# taz.de -- Union zum Ampel-Projekt: Kulturkampf ums Bürgergeld | |
> Ein Kompromiss beim Bürgergeld scheint mit den Unionsparteien nicht | |
> möglich zu sein. Deren Argumente sind nicht nur falsch, sondern | |
> heuchlerisch. | |
Bild: Mit dem Bürgergeld bekommen Menschen mehr Zeit, sich um Arbeit zu kümme… | |
Leistung muss sich lohnen, fordert die Union. Und bringt Menschen mit | |
geringen Einkommen in Stellung gegen diejenigen, die künftig Bürgergeld | |
beziehen. Mal abgesehen davon, dass es heuchlerisch hoch drei ist, wenn die | |
Union leistungslose Erbschaften schützt, sich beim Mindestlohn enthält, | |
aber dann vom Lohnabstandsgebot schwafelt, ist das Narrativ vom „zu | |
attraktiven“ Bürgergeld, bei dem sich Arbeit nicht mehr lohnen würde, | |
[1][auch sachlich falsch]. Und zwar aus drei Gründen. | |
[2][Die Sanktionen bleiben auch beim Bürgergeld erhalten], die Menschen | |
werden bloß nicht mehr ab dem ersten Brief damit bedroht. Sondern erst ab | |
dem zweiten Anschreiben gegängelt. | |
Arbeit lohnt sich zweitens tatsächlich wieder mehr, dafür hat die Ampel | |
gesorgt, indem sie den Mindestlohn auf 12 Euro erhöht hat. Wer wenig | |
verdient, hat zudem künftig bessere Aussicht auf Wohngeld. Und drittens hat | |
die Ampel den größten Schwachpunkt des alten Hartz-IV-Systems auch beim | |
Bürgergeld beibehalten: Die Regelsätze werden weiterhin auf arm getrimmt, | |
so dass bestimmte „Luxusausgaben“, wie etwa ein Besuch der Eisdiele, nicht | |
berücksichtigt werden. Hartz-IV-Jahre sind keine Herrenjahre, merkt euch | |
das, Kinder! | |
An einem wichtigen Punkt will die Ampel mit dem Bürgergeld aber tatsächlich | |
einen Kulturwandel. Sie reformiert ein Menschenbild. Der antriebslose | |
Arbeitslose, der lieber Tiefkühlfritten vor der Glotze konsumiert, als | |
sich um Arbeit oder Schulabschluss zu bemühen, ist passé. Stattdessen traut | |
die Ampel den Menschen, wenn auch zaghaft, zu, dass sie tätige Mitglieder | |
der Gesellschaft sein wollen, dass sie Akzeptanz und keine Almosen haben | |
wollen. | |
Deshalb setzen SPD, Grüne und FDP mit dem Bürgergeld erst mal auf | |
Qualifizierung, um Menschen in „gute“ Arbeit statt in Bullshitjobs zu | |
bringen. Was genau richtig ist, angesichts des Fach-kräftemangels und der | |
Tatsache, dass fast zwei Drittel der Langzeitarbeitslosen keinen | |
Berufsabschluss haben. Mit dem Bürgergeld bekommen Menschen mehr Zeit, sich | |
um Arbeit oder Weiterbildung zu kümmern, anstatt sich [3][sofort auf die | |
Suche nach einer angemessen billigen Bruchbude zu machen] und ihre Konten | |
aufzulösen. Das alles ist ein Schritt nach vorn. | |
Die Union findet diesen Kulturwandel falsch und arbeitet eifrig an der | |
Wiederauferstehung des Pappkameraden des faulen Arbeitslosen. Sie will im | |
Kern Hartz IV beibehalten. Deshalb ist ein vernünftiger Kompromiss mit der | |
Union, ohne den Geist des Bürgergelds zu verraten, nicht möglich. Um eine | |
Mehrheit im Bundesrat zu bekommen, muss die Ampel darauf setzen, dass die | |
Union in einigen Bundesländern da weiter ist. | |
8 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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