Der Kinderarzt beruhigt uns: „Das ist normal, Jugendliche benötigten oft | |
| viele Wochen, um sich von der Infektion zu erholen.“ Genervt denke ich an | |
| meine aufgeschobene Arbeit. | |
| ## „Ich funktioniere einfach nicht mehr“, weint mein Kind | |
| Ich besorge Vitamin D, eine Freundin bringt Proteinpulver, mein Mann | |
| Matthias presst frische Säfte. Draußen regnet es. Olivia verbringt viel | |
| Zeit auf dem Boden neben meinem Computer, während ich versuche zu arbeiten. | |
| Sie bastelt und hört Hörbücher: „Robinson Crusoe“, „Moby Dick“, je l… | |
| desto besser. Zwischendurch spielen wir. Doch die Kalahasteinchen | |
| erscheinen Olivia plötzlich schwer, das Backgammonbrett riesig. Immer öfter | |
| krabbelt sie zurück in ihren Deckenhaufen, um sich auszuruhen. | |
| Auch die zwei Treppen bis in mein Arbeitszimmer kann sie bald nur noch auf | |
| allen vieren bewältigen. „Ich bin so fertig!“, sind ihre häufigsten Worte. | |
| Nachmittags kümmere ich mich um Willi. Er findet es super, dass seine | |
| kleine Schwester jetzt so viel im Bett liegt, bereit zum Kuscheln. Nur, | |
| dass sie nicht mehr zu ihm ins Zimmer zum Murmeln kommen kann, findet er | |
| blöd. | |
| Immer wieder spreche ich davon, dass wir an die frische Luft gehen sollten | |
| und dass Olivia nächste Woche hoffentlich ein paar Stunden zur Schule | |
| könne. Immer wieder antwortet sie, das sei alles viel zu anstrengend. Ich | |
| kann mir das nicht vorstellen. Ich bin ungeduldig. | |
| Olivia erzählt von Albträumen, in denen ich sie zur Schule zwinge, wo sie | |
| sitzt und sich nicht bewegen kann. Der Kinderarzt nimmt Blut ab und sagt, | |
| ich müsse mir keine Sorgen machen, alles sei in Ordnung. Aber ich mache mir | |
| Sorgen, denn ganz offensichtlich ist nicht alles in Ordnung. | |
| Es wäre mir lieber gewesen, man hätte etwas im Blut gefunden, das mir | |
| erklärte, warum mein Kind immer schwächer wird – so etwas wie Eisenmangel, | |
| wo es nur ein paar Tabletten braucht. | |
| Im ersten Jahr der Pandemie, als es das Wort Long Covid noch nicht gab, | |
| hörte ich im Radio, dass sich in Schweden einige Kinder ohne | |
| Vorerkrankungen selbst nach leichten Infektionen nicht erholten. Ich fragte | |
| mich damals, ob es wohl eine Nachricht wert gewesen wäre, wenn das Problem | |
| nur kranke und behinderte Kinder betroffen hätte. | |
| Auch ich stelle im Verlauf von Olivias Erkrankung fest, dass ihre | |
| gesundheitlichen Probleme deutlich mehr Aufmerksamkeit bekommen, wenn ich | |
| berichte, dass wir sonst 70 Kilometer im Monat zusammen joggen, dass Olivia | |
| noch im Sommer mit ihren Pfadfinderinnen drei Wochen durch den Wald | |
| gewandert ist. | |
| „Ich funktioniere einfach nicht mehr“, weint mein Kind nun häufig. Sie ist | |
| ratlos über das, was mit ihrem Körper passiert. | |
| Meine Befürchtung, Olivia könne Long Covid haben, wächst täglich. Aber ich | |
| spreche das Wort nicht aus. Als wäre es ein schlechtes Omen. Nur mit dem | |
| Kinderarzt würde ich gerne darüber reden, doch er wimmelt uns ab. Nach zwei | |
| Monaten höre ich auf zu arbeiten und beginne stattdessen zu googeln. Ich | |
| finde Artikel, in denen Ärzte Long Covid bei Kindern entweder als | |
| überschätztes Problem bezeichnen oder mutmaßen, dass es das gar nicht gibt. | |
| Eltern, die sich in Facebook-Gruppen über Long Covid austauschen, erzählen | |
| etwas ganz anderes. Viele der dort beschriebenen Kinder gingen seit über | |
| einem Jahr nicht zur Schule, würden im Rollstuhl geschoben und verbrächten | |
| die Tage allein im Bett. Ich lese von schweren Konzentrations- und | |
| Schlafstörungen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit, Muskelschwäche und | |
| -zuckungen, Lähmungen, Schwindel und immer wieder von starken Schmerzen und | |
| extremer Erschöpfung. Die meisten sind nach der Infektion, einige nach der | |
| Impfung erkrankt. Selbst die leicht Betroffenen sind weit entfernt von | |
| einer normalen Kindheit. Über Rehas oder Aufenthalte in psychosomatischen | |
| Kliniken erfahre ich, dass die Kinder kränker nach Hause kommen, als sie | |
| hingefahren sind. | |
| ## „Pacing“ ist das Gegenteil von Kindsein | |
| Über die Selbsthilfegruppen erhalte ich so viele, oft widersprüchliche, | |
| Informationen, dass ich überhaupt nicht mehr weiterweiß. Doch in einem | |
| Punkt sind sich alle einig: Das Wichtigste für die Erkrankten ist „Pacing“. | |
| Als ich das Wort google, habe ich die Hoffnung, es sei eine handfeste, | |
| medizinische Therapie. Aber es bedeutet nur, niemals mit den Kräften an die | |
| Grenze der eigenen Belastbarkeit zu gehen, sondern immer darunter zu | |
| bleiben. Das Gegenteil vom Kindsein. | |
| Aber mir leuchtet ein, warum Pacing sein muss. Wann immer Olivia sich nur | |
| etwas zu sehr anstrengt, verschlechtert sich ihr Zustand. Ein sogenannter | |
| Crash. | |
| Wir wechseln zu Willis Kinderärztin. Auch wenn sie, außer Globuli in | |
| Betracht zu ziehen, nichts tun kann, nimmt sie die Sache ernst, rät | |
| ebenfalls zur Schonung und überweist uns zu einem Herzecho, um eine | |
| Herzmuskelentzündung auszuschließen. | |
| Ich höre auf, Olivia spanische Personalpronomen abzufragen oder zu | |
| versuchen, sie an die frische Luft zu zerren. Viele Stunden Häkeln, | |
| Puzzeln, SkipBo und zwei Staffeln argentinische Teenie-Telenovela später – | |
| für die Olivia im Leben vorher nie Zeit gehabt hätte – haben wir endlich | |
| das Gefühl, dass es langsam bergauf geht. | |
| Doch nur ein einziger sonniger Nachmittag, an dem zum ersten Mal | |
| Schulfreundinnen kommen und Olivia im Bollerwagen durch die Siedlung | |
| ziehen, macht alles kaputt. Am Abend sagt Olivia, es sei der schönste Tag | |
| ihres Lebens gewesen. Am nächsten Morgen kann sie keinen einzigen Schritt | |
| mehr ohne Hilfe gehen, geschweige denn stehen. | |
| Olivias Kopfschmerzen werden immer schlimmer. Ihr Herz rast selbst dann, | |
| wenn sie liegt, und gerät ständig aus dem Takt. Das macht ihr Angst – doch | |
| bis zu dem mühsam ergatterten Termin bei der Kardiologin sind es noch | |
| Wochen. | |
| Ich fühle mich oft traurig, bin ungeduldig mit Matthias, und es fällt mir | |
| immer schwerer zu essen. Nicht mal der Kaffee schmeckt mehr. | |
| Die Internetrecherche macht mir Angst. Ich lese, dass viele Eltern stark | |
| betroffener Kinder nicht von Post Covid oder Post Vac – also | |
| Long-Covid-Symptomen nach Impfung –, sondern von ME/CFS sprechen, [2][dem | |
| Chronischen Fatigue-Syndrom], einer Erkrankung, die schon lange bekannt, | |
| aber weitestgehend unerforscht ist. Viele Erkrankte verbringen ihr Leben im | |
| Bett in abgedunkelten Zimmern. Nach jeglicher Aktivität verschlechtert sich | |
| der Zustand. ME/CFS tritt meist nach Virusinfektionen auf. Es gilt als | |
| nicht heilbar. Schon vor Corona litten daran über 250.000 Menschen in | |
| Deutschland – [3][unterversorgt, psychologisiert, ignoriert]. Sie nennen | |
| sich „lebende Tote“. Ich muss das verdrängen. | |
| Als Olivia Fieber bekommt, verbringe ich die Nacht bei ihr im Bett, ich mag | |
| sie nicht mehr alleine lassen. Es ist Mitte März, nach 8.000 gepuzzelten | |
| Teilen und über zehn Meter Stricklieselband gehen wir das erste Mal ins | |
| Krankenhaus. Keiner von uns kann sich zu dem Zeitpunkt vorstellen, wie | |
| viele Krankenhausaufenthalte folgen werden und wie viele Monate es dauern | |
| wird, bis Olivia wieder in ihr Kinderzimmer und ich in unser Ehebett | |
| zurückkehre. | |
| Ich gehe davon aus, dass mein Kind Long Covid hat und man ihm im | |
| Krankenhaus helfen wird. Aber es geht nie um Therapie, sondern nur um | |
| Ausschlussdiagnostik. Untersucht wird alles Erdenkliche, und wird nichts | |
| gefunden, ist die Diagnose entweder eine psychische Erkrankung oder Long | |
| Covid. Dauern die Symptome mehr als drei Monate an, spricht man von Post | |
| Covid, bei weiter anhaltenden schwerwiegenden Symptomen vom Chronischen | |
| Fatigue-Syndrom. | |
| Viele Mechanismen dieser Erkrankungen sind bis jetzt unerforscht. Doch in | |
| [4][mehreren medizinischen Publikationen] lese ich, dass es sich bei | |
| Post Covid um eine Autoimmunerkrankung handeln könnte. Im Blut der meisten | |
| Patienten finden sich bestimmte Autoantikörper, die körpereigene Strukturen | |
| angreifen. Aber im Krankenhaus scheint sich damit niemand auszukennen. Kann | |
| es sein, dass ich mehr weiß als die Ärzt:innen? | |
| Bei einer der vielen Blutabnahmen traue ich mich, vorsichtig um die | |
| Bestimmung dieser Autoantikörper zu bitten. Die Ärztin lacht verächtlich. | |
| Mit den Worten: „Brauchen Sie Hilfe von uns oder wir von Ihnen?“, werde ich | |
| auf meinen Platz verwiesen. | |
| Das Schlimmste im Krankenhaus ist die Belastung für Olivia. Sie baut weiter | |
| ab. Neben den anstrengenden Untersuchungen, den weiten Wegen und | |
| Wartezeiten herrscht eine ständige Unruhe. Weinende Kinder, telefonierende | |
| Eltern, piepsende Geräte, selbst nachts ein ewiges Rein und Raus, Wecken um | |
| 7 Uhr – Pacing unmöglich. | |
| Weil auf Olivia nicht gehört wird, muss ich mein Kind vor unnötigem Stress | |
| schützen. Man sagt ihr: „Du musst keine Angst haben. Es ist nicht schlimm.“ | |
| Doch wer kann beurteilen, was für einen anderen schlimm ist? Wir erleben, | |
| dass körperliche Reaktionen wie Herzrasen oder Schwindel, die sich mit | |
| den durchgeführten Untersuchungen nicht erklären lassen, als Angststörung | |
| abgetan werden. Oft verzweifelt Olivia, weil man ihr nicht glaubt. Mich | |
| hält man für eine Helikoptermutter. | |
| Vor Olivias Erkrankung hatte ich mal gelesen, es sei schwierig, bei Kindern | |
| „Long Lockdown“ von Long Covid zu differenzieren, denn Symptome wie | |
| Kopfschmerzen oder Erschöpfung träfen auf beide Gruppen zu. Das leuchtete | |
| mir damals ein. Aber dass mein völlig gesundes und munteres Kind so viele | |
| Monate nach dem Lockdown jetzt zufällig ab dem Tag der Infektion psychisch | |
| krank geworden sein soll, ergibt keinen Sinn. | |
| Als eine Krankenhauspsychologin kommt, denke ich, sie will uns helfen. So | |
| hatte ich es erlebt, als unser Sohn Willi nach seiner Geburt lange sehr | |
| krank gewesen war. Die Psychologin fragt mich, wie es mir geht. Es tut mir | |
| gut, endlich mit jemandem über meine Angst und Erschöpfung sprechen zu | |
| können. Doch als ihre Mimik am Ende des Gesprächs von verständnis- zu | |
| vorwurfsvoll wechselt, ist es wie ein Schlag in mein Gesicht: „Als Mutter | |
| müssen Sie das schützende Dach der Familie sein“, sagt sie, als wisse sie | |
| plötzlich, wer „schuld“ an der Erkrankung meiner Tochter ist. Eine einfache | |
| Rechnung: behinderter Bruder + heulende Mutter = psychosomatisch krankes | |
| Kind. | |
| Dabei sind mein Mann und ich sehr wohl ein gutes Dach für unsere Familie – | |
| auch wenn es mit Willi oft sehr anstrengend ist. Mein jetziger Zustand ist | |
| nicht Auslöser von Olivias Erkrankung, er ist die Folge. Mir wird klar, | |
| dass ich hier gegen viel mehr als nur dieses scheiß Long Covid zu kämpfen | |
| habe. Ich nehme mir vor, nie wieder vor einer Krankenhauspsychologin zu | |
| weinen. | |
| Bis heute frage ich mich, was gewesen wäre, wenn Olivia wirklich keine | |
| körperliche, sondern eine psychische Erkrankung gehabt hätte. Denn auch bis | |
| wir einen Psychotherapeuten finden würden, sollte mehr als ein halbes Jahr | |
| vergehen. Er arbeitet mit Olivia heute an den traumatischen Erfahrungen | |
| ihrer Erkrankung. | |
| Wir hatten Olivia im Rollstuhl ins Krankenhaus gebracht und schieben sie | |
| eine Woche später liegend wieder nach Hause, ohne jegliches | |
| Behandlungskonzept. Ich kann das nicht glauben. Vielleicht sind die | |
| Ärztinnen genauso ratlos wie wir. Ich weiß es nicht, denn niemand spricht | |
| mit uns. | |
| Aber wozu musste Olivia durch diese unvorstellbar belastende Diagnostik | |
| gehen – sogar Nervenwasser aus der Wirbelsäule wurde entnommen –, wenn die | |
| Diagnose Post Covid schlussendlich überhaupt keine therapeutische | |
| Konsequenz hat? | |
| 15 Jahre nach der Geburt meines ersten Kindes ist nun auch mein zweites ein | |
| Pflegefall. Der Toilettenstuhl, das Pflegebett und eine Matratze für mich | |
| kommen ins Wohnzimmer. Den Rollstuhl stellen wir nach oben in Olivias | |
| Zimmer, sie kann nicht mehr sitzen, nicht mal mehr den Kopf heben. Ihr | |
| verlassenes Zimmer gleicht bald einer Abstellkammer. Ich vermeide es, die | |
| Tür zu öffnen. Es schmerzt zu sehr. | |
| Draußen blühen die Apfelbäume. Olivia ist oft so schwach, dass ich sie | |
| füttern muss. „Ich fühl mich wie ein Sack aus Haut, in den man ein paar | |
| Organe gestopft hat“, sagt sie und bezeichnet sich selber als Wurm. Nur mit | |
| viel Hilfe kann der Wurm an die Kante seines Pflegebetts kriechen, um von | |
| dort auf den Toilettenstuhl gesetzt zu werden. Kniffelbecher oder | |
| Rommékarten kann er nicht halten. | |
| Olivia schaut sich durch zwei alte Staffeln „Magisches Kochbuch“. An guten | |
| Tagen hört sie „Die drei???“ und bastelt ein wenig im Liegen. Ich nerve sie | |
| dabei unendlich mit meiner Sorge, sie könnte sich überanstrengen. | |
| Manchmal tragen wir unsere Tochter auf die Terrasse, damit sie den Frühling | |
| sehen kann, aber es ist zu viel. Sie entwickelt eine extreme | |
| Geräuschempfindlichkeit und unerträglichen Schwindel nach den leichtesten | |
| Erschütterungen oder dann, wenn ihr Kopf nur ein wenig erhöht ist. | |
| Immer wieder hat Olivia traurige und wütende Phasen, besonders an den | |
| Wochenenden, wenn ihre Pfadfindergruppe unterwegs ist. Sie will, dass ich | |
| sie aus allen Vereinen abmelde. Ich tue es nicht, obwohl ich selber auch | |
| alle Whatsapp-Gruppen für Eltern verlassen habe. | |
| Schon lange ist bei uns nicht mal mehr ein halbwegs normaler Alltag | |
| möglich. Die Pflege zweier vollkommen unselbstständiger Kinder neben der | |
| Aufgabe, für Olivias medizinische Behandlung selber verantwortlich zu sein, | |
| ist erdrückend. Unsere wundervollen Eltern sind im Dauereinsatz bei der | |
| Betreuung von Willi. Zusätzlich hilft ein Pflegedienst. | |
| Wenn Matthias nicht arbeitet, übernimmt er die Willi-Schicht und die | |
| Hausarbeit. Wir kommen kaum dazu, einen Satz miteinander zu sprechen, der | |
| nicht dringende Familienorganisation oder die Ergebnisse meiner | |
| Medizinrecherche betrifft. Sozialkontakte sind unmöglich – nicht einmal ein | |
| Spaziergang oder Kaffee mit einer Freundin ist mehr drin. Wir sind völlig | |
| aus der Welt gefallen. Aber die Welt lässt uns nicht fallen. | |
| Wir werden getragen, nicht nur von Familie und Freunden. Sogar fremde | |
| Menschen – manche selbst betroffen – schicken uns Nachrichten, Briefe, | |
| Karten, Blumen, Bastelsachen bis hin zu Fresskörben voller Schokolade, ohne | |
| die mir alle meine Hosen vom Körper gerutscht wäre. | |
| Olivias Freundin kommt jede Woche, legt sich zu ihr ins Pflegebett, ist | |
| einfach da. | |
| Die Schule macht zum Glück keinen Druck. Olivias Lehrerinnen und Lehrer | |
| besuchen sie. Einmal bringen sie Post von der Klasse. Am Abend schaut | |
| Olivia alles andächtig durch: Manche Kinder haben philosophische Briefe | |
| geschrieben, andere schicken Witze und Cartoons. Es sind auch viele gemalte | |
| Bilder dabei und sogar „blöde Jungs“ haben sich richtig Mühe gegeben. Es | |
| ist einer der schönsten Tage dieser furchtbaren Zeit. | |
| Auch mit unserer neuen Kinderärztin haben wir großes Glück, sie macht | |
| Hausbesuche und versucht Hilfe über die 130 Kilometer entfernte | |
| Post-Covid-Ambulanz zu bekommen. Aber auch dort will, kann oder darf kein | |
| ernsthafter Therapieversuch gestartet werden. Dabei weiß ich, dass man | |
| Medikamente ausprobieren könnte, auch wenn es noch keine zugelassenen | |
| Heilverfahren gibt. Off-Label-Use nennt sich das. Doch das traut sich | |
| keiner. Ich dränge, ich nerve, ich bettle, ich wirke | |
| hysterisch.Währenddessen verursacht Olivias Bettlägerigkeit immer neue | |
| gesundheitliche Probleme: verätzte Speiseröhre, Rücken- und | |
| Gelenkschmerzen, Verstopfung, Druckstellen. | |
| Im Körper meines Kindes tobt eine Krankheit, und statt deren Ursache zu | |
| bekämpfen, bekommen wir Stützstrümpfe und den Rat, uns in | |
| Krankheitsakzeptanz zu üben. Die ganze Situation ist so unglaublich, dass | |
| es sich vollkommen irreal anfühlt. Es ist ein Albtraum. | |
| Mittlerweile bin ich über Selbsthilfegruppen gut vernetzt. Durch die | |
| [5][Veröffentlichung mehrere Kolumnen], in denen ich von Olivias Zustand | |
| erzähle, melden sich Ärztinnen und Wissenschaftler, die uns beraten. | |
| Betroffene organisieren eine Instagram-Aktion: Der Account | |
| @[6][nichtgenesen] soll Erkrankten ein Gesicht geben. Auch Olivias Bild ist | |
| dabei. | |
| Anfang Mai bekommen wir die Anfrage eines Filmteams der ARD, das eine | |
| Dokumentation mit dem Wissenschaftsjournalisten Eckart von Hirschhausen zum | |
| Thema Long Covid dreht. Wir sagen zu. Olivia will gehört werden. Sie will | |
| nicht lautlos verschwinden aus dieser Welt. | |
| Der Zustand bei uns zu Hause ist mittlerweile unhaltbar. Egal wie sehr | |
| Matthias und ich uns anstrengen, wir können nicht beiden Kindern gerecht | |
| werden. Wie soll unser wilder und lebensfroher Willi, der laute Musik über | |
| alles liebt und der, statt zu sprechen, nur einzelne Töne schreien kann, im | |
| selben Haus leben wie seine kranke Schwester, der jedes Geräusch | |
| körperliche Schmerzen verursacht? | |
| Beide Kinder brauchen mich, aber ich kann mich nicht zerteilen. Ich bin bei | |
| Olivia am Bett, als Willi oben versucht, alleine aufs Klo zu gehen, und das | |
| ganze Bad mit Kot beschmiert. Während ich Willi bade und sauber mache, | |
| nässt sich Olivia fast ein, weil ich ihr leises Rufen und Weinen nicht | |
| höre, als sie zur Toilette muss. Wir stellen für Willi einen Antrag auf | |
| Heimunterbringung – bis heute schäme ich mich dafür. | |
| Auch Matthias geht es immer schlechter. Er sagt, es sei der Krieg. Wie | |
| riesengroß seine Angst um Olivia ist, merke ich, als er ihr ein kleines | |
| Rudel Nagetiere in einem Terrarium neben ihrem Bett erlaubt. | |
| Die Zeit vergeht langsam. Physiotherapie, Osteopathie, | |
| Nahrungsergänzungsmittel – alles ist anstrengend, und es ist kaum zu | |
| beurteilen, ob es Olivia mehr nutzt oder mehr schadet. Ich könnte vieles | |
| erzählen. Zum Beispiel von dem Tag, an dem es Olivia so schlecht geht, dass | |
| sie um Hilfe schreit und man uns im Krankenhaus gnadenlos abweist. Nie im | |
| Leben war ich so verzweifelt. | |
| Auch wenn es noch keine durch [7][Studien belegten Beweise zu den | |
| Krankheitsmechanismen] von Post Covid gibt, schien mir die These der | |
| Autoimmunreaktion immer plausibel. Olivias Blut ließen wir daher in einem | |
| Speziallabor auf Autoantikörper untersuchen. Der Befund: positiv. Doch | |
| niemanden interessierte es, dass Olivias Immunsystem Antikörper produziert, | |
| die sie womöglich krank machen. Man schaut mich an, als hätte ich eine | |
| Hellseherin im Kaffeesatz lesen lassen. | |
| Dabei lieferte das Ergebnis der Blutuntersuchung aus meiner und der Sicht | |
| vieler Wissenschaftler:innen einen Ansatz zur ursächlichen Behandlung: | |
| Die Autoantikörper simulieren im Körper Stresssubstanzen wie Adrenalin. Sie | |
| setzen sich auf die Rezeptoren des Herz-Kreislauf- und des Nervensystems | |
| und lösen so im Körper einen dauerhaften Ausnahmezustand aus – was auch die | |
| Fülle an Symptome erklären würde. Autoantikörper, das ist die gute | |
| Nachricht, lassen sich aus dem Blut entfernen. | |
| Immer wieder lese ich von einem vielversprechenden Herzmedikament mit dem | |
| schönen Namen BC007, welches Autoantikörper bindet und mehrere Menschen mit | |
| Long Covid geheilt haben soll. Doch es ist noch nicht zugelassen. Ich bin | |
| sicher, nicht einmal mit einem bewaffneten Überfallkommando ließe es sich | |
| beschaffen, sonst hätten wir es vielleicht versucht. | |
| Ein anderes Verfahren, das Antikörper mittels „Blutwäsche“ entfernt, nennt | |
| sich Immunadsorption. Seit vielen Jahren wird sie bei Multipler Sklerose | |
| und anderen Autoimmunerkrankungen erfolgreich eingesetzt. Doch ihre | |
| Wirksamkeit ist für Long Covid oder ME/CFS noch nicht mit Studien belegt, | |
| also müssen die Kosten von rund 15.000 Euro privat bezahlt werden. Viele | |
| Erkrankte, die das Geld aufbringen können, tun das. Niemand wertet die | |
| wissenschaftlichen Daten aus. Obwohl wir nicht wissen, ob es der richtige | |
| Weg ist, flehen wir Kliniken an, bei unserem Kind eine Immunadsorption | |
| durchzuführen. Ohne Erfolg. Niemand möchte ein Kind behandeln. | |
| Olivia und ich sprechen und weinen viel, aber wir lachen auch und halten | |
| uns nachts im Arm. Eine Psychologin befindet, diese Nähe sei nicht | |
| altersgemäß für eine Teenagerin. Aber mit 13 nicht den Kopf halten zu | |
| können und den Po abgewischt zu bekommen ist es auch nicht. | |
| Mein „Wurmi“ freut sich über blühende Äste von draußen, und ihr Papa fi… | |
| für sie mit dem Handy Insekten und Frösche am Teich. Olivia fertigt über | |
| viele Wochen ein Stickbild mit den Worten „Fuck Corona“. Sie spricht von | |
| ihrer Sehnsucht nach Sand und Gras unter ihren Füßen, wir träumen davon, | |
| was wir tun werden, wenn sie wieder im Rollstuhl sitzen kann. | |
| Ein Arzt schickt mir eine aktuelle Studie zur Prognose des Chronischen | |
| Fatigue-Syndroms bei Kindern und Jugendlichen. Er möchte mir Mut machen: | |
| Mehr als die Hälfte werden wieder gesund, durchschnittliche | |
| Erkrankungsdauer fünf Jahre. Fünf Jahre! | |
| Über Beziehungen, Familie und Freunde kommen wir plötzlich in Kontakt mit | |
| einem Nephrologen, der bereit ist, bei Olivia einen individuellen | |
| Heilversuch mittels einer Immunadsorption zu wagen. Wir fürchten eine | |
| weitere Verschlechterung, aber noch viel mehr fürchten wir, es könnte so | |
| schrecklich bleiben, wie es ist. | |
| Ich lese, dass andere Ärzte vor der Immunadsorption warnen: Es könne zu | |
| Kreislaufproblemen oder Entzündungen an den Einstichstellen kommen. In | |
| Anbetracht von Olivias Zustand erscheint das lächerlich. | |
| Als wir unseren geliebten Wurm vorsichtig auf die Liegefläche unseres | |
| VW-Busses betten und uns auf den Weg ins zwei Stunden entfernte Krankenhaus | |
| machen, sind die Bäume draußen schon lange grün. Meine Hoffnung in die | |
| Therapie ist groß. So groß, dass ich überlege, die Lammfellstiefel, die nun | |
| schon so lange unbenutzt im Flur stehen, mitzunehmen. Ich lasse sie zu | |
| Hause: Olivia wird nicht plötzlich aus dem Bett aufstehen, außerdem sind es | |
| 22 Grad. | |
| An fünf Tagen läuft Olivias gesamtes Blut außerhalb ihres Körpers durch ein | |
| Gerät, das alle Antikörper herausfiltert. Aufgrund seiner Erfahrungen mit | |
| anderen Autoimmunerkrankungen ist der Arzt optimistisch, dass sich die | |
| Autoantikörper – anders als alle anderen Antikörper – nicht nachbilden | |
| werden. An jedem einzelnen Tag nimmt er sich mehr Zeit für Gespräche als | |
| alle Krankenhausärzt:innen bis dahin zusammen. Auch weitere Schritte | |
| in Bezug auf Medikamente diskutieren wir auf Augenhöhe. Als wir wieder | |
| abreisen, geht es Olivia nicht besser, aber auch nicht schlechter: Sie hat | |
| trotz der großen Anstrengung keinen Crash – ein gutes Zeichen. | |
| In den folgenden vier Wochen kämpfe ich mit meiner Enttäuschung darüber, | |
| dass Olivia immer noch bettlägerig ist, und mit meinem Schmerz angesichts | |
| zweier verwaister Kinderzimmer und des leeren Küchentischs: Willis Platz | |
| ohne Krümel, das hat es nicht gegeben, seit er in eine Laugenbrezel beißen | |
| kann. | |
| Immerhin kann Olivia wieder auf der Terrasse liegen, wenn auch unter | |
| Daunendecken, obwohl es mittlerweile heiß geworden ist. Sie hat etwas mehr | |
| Energie, wir müssen bei Besuch den Wecker nicht mehr auf 20 Minuten | |
| stellen, und ihre Bastelprojekte werden wieder größer. Wir flechten Körbe | |
| aus frischem Stroh. Auch Olivias Filmgeschmack macht Fortschritte: Nach | |
| Wochen mit lahmen Märchenverfilmungen sind wir nun in der zweiten Staffel | |
| „Star Trek: The Next Generation“. | |
| Matthias und ich fahren für eine Nacht nach Berlin aufs Pearl-Jam-Konzert, | |
| während mein Bruder mit Olivia durchkniffelt. Sie kann den Würfelbecher | |
| wieder halten, und ich mag wieder Kaffee trinken. | |
| Willi kommt übers Wochenende nach Hause, darf Olivia wieder umarmen und | |
| fährt vergnügt zurück in seine Gruppe. Und dann, ganz plötzlich, verwandelt | |
| sich der Wurm wieder in eine wundervoll normale Jugendliche. Von dem Tag, | |
| an dem Olivia den Kopf wieder heben kann, bis zum freien Sitzen – und damit | |
| auch dem ersten Gang zur richtigen Toilette! – sind es gerade mal zwei | |
| Wochen. | |
| Wenige Tage später bearbeitet Olivia an der Werkbank ein Stück Holz mit | |
| einem Stemmeisen, und ich schiebe sie im Rollstuhl durch Wald und Feld. | |
| Dann erste Schritte mit der Physiotherapeutin, dann mit Krücken, sitzen auf | |
| einem normalen Stuhl, eine Fahrt im Auto zu Oma und Opa. Das erste Mal | |
| wieder schlafen im eigenen Bett, den Kleiderschrank öffnen – nichts passt | |
| mehr! Übernachten mit einer Freundin und endlich wieder Musik hören: | |
| „Clandestino“ von Manu Chao. | |
| Ende Juli packen wir den Rolli ein und fahren in den Urlaub an die | |
| polnische Ostsee. Erste freie Schritte im Sand, baden im Meer, schlafen am | |
| Strand, Lagerfeuer, Gitarre. Ein Wunsch nach dem anderen geht in Erfüllung. | |
| Nach den Sommerferien kann Olivia schon wieder teilweise zurück in ihre | |
| alte Schulklasse, ohne Noten und Leistungsdruck. | |
| Nie im Leben bin ich so glücklich gewesen! Doch fast täglich melden sich | |
| verzweifelte Familien bei mir, die unser Glück nicht haben – alle auf der | |
| Suche nach Hilfe. Ich erfahre Unglaubliches: Kinder werden aus Ratlosigkeit | |
| in Psychiatrien eingewiesen. Eltern, die das verhindern wollen, versucht | |
| man das Sorgerecht zu entziehen. Eine Mutter schickt mir einen Link zur | |
| Bild-Zeitung. Der Arzt einer Post-Covid-Ambulanz grinst mir entgegen. Unter | |
| der Überschrift „Long Covid ist vor allem oft Kopfsache“ rät er zu | |
| Psychotherapie und Sport. | |
| Derselbe Arzt, Leiter der Neurologie einer Uniklinik, teilt auf Twitter | |
| Verleumdungen von Querdenkern, die implizieren, wir hätten uns für die | |
| Teilnahme an [8][der ARD-Dokumentation] von der „Lügenpresse“ bezahlen | |
| lassen: Olivia als Schauspielerin, um die Gebührenzahler mit Panikmache zu | |
| manipulieren. | |
| Darunter zahllose Kommentare, in denen Menschen sich über uns die Mäuler | |
| zerreißen: Man sollte mir, dieser ekelhaften, medien- und profitgeilen | |
| Systemhure, sofort das Kind wegnehmen! Und falls Olivia wider Erwarten | |
| wirklich krank gewesen sei, wäre das ohnehin die gerechte Strafe für die | |
| „Giftspritze“ – womit die Impfung gemeint ist. | |
| ## Wo kommt nur dieser Hass her? | |
| Zum Glück spielt sich all das in einer Social-Media-Blase ab, die unser | |
| echtes Leben kaum berührt. Wenn Olivia davon hört, wird sie wütend. Sie | |
| sagt, sie wünscht ihre Krankheit niemandem – nur diesen Leuten würde sie | |
| sie gönnen. | |
| Nach Ausstrahlung der Dokumentation Ende Oktober melden sich auch einige | |
| Mediziner öffentlich zu Wort. Manche ihrer Stellungnahmen lesen sich | |
| so, als empöre sie die katastrophale Lage der Erkrankten weniger als die | |
| Tatsache, dass Heilansätze gezeigt wurden, deren Wirksamkeit mit Studien | |
| noch nicht belegt ist. | |
| Immerhin [9][sollen zum Jahreswechsel] endlich die ersten klinischen | |
| Studien zur Wirkung von Immunadsorptionen und einiger Medikamente bei Long | |
| Covid anlaufen. Aber Betroffene können unmöglich warten, bis die Ergebnisse | |
| vorliegen, das kann Jahre dauern. | |
| Und wird bis dahin weiterhin nur behandelt, wer genug Geld, Wissen oder | |
| Beziehung hat? Das ist so ungerecht. Manche halten Berichte über Fälle wie | |
| unseren für „Panikmache“. Für meine Familie kann ich aber sagen: Alle mei… | |
| Worte hier vermögen noch lange nicht die Panik und den Schmerz | |
| auszudrücken, die wir erlitten haben. Ich weiß nicht, wie viele Menschen | |
| das Post-Covid-Syndrom und ME/CFS betrifft, es fehlen Daten. Aber ich | |
| finde, es sollte uns alle angehen. Denn jedes Kind, das keine | |
| Freund:innen mehr treffen und nicht mehr zur Schule gehen kann, ist eines | |
| zu viel. | |
| Meine Tochter hat ihr Leben zurück, nur der Spitzname „Wurmi“ ist | |
| geblieben. Wir bekommen diesen Herbst gar nicht genug von der Schönheit der | |
| Welt, die wir so vermisst haben: bunte Blätter, Äpfel, Steinpilze. Jeden | |
| Tag ist Olivia draußen und endlich ganz altersgemäß auch wieder ohne mich. | |
| Die Lammfellstiefel passen noch. | |
| 14 Nov 2022 | |
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| [9] https://www.tagesspiegel.de/wissen/die-krankheit-nach-der-krankheit-long-co… | |
| ## AUTOREN | |
| Birte Müller | |
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