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# taz.de -- Transfeindlichkeit: Wir geben dem Hass Raum
> Am Freitag starb ein trans Mann nach einem Angriff beim CSD in Münster.
> Selten ist Queerfeindlichkeit so sichtbar, doch sie ist Alltag in
> Deutschland.
Bild: Trauer und Gedenken nach dem Angriff auf einen trans Mann beim CSD Münst…
Noch immer leben queere Menschen in Deutschland gefährlich. Erst
vergangenen Samstag sorgte ein Angriff auf den 25-jährigen trans Mann Malte
C. am Rande des CSD-Städtefests in Münster für Aufmerksamkeit. Er wurde so
schwer verletzt, dass er [1][am Freitag im Krankenhaus starb]. Malte C. war
laut Zeug_innen dazwischengegangen, als ein Mann feindlich auf Teilnehmende
des CSD zuging und „lesbische Hure“ sowie „verpisst euch“ rief. Daraufh…
wurde er angegriffen.
Malte C. musste also sterben, weil Außenstehende ein Problem damit haben,
queere Existenz zu tolerieren – mehr noch, sie bekämpfen diese aktiv. Man
muss es so klar sagen, denn Queerfeindlichkeit wird zu oft
heruntergespielt. Viel zu oft will man sich in der Gesellschaft auf einer
scheinbar selbstverständlichen Akzeptanz von LGBTIQ+ ausruhen: In fast
jeder Stadt in Deutschland gibt es den CSD, sogar die Regenbogenflagge wird
auf dem Reichstagsgebäude gehisst. [2][Alles super, oder?]
Doch der Angriff in Münster ist kein Einzelfall. Queerfeindlichkeit ist
trauriger Alltag. Jeden Tag gibt es laut Lesben- und Schwulenverband in
Deutschland (LSVD) [3][durchschnittlich drei Fälle von Hasskriminalität
gegenüber LGBTIQ+-Personen]. Der Nährboden dafür ist eine Kultur der
vermeintlichen „Meinungsverschiedenheiten“, in der Terfs in Talkshows und
auf Social Media auf angeblich besorgte Wissenschaftler_innen verweisen,
die wiederum wie nebenbei trans Personen die Existenz absprechen. Der
Journalist Christian Knuth schreibt: „[4][Seit Wochen schüren Medien wie
Bild und Netzwerke] wie das um Marie-Luise Vollbrecht Hass auf trans
Menschen. Hass führt zu Gewalt.“
Der LSVD forderte schon im April Innenministerin Nancy Faeser (SPD) dazu
auf, „LSBTI-feindliche Hasskriminalität auf die innenpolitische Agenda zu
setzen“. Diese Woche hat der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven
Lehmann (Grüne), einen Plan gegen Queerfeindlichkeit vorgestellt. Dieser
wird nun mit Verbänden und Ministerien abgestimmt. Spätestens Ende des
Jahres soll daraus ein Aktionsplan entstehen, Maßnahmen sollen priorisiert
und umgesetzt werden. Lehmann will mit dem Aktionsplan „Queerfeindlichkeit
entschieden entgegenwirken“. Dazu gehört, dass, wie im Koalitionsvertrag
vereinbart, der Gleichbehandlungsartikel im Grundgesetz um das Verbot der
Diskriminierung wegen sexueller Identität erweitert wird. Ein weiterer
Punkt des Aktionsplans soll die Förderung von Projekten gegen Sexismus und
Queerfeindlichkeit in Schulen und im Sport sein.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will queerfeindliche Taten durch
eine Novelle des Strafrechtsparagrafen 46 stärker sanktionieren: Bislang
konnten durch den Paragrafen rassistische, fremdenfeindliche und
antisemitische Beweggründe strafverschärfend bewertet werden – nun soll er
ergänzt werden um „geschlechtsspezifische“ und „gegen die sexuelle
Orientierung gerichtete“ Tatmotive.
Bundesweit ist es seit 2020 möglich, [5][queerfeindliche Übergriffe unter
der Kategorie „Geschlecht/sexuelle Identität“ in der Statistik zur
Hasskriminalität zu erfassen.] Die meisten queerfeindlichen Delikte werden
in Berlin gemeldet. Vergangenes Jahr wurden laut Informationen des
Tagesspiegel [6][in Berlin 645 Verfahren] zu „Hassverbrechen mit Bezug auf
die sexuelle Identität oder die sexuelle Orientierung der Geschädigten“
geführt, es kam zu 64 Verurteilungen. Zum Vergleich: In Nordrhein-Westfalen
waren es 90 Verfahren und 14 Verurteilungen. Das Dunkelfeld ist riesig. Und
dass gerade in Berlin so viel mehr gemeldet wird als anderswo, liegt auch
daran, dass dort strukturierter gegen Queerfeindlichkeit vorgegangen wird
als in anderen Bundesländern: Bei der Berliner Polizei gibt es
LGBTIQ+-Ansprechpersonen und Schulungen für Polizist_innen.
## Ein gesamtgesellschaftliches Problem
Es ist allerdings nicht damit getan, dass queerfeindliche Straftaten besser
kategorisiert und stärker bestraft werden. Es sollte gar nicht erst zu
Angriffen kommen. Natürlich ist es wichtig, dass queerfeindliche Angriffe
wie der auf Malte C. erfasst werden – dass staatliche Institutionen wie die
Polizei wissen, wie sie reagieren müssen. Die Verantwortung tragen jedoch
wir alle als Teil dieser Gesellschaft. Queerfeindlichkeit findet nicht im
luftleeren Raum statt.
Nächste Woche erscheint ein neues Buch der Bestsellerautorin J.K. Rowling,
in dem es um eine Cartoonistin geht, der Rassismus und Transfeindlichkeit
vorgeworfen wird – bis sie letztendlich ermordet wird. Dieser angebliche
Diskurs der „Woken“, die, so das Narrativ, die Meinungsfreiheit mit
jeglichen Mitteln untergraben wollen, wurde von Rechten so oft
reproduziert, dass er anschlussfähig wurde in der Gesellschaft – und als
ernstzunehmender Debattenbeitrag in den Medien oder der Buchhandlung
präsentiert wird. Dabei sind es nicht Terfs (trans-ausschließende radikale
Feministinnen), die um ihr Leben fürchten müssen.
Der Angriff auf Malte C. am Rande des CSD in Münster ist erst eine Woche
her, nun melden Neonazis für diesen Samstag eine [7][Gegendemo zum CSD in
Gotha] an. Ein bekannter Neonazi warb laut queer.de auf Social Media für
die Veranstaltung und sprach von [8][„Multikulti-, Homosexuellen-, und
Genderpropaganda“, die „Gift für die Gesellschaft“ sei]. Es ist mit Gewa…
zu rechnen.
Nur in einer Gesellschaft, in der es nicht möglich ist, transidentitären
Menschen ihre Existenz abzusprechen, in der es nicht möglich ist, gegen
Veranstaltung zu demonstrieren, die queere Sichtbarkeit feiern und in der
es unvorstellbar wird, sich eine [9][schwarze Sonne tätowieren zu lassen],
nur in einer solchen Gesellschaft sind Angriffe bei CSDs keine traurige
Alltäglichkeit mehr.
2 Sep 2022
## LINKS
[1] https://www.queer.de/detail.php?article_id=43097
[2] /Pride-Month/!5859220
[3] https://www.lsvd.de/de/ct/6810-Jeden-Tag-drei-Faelle-von-LSBTI-feindlicher-…
[4] https://www.maenner.media/gesellschaft/politik/terfs-anti-woke-bewegung-has…
[5] https://www.tagesschau.de/inland/transfeindlichkeit-statistiken-gewalt-101.…
[6] https://www.tagesspiegel.de/politik/vor-csd-neue-daten-zu-trans-und-homopho…
[7] https://www.thueringer-allgemeine.de/regionen/gotha/protest-gegen-ersten-go…
[8] https://www.queer.de/detail.php?article_id=43094
[9] https://www.tagesspiegel.de/berlin/schwarze-sonne-bei-united-in-love-in-ber…
## AUTOREN
Nicole Opitz
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Kolumne Habibitus
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