# taz.de -- Vorstellung der neuen Corona-Kampagne: Schicksale statt Studien | |
> Gesundheitsminister Lauterbach setzt bei der neuen Corona-Kampagne auf | |
> lebensnahe Geschichten. Darunter auch die von Long-Covid-Betroffenen. | |
Bild: Hat Karl Lauterbach (rechts) zuvor oft kritisiert: Autorin und Long-Covid… | |
BERLIN taz | „Hallo, mein Name ist Margarete Stokowski. Ich bin hier heute | |
das Abschreckungsbeispiel [1][für Long Covid]. Ich bin Autorin – oder war | |
es vorher einmal.“ Mit schwarzem Hoodie und sichtlich angestrengt berichtet | |
die Spiegel-Kolumnistin und ehemalige taz-Autorin in der | |
Bundespressekonferenz in Berlin [2][von ihrer akuten Erkrankung]. 264 Tage | |
sind seit ihrer Coronainfektion im Januar 2022 vergangen. Bis heute kann | |
sie nicht wieder arbeiten und ihren Alltag bewältigen wie vor ihrer | |
Erkrankung. | |
Wer Stokowski sonst von Lesungen oder Talks auf Buchmessen aus den letzten | |
Jahren kennt, erschrickt bei ihrem Auftritt. Auf ihren Social-Media-Kanälen | |
teilt sie seit zehn Monaten Auszüge über das Leben mit der Krankheit. Sie | |
live über ihre Long-Covid-Symptome wie Brain Fog, Herzrasen, „täglich | |
krasse Kopfschmerzen“ oder Wortfindungsstörungen sprechen zu hören, gibt | |
einen schmerzhaften Eindruck der Folgen einer Covid-19-Erkrankung. | |
Um abzuschrecken und um aufzuklären, dass Long Covid eben nicht bedeutet, | |
„ein bisschen müde zu sein“, dafür hat sich Stokowski bereiterklärt, | |
öffentlich zu sprechen. Denn auch viele sonst gut informierte Menschen | |
wüssten wenig über Long Covid oder hätten völlig falsche Vorstellungen von | |
der Erkrankung, so Stokowski. | |
Neben ihr sitzt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Zum Start | |
der neuen Corona- und Impfkampagne „Ich schütze mich“ seines Ministeriums | |
fasst er zusammen, wie sich die Wahrnehmung der Pandemie in Deutschland | |
verändert hat. Es „bestürze“ ihn, dass inzwischen viele Leute bei den | |
Coronasterbezahlen kritisch nachfragten, ob das nicht ohnehin „nur“ alte | |
oder kranke Leute gewesen sein. Ob diese denn wirklich „an – oder nur mit | |
Corona“ gestorben seien. So hätten zu Beginn der Pandemie die meisten nicht | |
gedacht. Doch statt Solidarität gebe es jetzt Defätismus. Maßnahmen zur | |
Eindämmung? Das bringt nichts mehr. | |
## Nur Daten erreichen die Menschen nicht | |
Statt nur mit „komplizierten Studien“ zu versuchen, Menschen zu erreichen, | |
setzt Lauterbach mit der neuen Coronakampagne auf reale Geschichten. 84 | |
Personen erzählen stellvertretend für 84 Millionen Menschen in Deutschland, | |
warum sie sich vor Corona schützen. Mit TV-Spots, Plakaten und | |
Social-Media-Posts will Lauterbachs Ministerium für die Impfung mit dem | |
Omikron-Impfstoff werben, aber auch für das Tragen von Masken. | |
Erneut [3][wiederholte er seinen Appell an die Bundesländer,] von der | |
Maskenpflicht in Innenräumen Gebrauch zu machen, [4][wie es das | |
Infektionsschutzgesetz vorsehe]. Das sei eine niederschwellige Maßnahme und | |
könnte später stärkere Einschränkungen verhindern: „Die Richtung, in die | |
wir unterwegs sind, ist keine gute“, mahnte Lauterbach. Aber trotz | |
steigender Zahlen und einer Dunkelziffer bei Neuinfektionen, die nach | |
Lauterbachs Einschätzung etwa drei- bis viermal höher seien, sehe er eine | |
nationale Notlage aktuell „überhaupt nicht begründbar“. | |
In den Erzählungen der Impfkampagne sind auch Long-Covid-Betroffene dabei. | |
Margarete Stokowski selbst aber nicht: „Wenn man mit mir gerade einen | |
Termin macht, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ich wieder | |
absage“, sagt Stokowski. Und: Sie kritisiert die schlechte Versorgungslage | |
von Long-Covid-Patient*innen in Deutschland. Manche Ärzt*innen würden | |
Betroffene nicht ernst nehmen, die Sprechstunden seien in ihrer Wahrnehmung | |
überlaufen. Zu spät sei die Forschung zu Long Covid in Angriff genommen | |
worden, sodass sie selbst für viel Geld verschiedene Sachen ausprobiert | |
habe, um zu schauen, ob sie helfen. Das könnten sich viele Menschen nicht | |
leisten. | |
## Omikron-Impfstoff und Paxlovid | |
Stokowski war dreifach geimpft, als sie sich mit Corona infizierte. | |
Trotzdem setzt die neue Kampagne besonders auf den angepassten Impfstoff. | |
Diese würden das Risiko, an Long Covid zu erkranken, um die Hälfte | |
verringern, so Lauterbach. Auch eine Infektion sei dadurch | |
unwahrscheinlicher. Aussagen über mögliche neue Virusvarianten, wie BQ.1 | |
und BU.1.1, und zur Wirksamkeit der vorhandenen Impfstoffe darauf wollte er | |
jetzt noch nicht treffen. Stattdessen betonte er erneut die gute | |
Wirksamkeit des Coronamedikaments Paxlovid und dass man insgesamt gut für | |
den „schweren Herbst“ vorbereitet sei. | |
Eine Zielquote für neue Impfungen setzt sich das Gesundheitsministerium mit | |
der Kampagne nicht. Insbesondere wolle man aber für die [5][vierte Impfung | |
bei den über 60-Jährigen] werben, wie sie auch die Ständige Impfkommission | |
(Stiko) empfiehlt. Wie gut die insgesamt 32 Millionen Euro plus 700.000 | |
Euro für die kreative Entwicklung der Kampagne – nach Aussage Lauterbachs | |
also rund 40 Cent pro Bundesbürger*in – investiert sind, wird sich erst | |
zeigen. | |
14 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Leben-mit-Long-Covid/!5870106 | |
[2] /Debatte-um-Triage/!5852017 | |
[3] /Nachrichten-zur-Coronapandemie/!5887695 | |
[4] /Kabinett-billigt-Infektionsschutzgesetz/!5873595 | |
[5] /Corona-und-die-Impffrage/!5873108 | |
## AUTOREN | |
Linda Gerner | |
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