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# taz.de -- Maßnahmen gegen Gaskrise: Einmalzahlung und Preisbremsen
> Die Kommission legt Vorschläge zur Entlastung von Bürger:innen und
> Unternehmen vor. Verdi-Chef Werneke kritisiert die fehlende soziale
> Balance.
Bild: Schuhe besser woanders trocknen, Heizen bleibt auch mit staatlichen Subve…
Berlin taz | Mit einer Einmalzahlung im Dezember und einer Preisbremse für
ein Grundkontingent ab dem Frühjahr soll der Staat privaten und
gewerblichen Gaskund:innen unter die Arme greifen. Das schlägt die von
der Bundesregierung eingesetzte Expert:innenkommission Gas und Wärme
vor. Großkunden aus der Industrie sollen bereits ab Januar von einer
Preisbremse profitieren. Die Bundesregierung will die Vorschläge zügig
prüfen, kündigte ein Regierungssprecher an.
Die Kommission arbeitet seit September an Vorschlägen zur Dämpfung der
hohen Gaspreise. [1][Viele Privathaushalte, aber auch soziale Einrichtungen
und Unternehmen] sehen sich nicht oder kaum in der Lage, die drastisch
gestiegenen Abschlagszahlungen zu stemmen.
Bis zum frühen Montagmorgen um 6.25 Uhr haben die 21 Vertreter:innen
aus Wirtschaft, Wissenschaft, Sozialverbänden und Gewerkschaften getagt,
damit die drei Vorsitzenden am Montagvormittag einen Zwischenbericht mit
konkreten Empfehlungen vorlegen konnten. „Wir wollten in der
Entlastungswirkung schnell sein“, sagte Michael Vassiliadis, einer der
Kommissionsvorsitzenden und Chef der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie,
Energie.
Um rund 24 Millionen Privathaushalte und Betriebe zu entlasten, soll der
Staat im Dezember eine Einmalzahlung in Höhe der Abschlagszahlung vom
September leisten, was über den Versorger abgewickelt wird. „Das ist ein
sehr pragmatisches Vorgehen“, sagte die weitere Kommissionsvorsitzende und
Wirtschaftsweise Veronika Grimm. Eine schnelle Entlastung anders zu
organisieren, wäre schwerer gewesen.
## Preisbremse kommt nächstes Jahr
Darüber hinaus soll im Frühjahr eine Preisbremse für diese
Verbraucher:innen greifen. Die Kommission möchte sie ab März. Schaffen
die Versorger das nicht, könnte sie auch erst im April kommen. Für ein
Grundkontingent soll ein Preis von 12 Cent pro Kilowattstunde gelten. „Das
Grundkontingent beträgt 80 Prozent des Verbrauchs, der der Abschlagszahlung
aus September 2022 zugrunde gelegt wurde“, heißt es in den Empfehlungen.
„Der erhaltene Betrag muss nicht zurückgezahlt werden, selbst wenn der
tatsächliche Verbrauch in der Jahresendabrechnung von der angenommenen
Menge abweicht.“ Für den Verbrauch oberhalb des Grundkontingents wird der –
voraussichtlich sehr hohe – Marktpreis fällig.
Der subventionierte Preis entspricht ungefähr dem Niveau, das in Zukunft
erwartet wird, sagte Grimm. Die Bremse soll bis Ende April 2024 gelten. Für
Verbraucher:innen, die mit Fernwärme heizen, soll der gleiche Mechanismus
gelten. Hier liege der Zielpreis bei 9,5 Cent, sagte Grimm. Die Kommission
habe sich auf Gas fokussiert, weil die Kund:innen hier sehr viel stärker
belastet seien als die mit anderen Heizungsarten.
## Rund 96 Milliarden Euro Kosten
Für die Einmalzahlung geht die Kommission von Kosten in Höhe von 5
Milliarden Euro aus. Die Preisbremse für Haushalte und kleinere Betriebe
kostet voraussichtlich rund 66 Milliarden Euro. Für die Entlastung der
Industrie sind 25 Milliarden Euro vorgesehen. Die Rabatte sind
einkommensteuerpflichtig, ein Teil des Gelds fließt also an den Staat
zurück. Die Kommission empfiehlt zwar hohe Freibetragsgrenzen, nennt aber
kein Zahlen. Finanziert werden sollen die Hilfen für Privatleute und
Wirtschaft aus dem 200 Milliarden Euro schweren
Wirtschaftsstabilisierungsfonds, dessen Reaktivierung [2][Bundeskanzler
Olaf Scholz (SPD) vor Kurzem als „Doppelwumms“ angekündigt] hatte. Aus dem
Fonds werden auch weitere Maßnahmen finanziert, etwa die Rettung der
Gasversorger.
Industriebetriebe erhalten keine Abschlagszahlung. Für bis zu 25.000
Unternehmen soll bereits ab Januar für 16 Monate eine Preisbremse greifen,
die bei einem Beschaffungspreis von 7 Cent pro Kilowattstunde liegt. Sie
soll für 70 Prozent des Verbrauchs im Jahr 2021 gelten. Diese Unternehmen
haben spezielle Großkundentarife. Für sie lägen mehr Daten vor, weshalb die
Preisbremse eher greifen könne, sagte Siegfried Russwurm, Präsident des
Bundesverbands der Deutschen Industrie und dritter Vorsitzender der
Kommission. Der Beschaffungspreis für die Industrie entspräche etwa dem
Preis für Privathaushalte, sagte er. Der Unterschied bestehe darin, dass im
Preis für Privatkund:innen alle Gebühren enthalten sind, in dem für die
Industrie nicht.
## Kritik von Verdi und Linkspartei
[3][Ein Sondervotum zu den Vorschlägen der Kommission abgegeben] hat der
Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Werneke. „Das
vorgeschlagene Modell der Gaspreisbremse ist nicht ausreichend sozial
ausbalanciert“, kritisierte er. „Durch das Modell wird eine
Zweizimmerwohnung genauso behandelt wie eine Villa mit Pool.“ Um Gering-
und Durchschnittsverdienende finanziell nicht zu überfordern, sollte nach
seinen Vorstellungen ein Kontingent pro Haushalt, zum Beispiel 4.000
Kilowattstunden, zu einem Preis aus der Zeit vor der Krise bezuschusst
werden.
Als „zutiefst unsozial“ kritisierte der Linkspartei-Vorsitzende Martin
Schirdewan die Kommissionsvorschläge. „Das ist Krisenpolitik für
Besserverdienende“, sagte er. Hoher Energieverbrauch werde subventioniert,
Leute ohne Geld müssten weiter dramatisch sparen.
Wirtschaftsvertreter:innen begrüßten die Vorschläge hingegen.
Das Ergebnis sei insgesamt positiv zu bewerten, sagte dagegen der Präsident
des Deutschen Industrie- und Handelskammertags Peter Adrian. „Es ist ein
starkes Signal, dass sich die Kommission auf eine schnelle und einfache
Preisbremse geeinigt hat, die für die Unternehmen eine klare Perspektive
bringt.“
Auch aus dem Kreis der Länderchefs kommt Lob. „Mein erster Eindruck ist
sehr positiv“, lobte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil,
der seit 1. Oktober auch Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist,
den Vorschlag der Kommission. Der Gedanke des Abschlags sei einleuchtend,
wenn man zügig und unbürokratisch handeln wolle, sagte Weil. Er lobte auch,
dass die Kommission Unternehmen von Anfang an in ihre Überlegungen
einbezogen habe. „Wir hören wirklich alarmierende Nachrichten aus der
Industrie“, so Weil. Ein Grundpreis von 7 Cent ließe sich hören, auch wenn
man für besonders energie- und exportorientierte Bereichen vielleicht noch
nachsteuern müsse.
Weil regte an zu prüfen, ob es möglich sei, das verbilligte Basiskontingent
für Verbraucher:innen schon vor dem 1. März einzuführen. „März wird für
manche noch ziemlich weit weg zu sein, die aber jetzt schon den Eindruck
haben, sie bräuchten jetzt bereit Hilfe“, sagte er.
10 Oct 2022
## LINKS
[1] /Caritas-Praesidentin-ueber-Energiekrise/!5884259
[2] /Bundesregierung-verkuendet-Gaspreisbremse/!5880548
[3] https://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++0094e690-4876-11ed-a46…
## AUTOREN
Anja Krüger
Anna Lehmann
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