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# taz.de -- Höhere Leitzinsen in der Eurozone: Die begrenzte Macht der EZB
> Zu wenig, zu zögerlich: Die angekündigte Zinswende der EZB steht in der
> Kritik. Dabei werden die Möglichkeiten der Währungshüter überschätzt.
Bild: Euro-Skulptur in der Frankfurter Innenstadt
Es ist eine Zeitenwende in der Geldpolitik: Zum ersten Mal seit elf Jahren
wird die EZB [1][im Juli ihre Zinssätze erhöhen, um 0,25 Prozentpunkte],
weitere Erhöhungen im September sollen kommen. Außerdem wird sie die
gigantisch hohen Ankäufe von Anleihen zum 1. Juli einstellen. Dadurch soll
die Inflation, die im Mai im Euroraum die 8-Prozent-Marke knackte, 2024
wieder die angestrebten 2 Prozent pro Jahr erreichen.
Höhere Zinsen bedeuten lukrativeres Sparen und teurere Kredite. Menschen
konsumieren also weniger und Unternehmen fahren ihre Investitionen zurück.
Die Zinswende birgt also ein Risiko, denn sie könnte jetzt, mitten im
Ukraine-Krieg und der Corona-Erholung, die Konjunktur abwürgen. Zu einem
gewissen Grad soll genau das jedoch auch passieren. Denn die Krisen bleiben
akut – oder fangen gerade erst an.
Seit die russische Armee im Februar in die Ukraine einmarschiert ist,
reduziert der Westen die Öl- und Gasimporte aus Russland. Weniger Ware,
höhere Preise: Die Kosten für Energie in der Eurozone sind zuletzt um fast
40 Prozent angezogen. Der Krieg verhindert außerdem [2][Weizenexporte aus
der Ukraine], eine [3][beispiellose Hitzewelle in Südasien] hat auch große
Teile der dortigen Getreideernte vernichtet. Hier derselbe Mechanismus –
und gut 9 Prozent höhere Lebensmittelpreise in der Eurozone im Mai. Und
auch die Corona-Pandemie ist nicht vorbei: Die Lockdowns, die China zuletzt
lahmlegten, stören weiterhin die globalen Lieferketten.
Die derzeit steigenden Preise bilden den Arbeitsaufwand ab, der betrieben
werden muss, um ein Gut zu produzieren. Werden Rohstoffe knapp, wird dieser
Aufwand größer. Wir können mit unserer Technologie und Arbeitskraft weniger
herstellen und weniger konsumieren – genau das indiziert die Verteuerung.
## Gleiche Preise bei sinkender Produktion
Wenn wir unser Öl nicht mehr auf dem billigsten Weg kaufen, [4][wenn Ernten
ausfallen] und Millionen von Menschen monatelang nicht wie gewohnt
arbeiten, mindert das die Produktivität und damit den Wohlstand. Ebenso die
Entscheidung, die Klimakrise anzuerkennen: Ein steigender CO2-Preis
signalisiert nichts anderes, als dass nicht mehr im gewohnten Ausmaß
konsumiert werden kann, soll der Planeten langfristig bewohnbar bleiben.
Wenn nun aber trotz der sinkenden Verfügbarkeit alle Güter genauso stark
nachgefragt werden wie zuvor, steigen die Preise. Das ist die Inflation,
die wir derzeit erleben. Höhere Zinsen können in diesem Fall die Nachfrage
zügeln, die den Wohlstandsverlust bislang nicht berücksichtigt – und
dadurch auf dem bisherigen Preisniveau mit der verringerten Produktion in
Einklang bringen. Eine befürchtete Abschwächung der Konjunktur würde, so
sehr sie schmerzt, letztendlich nur die neue Lage anerkennen.
Nun wird der EZB vorgeworfen, sie handele [5][viel zu wenig und viel zu
spät]. Das ist nur die halbe Wahrheit. [6][Die Mittel der Geldpolitik sind
letztlich begrenzt], die EZB ist inmitten der Megakrisen Krieg, Pandemie
und Lieferketten zum Moderieren verdammt: Die Knappheiten kann die
Zentralbank nicht beeinflussen, den Krieg und die Pandemie nicht beenden
und fossile Brennstoffe auch nicht weniger klimaschädlich machen. Die
Währungshüter können lediglich Anreize schaffen, weniger zu verbrauchen.
Warum dann nicht einfach Zinsen Zinsen sein lassen und mit den
Verteuerungen leben? Weil ein einigermaßen stabiles Preisniveau extrem
wichtig ist: Erwarten Unternehmen und Konsument*innen erst einmal eine
hohe Inflation, erfüllt diese Prophezeiung sich selbst: Um in Zukunft noch
die eigenen Kosten decken zu können, heben sie die Preise an und
[7][fordern höhere Löhne]. Eine fatale, sich selbst verstärkende Spirale
kommt in Gang, der entgegengesteuert werden muss – je früher, desto besser.
10 Jun 2022
## LINKS
[1] /Zentralbank-leitet-Zinswende-ein/!5856929
[2] /Weizenkrise-in-der-Ukraine/!5856933
[3] /Extreme-Hitze-in-Indien-und-Pakistan/!5853515
[4] /Obstanbau-im-Klimawandel/!5856428
[5] https://www.spiegel.de/wirtschaft/ezb-will-die-zinsen-anheben-zentralbank-i…
[6] /Inflation-in-Europa/!5855075
[7] /DGB-Forderungen-zum-1-Mai/!5847591
## AUTOREN
Josa Zeitlinger
## TAGS
Wirtschaftskrise
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Inflation
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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