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# taz.de -- Unterbringung von Geflüchteten in Berlin: „Die Hilfsbereitschaft…
> Wo sollen Flüchtlinge angesichts der Wohnungsnot unterkommen? Die Politik
> muss private Initiativen mehr unterstützen, sagt Maria Huber von Housing
> Berlin.
Bild: Ukraine-Flüchtlinge aus der Ukraine im März am Berliner Hauptbahnhof. K…
taz: Frau Huber, es kommen wieder mehr Flüchtlinge nach Berlin. Und wegen
des eskalierenden Krieges in der Ukraine und des Winters erwartet man, dass
noch weitere Menschen kommen. Zugleich hat Senatorin Katja Kipping (Linke)
am Montag erklärt, dass die Unterkünfte voll sind. Gibt es Potenzial bei
privaten Gastgeber*innen, so wie zu Beginn des Krieges?
Maria Huber: Auf jeden Fall. Ich glaube aber, dass von staatlicher Seite
einiges getan werden muss, um noch mal eine ähnliche Hilfsbereitschaft in
der Zivilbevölkerung zu erreichen.
Was denn?
Wichtig wäre eine Zusicherung der Heizkostenübernahme. Ich glaube, es muss
eine sehr klare Botschaft vom Senat, aber auch von der Bundespolitik geben:
„In dem Moment, in dem ihr jemanden aufnehmt, bekommt ihr Unterstützung.“
Ein anderer Punkt wäre, die Wohnsitzauflage zu lockern. Wir haben viel
Hilfsbereitschaft in kleineren Kommunen deutschlandweit – aber jemanden,
der in Berlin registriert ist, kann man dort nicht hinvermitteln. Es müsste
möglich sein, dass die Behörden für Initiativen, die versuchen, Privatraum
in anderen Städten zu vermitteln, die Registrierung in Berlin aufheben
können. Denn die meisten Leute kommen in Berlin an, und bis zu 43 Prozent
von ihnen werden hier registriert – und müssen wegen der Auflage dann auch
in der Stadt bleiben.
Was brauchen wir noch?
Wir brauchen wieder das Bewusstsein dafür, was es bedeutet, wenn diesen
Winter die Unterkünfte überlaufen. Niemand von uns möchte erneut mit den
Bildern von 2015 leben, als Leute auf der Straße schlafen mussten. Bereits
jetzt übernachten Menschen auf dem Boden. Aber wir sind an einer Art
historischem Punkt, wo wir ein wahnsinniges Engagement in der
Zivilbevölkerung haben. Ich glaube, dass wir das mit einer neuen
Medienaufmerksamkeit honorieren müssen. Und es wäre gut, wenn sich der
Senat direkt an die Bevölkerung wendet.
Bis heute sind in Berlin die meisten Ukrainer*innen privat
untergebracht. Ist diese riesige Hilfsbereitschaft noch vorhanden?
Ich glaube schon, aber sie ist auf Ernüchterung gestoßen. Leute haben
versucht, Dinge anzustoßen; viele haben Menschen aufgenommen, wurden dann
aber von der Politik ohne Beratungsangebot im Stich gelassen. Da muss man
ganz klar sagen, dass der Senat es versäumt hat nachzufragen: Was braucht
ihr? Wie können wir euch helfen?
Was brauchen Gastgeber*innen?
Zum Beispiel Beratung, wo man Gelder beantragen kann. Es wäre auch wichtig,
dass solche Prozesse einfacher gemacht werden. Aktuell müssen Geflüchtete
den langen Weg zu den Sozialämtern machen: häufig gibt es ein Pingpong
zwischen Bezirken, Sozialämtern, Jobcentern, damit das Geld an die
Vermieter gezahlt wird. Gut wäre, wenn in den Bezirksämtern eigene Stellen
eingerichtet werden, damit man als Host zusammen mit der Person, die man
aufnimmt, in Kooperation diese Gelder beantragen kann. Und vor allem als
Pauschale und nicht über den komplizierten Weg eines Mietvertrags.
Was fehlt noch?
Natürlich gibt es von Gastgeber*innen Fragen wie: Was mache ich mit
einer Person, die ich aufgenommen habe, und wir verstehen uns nicht mehr?
Kann ich den Menschen guten Gewissens wieder ins öffentliche System führen?
Was bedeutet das? Ganz wichtig ist daher, in Kontakt mit den
Gastgeber*innen zu bleiben und in all diesen Punkten zu beraten. Das
wird von den Initiativen geleistet – von unserer Gruppe Housing Berlin,
aber auch von den Alteingesessenen wie Berlin hilft, Schöneberg hilft,
Moabit hilft und so weiter. Auf staatlicher Seite fehlt so ein Angebot
bislang völlig. Es gab zwar diese große Danke-Veranstaltung vom Senat im
Sommer – aber niemand braucht das offizielle Händeschütteln. Wir brauchen
Netzwerkarbeit.
Jetzt hat der Senat bereits angefangen, die Strukturen wieder abzubauen,
zum Beispiel das Willkommenszelt am Hauptbahnhof. Ein Fehler?
Ja, wie überhaupt in Bezug auf den Winter mehrere riesige Fehler begangen
wurden. Auch mit uns hat die Staatssekretärin für Integration über die
Wohnungsnot gesprochen. Der Senat versucht jetzt, 5.000 Betten aufzustocken
durch Verdichtung in bestehenden Heimen. Aber das ist angesichts der
drohenden Ankunftszahlen viel zu wenig. Seit April wird von Seiten der
Initiativen gefordert, einen anständigen Winterplan vorzulegen. Wenn dabei
nur 5.000 Betten rauskommen, wurden wir ganz massiv überhört. Das Gleiche
gilt für die Ankunftsstrukturen, das Welcome-Zelt, das man abgebaut hat.
Die Politik hört einfach nicht auf uns, obwohl wir die meiste Arbeit
machen.
Frustrierend, oder?
Ja! Ein großer Punkt ist auch, dass man lange – und immer noch – die
Initiativen aus den Bezirken zur Schaffung von Unterkünften unter den Tisch
hat fallen lassen. Es gab sehr viele Initiativen, die kleinere bis
mittelgroße Geflüchtetenunterkünfte anbieten wollten, die aber aus
„logistischen Gründen“ vom Landesflüchtlingsamt (LAF) abgelehnt wurden. D…
LAF hat lieber in die klassische Massenunterkunft, etwa am Columbiadamm,
investiert, aber nicht in das Heim in Schöneberg oder Prenzlauer Berg, in
dem „nur“ 50 Geflüchtete unterkommen. Das sind aber Orte mit einem massiven
Integrationspotenzial, zumal oft wirklich eine Zivilbevölkerung
dahintersteht.
Sie wissen von Angeboten, die beim LAF gescheitert sind, weil sie „zu
klein“ waren?
Ja, das waren einige, vor allem im Frühjahr. Es gab mehrere private
Anbieter, auch Hotels, aber aus den meisten wurde nichts. Ich weiß von
genau einer Unterkunft, die sich aus einer privaten Initiative gegründet
hat, bei der das geklappt hat und die jetzt wahnsinnig gute Arbeit leistet,
die Leute zu vernetzen und in Wohnraum zu vermitteln. Alle anderen
Bemühungen dieser Art wurden abgelehnt. Da hat der Senat mal wieder auf das
falsche Pferd gesetzt.
12 Oct 2022
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
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