Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Inflation in Europa: Das Zins-Dilemma
> Ukraine-Krieg, Pandemie und Lockdown in Shanghai: Die Inflation wird von
> externen Faktoren getrieben. Deshalb kann die EZB kaum reagieren.
Bild: Und über allem trohnt die EZB: Hochhaus der Zentrale in Frankfurt am Main
Berlin taz | Wird die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen anheben?
Diese Frage beschäftigt derzeit alle Börsenbeobachter. Seit fast acht
Jahren [1][dümpeln die Leitzinsen bei null], um die Wirtschaft im Euroraum
anzukurbeln. Nun könnte die EZB die Kehrtwende einleiten. Denn im Mai lag
die Inflationsrate im Euroraum bei 8,1 Prozent, nachdem sie im März und
April schon 7,4 Prozent betragen hatte. Die EZB strebt jedoch nur eine
Geldentwertung von knapp 2 Prozent an. Die Inflation liegt also viermal so
hoch wie angepeilt.
Allerdings befindet sich die EZB in einem Dilemma: Sie kann die Inflation
überhaupt nicht beeinflussen, denn die Geldentwertung wird von drei
„externen Schocks“ getrieben. Erstens macht sich die Coronakrise noch immer
bemerkbar. Ab Frühjahr 2020 kam es weltweit zu Lockdowns, die ziemlich
zeitgleich wieder aufgehoben wurden, sodass alle Staaten gleichzeitig ihre
Produktion steigerten – was wiederum die Preise für Energie und Rohstoffe
in die Höhe trieb.
Zweitens hat Putins Angriffskrieg auf die Ukraine die Lage auf den
Energiemärkten weiter verschärft. Die westlichen Länder versuchen, ihre Öl-
und Gasimporte aus Russland möglichst zu reduzieren. Aber es ist alles
andere als leicht, Ersatz zu organisieren, eben weil Energie auch schon vor
dem Ukrainekrieg knapp war. Also steigen die Preise weiter. Im Vergleich
zum vergangenen Jahr haben die Energiepreise im Euroraum um 39,2 Prozent
zugelegt.
Drittens kommt hinzu, dass China erneut von einer Coronawelle bedroht war
und deshalb den wichtigen Hafen in Shanghai ab 1. April 2022 zwei Monate
lang in einen [2][strikten Lockdown] versetzt hat. Jetzt [3][stauen sich
vor Shanghai etwa 3 Prozent der globalen Containerkapazitäten], was die
Lieferketten bis Jahresende weltweit durcheinanderbringen dürfte. Allein
Deutschland bezieht etwa 15 Prozent seiner importierten Vorprodukte aus
China.
In Europa selbst gibt es keinen Inflationsdruck, denn die Löhne steigen nur
moderat. In Deutschland legten sie 2021 im Durchschnitt um ganze 3,1
Prozent zu. An den Gehältern liegt es also nicht, dass so viele Firmen ihre
Preise erhöhen müssen. Es sind allein die externen Schocks, die die Kosten
treiben.
Höchstens indirekte Effekte
Die EZB ist daher weitgehend machtlos, denn ihre Zinspolitik kann die
globalen Märkte nicht steuern. Denkbar sind höchstens indirekte Effekte:
Sollten die Zinsen im Euroraum steigen, dürfte auch der Eurokurs zulegen,
weil dann mehr internationale Anleger ihr Geld in Euro anlegen wollen. Der
Dollar würde also billiger, was wiederum das Öl kostengünstiger machen
würde, weil es in Dollar abgerechnet wird. Die Inflation im Euroraum würde
sinken.
Allerdings wäre diese Strategie ziemlich riskant: Wenn die Zinsen steigen,
könnten Firmen und Häuslebauer in Bedrängnis geraten, die sich darauf
verlassen haben, dass ihre Kredite billig bleiben. Es könnte also eine
Rezession drohen, was weitaus schlimmer wäre als die Inflation. Die EZB
befindet sich in einem Dilemma, aus dem es keinen bequemen Ausweg gibt.
31 May 2022
## LINKS
[1] /Keine-Zinserhoehung-gegen-Inflation/!5848837
[2] /Schanghai-im-Lockdown/!5844629
[3] /Mega-Schiffsstau-vor-Schanghai/!5844626
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
Inflation
EZB
Zinspolitik
EZB
EZB
EZB
Inflation
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Armut
## ARTIKEL ZUM THEMA
Folgen der Zinswende: Europa droht ein heißer Herbst
Die EU hat die Inflation zu lange schleifen lassen, vor allem bei den
Energiepreisen. Das rächt sich nun.
Zentralbank leitet Zinswende ein: EZB sagt Inflation den Kampf an
Die Europäische Zentralbank plant die erste Leitzinserhöhung seit elf
Jahren. Ein Ende der historisch hohen Geldentwertung erwartet sie 2024.
Maßnahme gegen hohe Inflation: EZB plant Zinserhöhung
Die Zinsen im Euro-Raum sollen zunächst um 0,25 Prozentpunkte steigen. Das
Anleihe-Ankaufprogramm will die Zentralbank zum 1. Juli beenden.
Ampel-Streit ums Klimageld: Die große Preisfrage
Arbeitsminister Heil will der Inflation mit einem „sozialen Klimageld“
begegnen. Finanzminister Lindner hat da eine ganz andere Idee. Und nun?
Preissteigerungsrate bei fast 8 Prozent: Inflation wie zu Willys Zeiten
Die Inflationsquote steigt im Mai auf 7,9 Prozent – so hoch wie zuletzt im
Winter 1973/1974. Das bringt reale Verluste für Löhne und Altersvorsorge.
Trotz Kritik der FDP: Sozialminister Heil plant Klimageld
Die Energie- und Lebensmittelpreise steigen weiter. Der Sozialminister
schlägt deshalb neue Entlastungen für niedrige und mittlere Einkommen vor.
Armutsdiskussion bei steigender Inflation: Ärmer heißt nicht arm
Die Inflation liegt auf einem Rekordhoch. „Wir werden ärmer“, sagen nun
Politiker*innen. Aber wer sind eigentlich „wir“?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.